Gastro-Trip: „Gegrillter Brokkoli geht immer“

(C) GABRIEL RATH
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„Ich möchte Essen machen, das glücklich macht“, sagt der israelische Meisterkoch Yotam Ottolenghi und erfreut damit Londons Lokallandschaft und seine Besucher.

London. Eine Errungenschaft wird von der Regierungszeit Tony Blairs bleiben: In den 13 Jahren unter New Labour (1997–2010) hat Großbritannien eine Demokratisierung des Geschmacks erlebt. Italienischen Kaffee, französische Weine und mediterrane Küche findet man heute (fast) an jeder Ecke und zu Preisen, die ein gepflegtes und gelungenes Essen allgemein zugänglich gemacht haben. Es ist wohl kein Zufall, dass jenes verhängnisvolle Abendessen zwischen Blair und Gordon Brown, das 1994 über das Schicksal der Partei und des Landes entschied, in einem italienischen Restaurant namens Granita stattfand.

Das Granita ist längst geschlossen, so wie auch New Labour heute ausgedient hat. Doch der Stadtteil Islington ist weiter so trendig wie er vor 20 Jahren gerade wurde, und eine Minute entfernt von dem ehemaligen Italiener betreibt heute Yotam Ottolenghi mit einem seiner fünf Lokale einen der meistgeliebten und -gepriesenen Gastroadressen Londons.

Der 44-jährige Israeli versteht es nicht nur gut und einfallsreich zu kochen. Was er wie wenige andere kann: Sein Essen ist ein ästhetisch-sinnlicher Genuss.

Sein Konzept erklärt der ehemalige Philosophiestudent Ottolenghi der „Presse“ so: „Ja, die Präsentation spielt eine Rolle in meiner Küche, aber ich glaube nicht, dass es eine übertrieben komplizierte Küche ist. Das Essen muss für sich selbst sprechen.“ Dabei liebt er es zu überraschen: „Ungewöhnliche Zutaten und Verbindungen können ganz neue Erlebnisse hervorbringen. Ich möchte Essen machen, das glücklich macht.“

Philosophie und Delikatessen

Mit seinem Zugang ist es Ottolenghi gelungen, die mediterrane Küche des Nahen Ostens zugleich zu popularisieren und zu modernisieren. Er hat drei Kochbücher geschrieben. Sein jüngstes Buch „Jerusalem“ feiert die Vielfalt und den Reichtum der Einflüsse, vom israelischen Musiker Gilad Atzmon stammt die Parole: „Zwei Völker, ein Hummus.“

Seine Bücher hat Ottolenghi mit dem Palästinenser Sami Tamimi geschrieben, mit dem er auch seine Lokale (vier Delis und ein Restaurant) betreibt. Ottolenghi ging 1997 nach Fertigstellung seiner Dissertation von Amsterdam nach London: „Ich hatte genug von der Wissenschaft. Mit dem Kochen kann man unmittelbare Erfüllung bekommen.“

Die Lehrjahre waren hart, bis er durch Zufall Tamimi kennenlernte: „Wir haben uns auf den ersten Blick verstanden“, erinnert sich der Palästinenser. Das Delikatessengeschäft der beiden in Chelsea wurde bald zu einem Geheimtipp. Mit einer Kochkolumne im „Guardian“ kam der Durchbruch für Ottolenghi. Wenig später folgten auch TV-Rollen.

Vor allem mit seinen Gemüserezepten baute er sich eine riesige Fangemeinde auf, ehe er 2005 sein erstes Lokal aufmachte. „Gegrillter Brokkoli geht immer“, sagt er. „Aber wenn ich Schnitzel aus Schweinswange mit Yuzupüree oder Chillimarmelade auf die Speisekarte setze, schlucken schon einige.“ Dauerbrenner sind seine Gerichte mit Auberginen und Fenchel, manche sind „Comfort Food“ (etwa Hühnerschenkel mit Klementinen und Arak).

Obwohl das Unternehmen Ottolenghi heute rund 200 Menschen beschäftigt, agiert die Anfangstruppe unverändert: Ottolenghi, Tamimi, der Israeli Noam Bar und die Schweizerin Cornelia Sträubli: „Sie hält alles zusammen“, sagt Ottolenghi. Von ihrem Betrieb sprechen sie stets nur als „unsere Familie“.

Auf einen Blick

Yotam Ottolenghis Adressen finden sich über London verstreut. Das Nopi etwa versorgt Dinnergäste und Pre-Theaterbesucher in Soho. Das Ottolenghi in Islington ist das größte Lokal. In Notting Hill betreibt Ottolenghi einen kleinen Ableger für einen schnellen Happen. Die kleinste Filiale befindet sich in Kensington – ein Shop für „gourmet food to go“. Ebenso gibt's einen Shop in Belgravia. www.ottolenghi.co.uk

Buchtipp: Ottolenghi & Tamimi: „Jerusalem. Das Kochbuch“, www.dorlingkindersley.de

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2013)

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