Tödliche Gefahr unterschätzt: Tollwut

Toedliche Gefahr unterschaetzt Tollwut
Toedliche Gefahr unterschaetzt Tollwut(c) EPA (David Cheskin/Pa)
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Jährlich sterben weltweit mindestens 50.000 Menschen an der Tollwut. Risikoländer sind vor allem Indien, Burma, Kambodscha, Thailand, Vietnam, China und neuerdings Bali, wo die Krankheit wieder eingeschleppt worden ist.

Quälende Ungewissheit – bis zu einem Jahr und länger: So lange kann sich die Inkubationszeit der Tollwut erstrecken, „und es gibt keine Möglichkeit, sie vor Ausbruch zu diagnostizieren“, berichtete der Tropenmediziner Univ.-Prof.Dr. Herwig Kollaritsch auf der heurigen wissenschaftlichen Fortbildungswoche der österreichischen Apothekerkammer. Und es gibt auch keine Behandlung gegen diese häufig tödlich endende Viruserkrankung, wohl aber eine wirksame Impfung.

Besonders gefährdet sind Kinder

Übertragen wird die Tollwut unter anderem durch Hunde. „Unter Reisenden wird die Gefahr aber stark unterschätzt, denn die meisten gehen davon aus, dass man den Hunden aus dem Weg gehen kann. Aber das ist bei den vielen streunenden Hunden in manchen Ländern kaum möglich, ein Kontakt ist schwer vorhersehbar“, betont der Fachmann. Untersuchungen zufolge hat einer von 5000Reisenden einen tollwutsuspekten Tierkontakt.

Tollwütige Hunde sind an Verhaltensauffälligkeiten wie besonders aggressiv, besonders lethargisch oder besonders unruhig und gereizt zu erkennen, „bei Welpen gibt es keine Verhaltensauffälligkeiten“. Besonders gefährdet sind Kinder bis zum Vorschulalter – sie müssen für eine Infektion gar nicht gebissen oder gezwickt werden, bei ihnen reicht schon, wenn der Hund ihre Hände abschleckt und die Kinder dann das Virus mit den Fingern auf eine Schleimhaut (beispielsweise im Mund) bringen.

Risikoländer sind vor allem Indien, Burma, Kambodscha, Thailand, Vietnam, China und neuerdings Bali, wo die Krankheit wieder eingeschleppt worden ist. Tollwutgefahr lauert aber auch in Südamerika, Afrika, ja sogar in Kroatien, Österreich wurde von der WHO im Jahr 2008 für tollwutfrei erklärt.

Zurück zum derzeitigen Tollwut-Hotspot Bali: „Momentan sind dort monatlich 1000 bis 1500 Hundebisse zu versorgen.“ Bei Tollwutverdacht gibt es eine postexpositionelle Prophylaxe, die aus einer Impfung plus der Gabe von Immunglobulinen besteht.

Schwere Hirnentzündungen

Der Haken dabei in Bali: „Impfstoff ist da, an Immunglobulinen fehlt es aber an allen Enden und Ecken“, berichtet Kollaritsch. Der Haken generell: Diese Behandlung sollte in den ersten 48 Stunden nach dem Tierkontakt durchgeführt werden, je mehr Zeit vergeht, desto weniger spricht die Therapie an. Erfolgt sie rechtzeitig und wird so der Anschluss des Virus an das Nervensystem unterbunden, kommt es noch immer bei einem von 80.000Betroffenen zum Krankheitsausbruch.

Das Virus befällt das zentrale Nervensystem und greift innerhalb kurzer Zeit alle lebenswichtigen Zentren an. Nach anfänglichem Fieber, Nackensteifigkeit und eventuell Kopfweh können Lähmungen auftreten, epileptische Anfälle, Krampfzustände, Psychosen. „Und das sind oft extreme Phobien mit quälenden Beschwerden, wie etwa die Aerophobie. Diese Menschen haben Angst zu atmen. Oder Hydrophobie. Betroffene können kein Wasser sehen, haben beim Trinken häufig Schluckbeschwerden.“

Der Tod tritt meist infolge einer schweren Hirnentzündung ein, „behandeln können wir, wie gesagt, leider nicht“. Der letzte Todesfall in Österreich ereignete sich 2004, ein 23-jähriger Steirer hatte die Tollwut aus Marokko eingeschleppt.

Jährlich gibt es weltweit etwa 50.000 Tollwut-Tote. Die WHO geht aber davon aus, dass die Dunkelziffer vier- bis fünfmal so hoch ist. „Zwar ist dabei die Zahl der Reisenden verschwindend gering, aber wenn man bedenkt, dass Tollwut vor ihrem Ausbruch nicht diagnostizierbar und dann nicht behandelbar ist, ist eine Impfung ob der Schicksalhaftigkeit der Erkrankung schon wirklich gerechtfertigt“, sagt Kollaritsch.

Umso mehr, als die Impfung sehr gut verträglich ist und einen sehr guten Schutz bietet. „Der einzige echte Nachteil ist der Preis.“ Eine Teilimpfung kostet 70Euro, man braucht drei davon und nach zwei Jahren eine Auffrischungsimpfung. „Dann hält der Schutz etwa 15 Jahre“, so der Experte.

TOLLWUT KANN NICHT BEHANDELT WERDEN

Tollwut ist eine Viruserkrankung, die nicht behandelbar ist und meist zum Tod führt.

Die Inkubationszeit beträgt zwei Wochen bis sechs Jahre in Ausnahmefällen; die Krankheit ist
vor ihrem Ausbruch nicht diagnostizierbar.

Reisende werden nur selten infiziert, in den betroffenen Ländern aber gibt es jährlich 50.000 Tollwuttote, die Dunkelziffer dürfte vier- bis fünfmal so hoch sein.

Eine Impfung schützt sehr gut gegen die Tollwut. Sie ist gut verträglich, aber teuer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2010)

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