"Costa Concordia": Reederei wirft Kapitän "Fehler" vor

Costa Concordia Reederei wirft
Costa Concordia Reederei wirft(c) REUTERS (MAX ROSSI)
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Die Route des Schiffes führte zu nahe an der Küste vorbei, vermutet die Reederei. Schlechtes Wetter behindert die Suche nach den 16 Vermissten. Sechs Tote wurden bisher gefunden.

Das Drama vor der Küste der Toskana geht weiter: Nach der Havarie des italienischen Kreuzfahrtschiffes "Costa Concordia" ist die Zahl der Todesopfer auf sechs gestiegen. Einzelheiten zum Hergang der Schiffskatastrophe erhofft man sich von der Auswertung der Blackbox. Die Reederei schließt menschliches Versagen als Unglücksursache jedenfalls nicht aus. "Es scheint, dass der Kommandant Beurteilungsfehler gemacht hat, die schwerste Folgen gehabt haben", teilte die in Genua ansässige Kreuzfahrtgesellschaft Costa Crociere mit. "Die Route des Schiffes führte offenbar zu nahe an der Küste vorbei." Auf der Seekarte waren die Felsen vor dem Hafen von Giglio deutlich sichtbar eingezeichnet.

Es sehe so aus, als seien die Entscheidungen des Kapitäns in der Notsituation nicht den üblichen Regeln von Costa Crociere gefolgt, erklärte die Reederei. Das Unternehmen hob in seiner Erklärung die Leistung der Besatzung bei der Evakuierung der "Costa Concordia" hervor. Die Mannschaft habe "tapfer und zügig dabei geholfen, mehr als 4000 Personen in einer sehr schwierigen Situation in Sicherheit zu bringen", hieß es.

Der Kapitän sein Erster Offizier wurden am Samstag wegen Fluchtgefahr festgenommen. Beiden wird schweres Fehlverhalten vorgeworfen.

Wetter behindert Suche nach Vermissten

Am Montag ist aus dem Wrack des havarierten Kreuzfahrtschiffes ein weiteres Todesopfer geborgen worden. 16 Personen - zehn Passagiere und sechs Besatzungsmitglieder - sind noch als vermisst gemeldet. Unter ihnen sind ein Vater und seine fünfjährige Tochter, zwei Franzosen, zwei Amerikaner und eine Peruanerin.

"Die Hoffnungen, weitere Vermisste lebend zu finden, sind minimal", sagte der Bürgermeister der Insel Giglio, Sergio Ortelli. Und sie schwinden weiter: Die Suche musste wegen der schlechten Wetterbedingungen vorübergehend ausgesetzt werden. Die "Costa Concordia" hatte sich um neun Zentimeter bewegt. Nachdem die Stabilität des Schiffes überprüft worden sei, seien die Arbeiten fortgesetzt worden, sagte Feuerwehrsprecher Luca Cari. Der Wind in der Region um die Insel Giglio und der Wellengang hätten nachgelassen.

Nicht ausgeschlossen wird, dass die "Costa Concordia" ganz versinken könnte. Das Schiff befindet sich derzeit an einer 30 Meter tiefen Stelle am Rand zu tieferen Gewässern. Seit Montagfrüh ist das Wrack zehn Zentimeter abgerutscht. Für Donnerstag ist eine wesentliche Verschlechterung der Bedingungen prognostiziert.


Die "Costa Concordia" war am späten Freitagabend mit mehr als 4200 Menschen an Bord auf einen Felsen gelaufen. Dabei war der Rumpf des Schiffes aufgerissen worden. Nach starkem Wassereinbruch neigte sich das Schiff und kippte schließlich auf die Seite.

