Erkältung: Alles auf Hühnersuppe?

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Sie gilt als Wunderwaffe gegen Erkältungen. Wissenschaftliche Belege dafür gibt es keine – und laut Traditioneller Chinesischer Medizin soll das Hausmittel gar die Verkühlung verlängern.

Bei der Hühnersuppe hört sich der Spaß auf. Kaum ein Gericht ist emotional so stark besetzt und bei kaum einem Hausmittel gehen die Meinungen derart stark auseinander. Und zwar nicht nur in Sachen Geschmack und kulinarischen Vorlieben. Gibt man das Huhn ins kochende Wasser oder erwärmt man es langsam mit dem Wasser? Wie lange wird es gekocht und womit verfeinert?

Die unterschiedlichen Auffassungen bei der Zubereitung sind aber nichts im Vergleich zu den Differenzen über die Wirkung der Suppe. Bei einem aber sind sich alle Vertreter der verschiedensten Ernährungs- und Lebensweisen einig: Die Hühnersuppe wirkt. Nur wogegen, wofür und wann am besten? Spätestens da ist es dann vorbei mit der Harmonie. Während man hierzulande auf die Hühnersuppe als Wunderwaffe gegen Erkältungen und grippale Infekte schwört, ist ein solcher Einsatz in der Traditionellen Chinesischen Medizin verpönt. Dort heißt es nämlich, dass das Süppchen, da es kräftigend wirkt, den Erreger im Körper behält und deshalb auf keinen Fall bei Erkältungen eingesetzt werden soll.


Totschlagargument »Großmutter«. Aber zurück zur Volksmedizin. Die argumentiert nämlich gern mit dem Totschlagargument „Großmutter“. Wenn die nämlich etwas empfiehlt oder gar immer schon so gemacht hat, dann ist Widerstand zwecklos. Die Sache muss einfach gut sein, immerhin will niemand der Dame ihre Lebenserfahrung absprechen. Also wird ein heißes Süppchen vor dem Schlafengehen gegessen und am nächsten Tag ist die Erkältung weg – oder auch nicht. Denn aus wissenschaftlicher Sicht gibt es dafür so gut wie keine Beweise. „So etwas ist irrsinnig schwer zu untersuchen“, sagt der Ernährungsmediziner Kurt Widhalm von der Med-Uni Wien. Nicht nur, weil man dazu zwei Vergleichsgruppen bräuchte, die exakt das Gleiche essen. Sondern auch, weil sich die Wirkung eines Lebensmittels nur schwer aus der Summe des Speiseplans abstrahieren lässt. „Es gibt ja auch keine Untersuchungen, die belegen, dass Vitamine bei einem Infekt irgendeinen Benefit haben“, sagt Widhalm.

Humanstudien dazu gibt es tatsächlich keine, lediglich an Zellkulturen wurde an der Universität Nebraska im Jahr 2000 geforscht. „Dabei hat man gesehen, dass die Bewegung der weißen Blutkörperchen eingeschränkt wurde“, sagt Ernährungswissenschaftlerin Marlies Gruber vom Verein Forum Ernährung heute. Und diese weißen Blutkörperchen sind bei Erkältungen besonders aktiv und für die Entzündung der Atemwege verantwortlich. Woran die positive Wirkung der Suppe liegt – also etwa am Huhn selbst, den Kräutern oder der Kombination – konnte allerdings nicht herausgefunden werden.

Fakt ist, dass die Suppe oft wegen des hohen Eiweißgehalts, der vielen Mineralien und Vitamine etwa durch Sellerie, Karotten und Lauch gelobt wird. „Hühnerfleisch sowie das gekochte Gemüse enthalten Inhaltsstoffe, die eine entzündungshemmende Wirkung aufweisen“, sagt Ernährungswissenschaftlerin Petra Rust von der Universität Wien. So sollen etwa die Vitamine B1, B6 und B12 sowie Eisen, Mineralstoffe und Zink die Abwehrkräfte stärken. Laut Rust ist es dabei auch egal, wie die Suppe zubereitet wird. Eine Packerlsuppe hat demnach dasselbe Ergebnis.


Kraftbrühe auch für Keime. Letztere ist vor allem für Anhänger der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) ein Grund, warum sich die Mär von der Hühnersuppe als Antigrippemittel hält. Denn mit einer Hühnerkraftsuppe aus der TCM hat eine Packerlsuppe wohl nichts mehr gemein. TCM-Mediziner raten davon ab, eine Hühnersuppe zu sich zu nehmen, wenn sich eine Erkältung anbahnt oder gar schon da ist. In der chinesischen Lehre handelt es sich bei der Hühnersuppe nämlich um eine wahre Kraftbrühe, die bis zu fünf Stunden gekocht wird (die Inhaltsstoffe werden dann abgeseiht und die Suppe mit frischem Gemüse verfeinert). Und die wird zur Stärkung etwa nach einer Geburt oder in Erholungsphasen – auch nach einer Erkältung – eingesetzt. „Die Suppe wirkt stärkend, auch auf den Keim, den sie dadurch im Körper hält. Man kann sie zur Vorbeugung essen oder wenn man auf dem Weg der Besserung ist, aber nicht während der Erkältung“, sagt die Schulmedizinerin Andrea Scholdan, die in ihrem Suppengeschäft Suppito nach der Lehre der Fünf Elemente kocht. Sie ist generell der Meinung, dass man bei einer Erkältung den Körper nicht zusätzlich mit einem aufwendigen Speiseplan belasten, sondern lieber auf bekömmliche Kost setzen sollte – etwa eine Reisschleimsuppe. Wenn es sich allerdings um eine richtige Grippe handelt, ist auch sie für die Schulmedizin. „Man könnte das auch anders auskurieren, aber dazu hat ja heute keiner mehr Zeit.“

TCM-Ärztin Claudia Radbauer empfiehlt bei Erkältungen und grippalen Infekten eine schweißtreibende, leichte Kost, also etwa eine Frühlingszwiebelsuppe mit Karotten, Ingwer und chinesischen Kräuter oder wärmende Gewürze wie Zimt. In einem Punkt sind sich aber TCM-Anhänger und jene der westlichen Medizin einig: Man sollte viel und warm trinken, um den Erreger aus dem Körper zu spülen. Für die einen gehört dazu eben auch die Hühnersuppe, für die anderen nicht. Scholdan erklärt sich die gängige Auffassung der Hühnersuppe als Mittel gegen Erkältungen auch damit, dass viele Suppen viel zu leicht und deshalb mit den kräftigenden Fünf-Elemente-Suppen nicht vergleichbar sind.

Wohlfühlfaktor. Köchin Haya Molcho sieht hingegen die positive Wirkung woanders begründet. Einerseits in den Vitaminen und der Gelatine, für die wiederum die Innereien wichtig sind. „In eine richtige Hühnersuppe gehören Innereien, Füße und Hälse und nicht nur geputzte Hühnerteile“, sagt die Inhaberin des Restaurants Neni. Andererseits – und da dürften ihr alle anderen Ernährungsexperten zustimmen – gibt es auch einen psychologischen Aspekt. „Wenn man als Kind krank wird, wird man verwöhnt. Es kümmert sich jemand und man bekommt die Suppe ans Bett. Das ist schon der halbe Genesungseffekt. Ich war immer schon auf dem Weg der Besserung, sobald meine Mutter die Suppe nur serviert hat.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2012)

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