Klima: Reiche Ernten, grüne Pisten

Schneemangel
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Der Klimawandel wird Österreich 2050 jährlich rund fünf Milliarden Euro kosten und den Wintertourismus, wie wir ihn kennen, zerstören. Aber die Erwärmung bringt auch Gewinner.

Wien. Es ist die Frage, die Politiker bei jeder Klimakonferenz als erste stellen: Was kostet uns der Klimawandel? Wie viel (Steuer-)Geld sollen wir dafür ausgeben, die Erwärmung der Erde zu verlangsamen? Und wie viel erst später in die Anpassung an dessen Auswirkungen stecken? Auf globaler Ebene hat der Brite Nicholas Stern im Jahr 2006 eine – heiß diskutierte – Antwort gegeben: Ein Fünftel der globalen Wirtschaftsleistung gehe verloren, wenn der Klimawandel ungebremst fortschreite. Das Problem an dieser Zahl: Selbst wenn sie stimmt, sind die Kosten sehr ungleich verteilt. Ein wärmerer Tag mehr freut Bauern in Norwegen vielleicht mehr als jene in Italien.

Für Österreich legen nun erstmals 42 Forscher aus ganz Europa konkrete Zahlen auf den Tisch. Sie haben berechnet, welche konkreten Kosten die Erwärmung des Landes für welche Branchen brächte. Das Ergebnis: Schon heute bezahlen wir eine Milliarde Euro im Jahr für die Folgen des Klimawandels. Bis 2050 wird dieser Betrag auf rund fünf Milliarden im Jahr ansteigen. Auswirkungen globaler Klimaschäden auf Österreich sind dabei nicht eingerechnet. Aber die Coin-Studie birgt nicht nur schlechte Nachrichten.

Auch wenn die Forscher es in ihrem Auftragsbericht für das Umweltministerium und den Klima- und Energiefonds so nicht nennen: Der Klimawandel bringt auch Gewinner im Land: Bauern winken reichere Ernten, Urlaubern längere und trockenere Sommer, uns allen geringere Heizkosten und vorübergehend sogar ein statistischer Schub in der Wirtschaftsleistung. In Kauf nehmen müssen wir dafür eine weniger produktive Industrie, mehr Hitzetote und ein Ende des Wintertourismus wie wir ihn kennen.

Skiorte brauchen Alternativen

Die heimische Landwirtschaft profitiert vor allem von der längeren Vegetationszeit und kann daher mit größeren Erträgen rechnen. Teure Wetterkapriolen wie Hochwasser oder Dürren (Schaden in der Landwirtschaft von 1,3 Milliarden Euro im Jahr) werden den Forschern zufolge zwar häufiger. Da sie aber nicht eindeutig dem Klimawandel zugerechnet werden können, fließen diese Kosten nicht in die Bewertung ein. Auch zunehmende Wasserknappheit könnte den Gewinn der Bauern aus der größeren Ernte wieder schmälern. Stärker als die Landwirtschaft würden der Handel und die Nahrungsmittelindustrie profitieren.

Ein großes Comeback prophezeien die Wissenschaftler dem Sommertourismus. Längere Sommer mit weniger Regen würden zunehmend Urlauber in Österreichs Berg- und Seenregionen locken. Einen Ausblick auf die Kehrseite dieser Entwicklung gab es heuer vor Weihnachten: Dank des Klimawandels würden die Pisten in den heimischen Skiorten immer länger grün bleiben. Das Plus im Sommer könne das erwartete Minus im Winter nicht wettmachen. Hier droht ein jährlicher Netto-Nachfragerückgang von 300 Millionen Euro, schreiben die Autoren. „Wintertourismus wird in vielen Lagen Österreichs kürzer oder gar nicht mehr in der bekannten Form stattfinden können“, sagt Karl Steininger, Studienautor und Professor an der Karl-Franzens-Universität. Schon heute sind österreichweit 20.000 Schneekanonen im Einsatz. „Die Betriebe sind gut beraten, sich schon heute Alternativen zu überlegen.“

Wie viel kostet ein Hitzetoter?

In Produktion und Handel sinke die Arbeitsproduktivität aufgrund des wärmeren Klimas bis Mitte des Jahrhunderts um bis zu 140 Millionen Euro im Jahr. Die Folgewirkungen für die gesamte Volkswirtschaft betragen ein Vielfaches. Die Wirtschaftsleistung halten die Forscher als Messgröße für den gesamtwirtschaftlichen Schaden allerdings für denkbar ungeeignet, da kurzfristig sogar die Beseitigung von Klimaschäden BIP-fördernd wirkt.

Schwer zu beziffern sind auch die Kosten für die rund 1000 zusätzlichen Hitzetoten im Jahr, mit denen die Studienautoren zur Jahrhundertmitte rechnen. Sie bewerten die Kosten jedes einzelnen verfrühten Todes mit 63.000 bis 1,6 Millionen Euro. Je nachdem klettern die Kosten der bereits heute quantifizierbaren Schäden für ein mittleres Klimawandelszenario 2050 auf 4,2 bis 5,21 Milliarden Euro im Jahr. Im Extremfall könnte die Summe auf 8,8 Milliarden Euro steigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2015)

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