Kapitän vorzeitig von Bord gegangen

Dem Kapitän und dem ersten Offizier des Schiffes wird schweres Fehlverhalten vorgeworfen. "Sie haben das Schiff lange vor Abschluss der Evakuierungsaktion verlassen", sagte Staatsanwalt Francesco Verusio. Nach einigen Berichten war der Kapitän schon fünf Stunden vor Ende der Evakuierungsaktion an Land. Dieser behauptete jedoch, er habe als letzter das Schiff verlassen. Dem Kapitän wird angeblich auch "fahrlässige Tötung" vorgeworfen. Er selbst machte eine fehlerhafte Seekarte für das Unglück verantwortlich.

Montagabend wurde außerdem bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen weitere drei Offiziere des Schiffs aufgenommen hat. Ihnen wird Mitverantwortung bei der Schiffskatastrophe vorgeworfen. Außerdem sollen auch sie das Schiff zu früh verlassen haben.

Verusio berichtete, dass das Schiff lediglich 150 Meter von der Küste entfernt war, als es auf Grund lief. "Der Meeresboden ist dort voll mit Steinen und Felsen. Für ein Kreuzfahrtschiff ist es dort sehr gefährlich", so Verusio. Noch unklar ist den Behörden, warum der Kapitän erst um 22.43 Alarm geschlagen hatte. Dabei war das Schiff am Freitag um 21.45 Uhr gegen den Felsen geprallt.

"Der Kapitän hat mit Bravour gehandelt und dafür gesorgt, dass viele Menschenleben gerettet werden konnten", sagte sein Rechtsanwalt Bruno Leporatti. Sein Mandant sei wegen der Todesopfer an Bord seines Schiffes erschüttert. Die Festnahme sei unbegründet. Der Kapitän habe bisher volle Kooperationsbereitschaft mit den Behörden gezeigt.

Entschädigung für Passagiere

Die 77 Österreicher, die an Bord der "Costa Concordia" waren, könnten bald mit einer Entschädigung rechnen. Dies versicherte Eurotours, exklusiver Reiseveranstalter von Hofer-Reisen, bei dem 50 österreichische Passagiere die Kreuzfahrt gebucht hatten. Eurotours habe sich mit jedem der Österreicher in Verbindung gesetzt.

Nach Angaben des italienischen Rechtsanwalts Marco Bona, der auf Entschädigungen nach Schiffs- und Flugzeugunglücken spezialisiert ist, wird jeder der über 4200 Passagiere an Bord der "Costa Concordia" einen Betrag zwischen 10.000 und 20.000 Euro erhalten. Die Hinterbliebenen der Todesopfer könnten mit einer Entschädigung von 430.000 Euro rechnen.

Verlust in Millionenhöhe

Die Verluste für die Costa Crociere wegen des Unglücks vor der Toskana sind enorm. Das Unternehmen bezifferte den vorläufigen Schaden mit 73 Millionen Euro. 500 Millionen Euro ist der Wert des auf Grund gelaufenen Kreuzfahrtschiff. Das Schiff hätte der Reederei allein in diesem Jahr Einnahmen von 60 Millionen Euro gebracht. Geschäftsführer Pier Luigi Foschi zeigte sich überzeugt, dass sich die Rederei nach dieser Tragödie erholen werde. "Wir werden das Vertrauen der Kunden zurückgewinnen", meinte der Manager.

Nach dem Unglück soll das Schiff von Spezialisten geborgen werden. Das Wie ist aber noch unklar. Erwogen werde unter anderem eine Bergungsaktion mit Hilfe riesiger Luftkissen, die das zur Seite geneigte Schiff wieder aufstellen, so Foschi. Auch eine Zerlegung des Schiffs schloss der Geschäftsführer nicht aus.

Inzwischen droht den 1000 Besatzungsmitgliedern der Costa Concordia der Jobverlust. "Für die Besatzungsmitglieder ist es eine doppelte Tragödie. Nachdem sie das Schiffsunglück miterlebt haben, verlieren sie jetzt ihre Arbeit", so ein Gewerkschaftssprecher.

(Ag.)

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