Gesundheit

Wie gefährlich sind Schmerzmittel beim Marathon?

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Läufer, die vor dem Wettbewerb vorsorglich Schmerzmittel einnehmen, haben davon keinen Nutzen, riskieren aber Komplikationen. Ein Sportmediziner erklärt, wie man mit schmerzhaften Beschwerden beim Marathon umgehen kann - und warum man seine Nieren besser schonen sollte.

Hilft eine Tablette gegen das stechende Knie? Der Triathlet und Sportmediziner Robert Fritz betreut seit zehn Jahren Marathonläufe und leitet auch in diesem Jahr das medizinische Zentrum des Wien-Marathons, der am kommenden Sonntag stattfindet. Mit der "Presse" hat er über die Risiken der Schmerzmitteleinnahme beim Langstreckenlauf gesprochen.

Manche Läufer schlucken vor einem Wettbewerb Schmerzmittel, um Muskelkrämpfen und Gelenkbeschwerden vorzubeugen? Wie ratsam ist das?

Dr. Robert Fritz:
Im Prinzip ist es natürlich immer gescheiter ohne Medikamente zu laufen. Ich denke, dass es oft mit Angst zu tun hat. Vielleicht haben Teilnehmer, die sich auf einen Halbmarathon oder Marathon vorbereiten, gehört, dass es während des Laufs sehr anstrengend werden oder haken könnte. In Läuferkreisen hat es sich teilweise herumgesprochen, dass man hier besser vorsorglich ein Schmerzmittel nimmt. Erstens funktioniert das überhaupt nicht, weil Schmerzmittel unter Anstrengung nicht so arbeiten, wie man sich das vorstellt und zweitens haben sie natürlich ein gewisses Risiko an Nebenwirkungen, deshalb kann man die Einnahme von Schmerzmitteln nicht empfehlen.

Welche Nebenwirkungen können auftreten?

Es sind zwei große Gruppen, zum einen kann die Niere durch die Dehydrierung und die Medikamente überlastet werden. Das zweite Gebiet ist der Magen-Darm-Trakt, vor allem der Magen. Diese Medikamente können hier Entzündungen auslösen. Jetzt hat der Magen im Alltag aufgrund seiner guten Durchblutung meistens kein großes Problem mit Schmerzmitteln, aber im Wettkampf verlagert sich die Blutversorgung eher in die Muskulatur und das kann zu Nebenwirkungen von Magenschmerzen bis zu Magenblutungen führen. 

Von welchen Medikamenten sprechen wir eigentlich?

Wir sprechen von Schmerzmitteln der Gruppe NSAR (Nichtsteroidale Antirheumatika), das sind jene, die rezeptfrei zu bekommen sind. Dazu zählt Ibuprofen, Diclofenac oder der Aspirin-Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS), aber von Seiten der Wirkstoffe wirken diese sehr ähnlich. Sie werden über die Niere ausgeschieden, die beim Laufen schon belastet ist. Generell ist eine ausreichende Flüssigkeitsversorgung bei Marathon/Halbmarathon für die regelrechte Funktion der Nieren sehr wichtig.  

Es gibt Studien, die belegen, dass beim Marathon die Nieren einen Schaden nehmen können.

Es gibt sowohl Studien, die sich mit Schäden am Nierengewebe durch die Belastung des Marathons befassen, als auch Studien, die belegen wollen, dass bis zu 50 Prozent der Starter bei einem Marathon Schmerzmittel nehmen. Das stimmt so mit Sicherheit nicht. Es gibt noch keine Untersuchung, die bleibende Schäden am Nieren- oder Herzgewebe nach einem Marathon beweisen kann, sondern immer nur kurzfristige Anstiege von Enzymen und Biomarkern, die jedoch nach wenigen Stunden bis einigen Tagen nach der Belastung wieder völlig normal sind. Auch die große Anzahl an Schmerzmittelmissbrauch glaube ich so nicht. Die Zahlen unterscheiden sich bei den einzelnen Untersuchung so gewaltig und sind für mich nicht nachvollziehbar. Es gibt überall "schwarze Schafe" und dass sich die damit ihre Gesundheit zerstören können, wissen sie hoffentlich. 

Wann sollte man nicht zum Wettkampf antreten?

Wir wollen im Marathon-Medical-Center vor allem jene erreichen, die vielleicht zu wenig trainiert haben und sich jetzt unsicher fühlen. Vielleicht hatten sie eine Überlastung und überlegen deshalb, zu einem Schmerzmittel zu greifen, damit es nicht ganz so hart wird. In diesem Fall kann man dezidiert sagen: Nein, bitte auf keinen Fall! Wenn diese Läufer jetzt beschwerdefrei sind, dann können sie den Wettkampf trotzdem ruhig angehen, man kann sich trauen, zu starten, auch wenn man im Rahmen eines regelmäßigen Trainings Ausfälle hatte. Aber während des Laufs - und das ist wirklich wichtig - muss man auf die Signale des Körpers hören. Wenn ich Schmerzen habe - und ich rede nicht von einem Muskelziehen -, wenn mir das Knie weh tut, die Hüfte oder das Sprunggelenk sticht, so sehr, dass ich kaum noch laufen kann, dann ist das ein Hinweis des Körpers, dann passt etwas nicht, dann sollte man nicht weiter laufen. In Wien kann man im Gegensatz zu anderen Marathonveranstaltungen zum Beispiel auch nach dem Halbmarathon ins Ziel laufen, obwohl man für den ganzen Marathon angemeldet ist. Es wird am Sonntag relativ kühl sein, für die einen ist das positiv, für die anderen wieder nicht. Und wenn man sich nicht fit fühlt: abbiegen zum Zieleinlauf. Der Halbmarathon ist auch ein schönes Ziel.

Und wenn es nicht das Muskelziehen ist, was sind die Ursachen für schwerwiegende Erkrankungen während eines Marathonlaufs?

Wirklich gefährlich sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wir haben auf der Homepage des Vienna City Marathons einen Fragebogen, mit logischen Fragen wie: Hatten Sie schon einmal ein Herzproblem? Hatten Sie schon einmal Atemnot beim Laufen? Ganz simpel. Aber wenn wenn man diese Fragen mit "Ja" beantworten muss und unsicher ist, dann bitte einfach am Freitag oder Samstag in das Medical Center kommen. Wir sind mit 28 Spezialisten den ganzen Tag von 10 bis 19 Uhr vor Ort an der Messe Wien bei der Startnummernabholung. Wir können ein EKG schreiben oder Laborbefunde machen. Ein Belastungs-EKG ist allerdings nicht möglich, diese Untersuchung macht ein, zwei Tage vor dem Wettkampf überhaupt keinen Sinn mehr. Wer aber zum Beispiel wegen einer Verkühlung unsicher ist, ob er oder sie fit ist, dann einfach vorbeikommen.

Gibt es eine Läuferschicht, die am häufigsten von Startverboten betroffen ist und bekommt man im Falle des Falles sein Startgeld zurück?

Leider nein, außer man hat eine Stornoversicherung abgeschlossen. Das größere Problem, mit dem wir in diesem Zusammenhang jedes Jahr vor Ort kämpfen, sind nicht die Marathon- oder Halbmarathonläufer, die sind in der Regel gut vorbereitet und vernünftig. Beim Staffelbewerb laufen zum Teil viel untrainiertere Personen mit, außerdem ist die Gruppendynamik nicht zu unterschätzen. Der Gedanke: "Wenn ich jetzt nicht starte, kommt die ganze Staffel nicht zustande", kann gefährlich werden. An diesem Punkt treffen viele Teilnehmer eine unvernünftige Entscheidung. Auch ein paar Kilometer können ein Problem darstellen, wenn man verkühlt ist oder sich aus einem anderen Grund nicht fit fühlt. Also lieber jemand anderen laufen lassen oder in der Dreier-Staffel starten.

Gibt es viele Zwischenfällen dieser Art?

Wir haben zum Glück wenig Startverbote. Viele haben auch Angst, wenn sie in unser Gesundheitszentrum kommen, werden sie definitiv vom Marathon ausgeschlossen. Aber so ist es nicht, jeder Arzt, der bei uns im Team arbeitet, hat eine Liebe zum Sport. Wir versuchen, wenn es irgendwie Sinn macht, die Leute zum Laufen zu kriegen. Auch was zum Beispiel Sportverletzungen oder Überlastungen angeht. Wir haben Sportorthopäden und Physiotherapeuten vor Ort, um beispielsweise Probleme, die in den letzten Trainingswochen entstanden sind und jetzt akut werden, zu behandeln. Bei dem einen helfen Kinesiotape und Massagen, dem anderen muss man sagen, dass er besser nicht laufen sollte. Meistens wird das dann auch verstanden.

Wie steht es um die Einnahme von Schmerzhemmern nach dem Lauf?

Vernünftiger ist es, auch wenn man sich ein, zwei Tage schont, dann kann man auch diese typischen NSAR-Schmerzmittel verwenden. Nach dem Zieleinlauf sollte man auf jeden Fall zuerst ausreichend trinken und essen, um den Körper aus der Extrembelastung langsam zurückzuführen. Eigentlich sollte man nach dem Lauf auch keine wirklichen Schmerzen haben, außer Muskelschmerzen. Bei einem klassischen Muskelkater bringen Schmerzmittel herzlich wenig, da muss man durch. Das ist auch normal und darf so sein. Wer massive Schmerzen hat, sollte bitte zum Arzt gehen und nicht die Symptome unterdrücken.

Was empfehlen Sie in den letzten Tagen vor dem Lauf?

Ernährungsideen, bei denen man Low- oder No-Carb isst, sollte man jetzt über den Haufen werfen. Teilnehmer sollten viele Kohlenhydrate zuführen, in Form von Gebäck, Kartoffeln, Reis, was man mag. Kohlenhydrate bringen die Energie, die der Muskel dann beim Laufen verwenden kann und der Körper lagert sie gemeinsam mit Flüssigkeit ein. Und das ist der zweite Tipp: viel Flüssigkeit zu sich nehmen. Isotone Getränke machen auch Sinn, weil hier verschiedene Kohlenhydrate enthalten sind, von der einfachen Glukose bis zum komplexen Maltodextrin. Und der Dritte: nicht mehr viel trainieren. Also mit der Kombination aus Wasser, Sportgetränken und Kohlenhydraten die Speicher auffüllen, entspannen und dann kann nichts mehr schief gehen.

Zur Person

Dr. med. univ. Robert Fritz (1977) leitet seit 2009 das medizinische Zentrum des Wien-Marathons. Der begeisterte Triathlet ist Mitbegründer der Sportordination Wien.

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Daten und Fakten

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Insgesamt nehmen 40.000 Menschen teil. Die Königsdisziplin am Sonntag bewältigt jedoch nur eine Minderheit.
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