Stefan Sagmeister: Ein Designer sucht das Glück

Stefan Sagmeister Designer sucht
Stefan Sagmeister Designer sucht(c) Fabry
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Der renommierte Grafikdesigner Stefan Sagmeister versucht sich am Genre Film – und arbeitet dabei fürs Publikum an seiner eigenen Zufriedenheit.

Stefan Sagmeister lotet mit seinen rezentesten Projekten „Happy Show“ und „Happy Film“ den Ursprung des Glücksgefühls aus. Was dem weltberühmten Grafikdesigner in seiner Wahlheimat New York zum absoluten Glück fehlt, hat er der „Presse am Sonntag“ verraten.

In Ihrem Projekt „The Happy Film“ probieren Sie via Selbstversuch aus, was glücklicher macht: Meditation, Verhaltenstherapie oder Drogen. Sind Sie gerade high?

Stefan Sagmeister: Nein, high bin ich nicht. Aber ich nehme zurzeit ein Antidepressivum für den Film. Bislang zeigt es noch keine Wirkung. Ich probiere jede Methode – also etwa Meditation, Verhaltenstherapie und legale Drogen – über einen Zeitraum von drei Monaten. All das passiert unter wissenschaftlicher Anleitung.

Wie wichtig ist der Selbstversuch im Film?

Die Idee kam beim Lesen von Psychologiebüchern. Immer wenn ein Psychologe aus eigener Erfahrung gesprochen hat, hat mich das viel mehr berührt, als wenn etwa eine Studie besprochen wurde. Dabei wurde mir klar, dass das die bessere Strategie ist, um etwas zu vermitteln.

Hat sich schon ein Lerneffekt eingestellt?

Dass Verhaltenstherapie funktioniert, sehr logisch und kurzweilig ist. Ich bin die Art von Mensch, die niemals zu einem Therapeuten gegangen wäre. Und dass Glück reproduzierbar ist. Man braucht einen Roller, eine Vespa. Songs, die man mag, aber nicht so gut kennt, um sie mit Erlebnissen zu verbinden. Auf einer wenig befahrenen Straße setzt man die Kopfhörer auf und fährt los, ohne Helm. Das funktioniert bei mir jedes Mal – die künstliche Herstellung eines Glücksmoments.

Was war die Idee hinter dem Film?

Ich war auf meinem zweiten Sabbatical auf Bali und habe ein paar Möbel gestaltet. Mein bester Freund war auf Besuch, dem ist Möbeldesign für ein ganzes Jahr Arbeit ein bisschen dünn vorgekommen. Ich musste ihm recht geben. Mein Anspruch an das Sabbatical war ja, dass etwas rauskommen soll, was Sinn macht. Dann habe ich noch einmal angefangen nachzudenken, was das sein könnte. Ich habe Alain de Bottons Buch „The Pleasures and Sorrows of Work” gelesen. Er ist der Frage nachgegangen: Wann finden wir unsere Arbeit sinnvoll? Seine Antwort: „When it's delightful for other people and it helps other people.“ Daraus ist dann letztlich die Idee für den Film entstanden.

Wieso ein Film und nicht etwa ein Buch?

Weil ich noch nie einen Film gemacht habe. Einfacher wäre natürlich ein Buch gewesen. Da kenne ich die Welt. Da weiß ich genau, was ich brauche. Auf der einen Seite macht es mich an, weil es einfach ist. Auf der anderen Seite kann das gerade deswegen superlangweilig sein.

Wann wird der Film fertig sein?

Mit dem Filmen sind wir fast fertig, die Vorstellung ist dann für Herbst 2013 geplant. Wir werden versuchen, ihn auf Festivals unterzubringen, dann sehen wir weiter. Ich bin mir natürlich bewusst, dass viele, viele, viele Dokumentarfilme pro Jahr gemacht werden, aber nur sehr wenige ins Kino kommen.

Was wollen Sie mit den „Happy“-Projekten beim Besucher bewirken?

Dass sie angeregt werden. Ich glaube nicht, dass meine Dinge Veränderungen herbeiführen können, das kann immer nur die Person selbst. Aber es kann etwas in Gang gesetzt werden.

Gibt es eine Chance, dass die Ausstellung „The Happy Show“ nach Österreich kommt?

Es hat Stimmen gegeben, aber es ist überhaupt nichts spruchreif. Rund um meinen Vortrag „Design und Happiness“ im Frühling meinte jemand, man müsste die Show nach Österreich holen. Ich bin auch überzeugt, dass es in Österreich gut funktionieren würde. Mir ist es immer lieber, das Ding ist an Orten, zu denen ich einen Bezug habe.

Warum nehmen Sie regelmäßig Auszeiten?

Da gibt es einige Gründe. Vielleicht der wichtigste: Obwohl ich alles, was ich mir erträumte, hatte – nämlich ein kleines Studio, das Sachen für die Musikindustrie macht – war ich nicht zufrieden. Und da wollte ich etwas Neues ausprobieren. Alle Arbeiten, die in den sieben Jahren nach meinem ersten Sabbatical entstanden sind, mit denen ich heute noch zufrieden bin, gehen auf dieses erste Jahr in Bali zurück.

Bewerben Sie sich mit Ihrem Studio noch um Aufträge?

Die Leute kommen zu uns. Ich bin aber nicht wahnsinnig stolz drauf. Dadurch, dass wir so klein sind, bekommen wir mehr Aufträge, als wir erfüllen können. Deswegen wählen wir aus.

Wann nehmen Sie einen Auftrag an?

Das Produkt, das Service, was auch immer, muss einen Grund haben zu existieren. Es sollte etwas sein, das wir selbst verwenden oder verwenden würden. Darüber hinaus sollten die Leute nett und Budget und Zeitraum angemessen sein.

Sie leben seit mehr als 20 Jahren in New York. Was ist an dieser Stadt so besonders?

New York ist meine Lieblingsstadt, meine Lebensstadt. Das wusste ich schon mit 18, als ich das erste Mal dort war. Mir wird es sonst schnell langweilig. Zum Beispiel in Wien, während des Studiums. Da wusste ich bald, ich muss schnell wieder weg. Ähnlich ist es mir in Hongkong ergangen. New York geht mir immer noch nicht auf den Wecker. Ein Grund ist sicher, dass man als Ausländer voll angenommen wird, dass so viele unterschiedliche Nationalitäten vertreten sind. Und für eine Weltmetropole ist New York eine freundliche Stadt.

Wie wichtig ist Heimat?

Die Verwurzelung ist mir sehr wichtig. Die ist eindeutig in Bregenz. Meine Eltern sind schon gestorben, aber meine fünf Geschwister leben in Österreich. Die Tatsache, dass sie hier leben, mir immer zur Seite stehen werden, ist sehr angenehm.

Können Sie sich vorstellen, nach Österreich zurückzukehren, hier zu arbeiten?

Ich kann es nicht ausschließen. Ich hatte schon einige Angebote, hier zu unterrichten, aber ich kann mir nicht vorstellen zu pendeln. Insgesamt halte ich es nicht für unmöglich.

Steckbrief

1962
Geboren in Vorarlberg, studiert ab Anfang der Achtzigerjahre an der „Angewandten“ in Wien Grafikdesign.

1993
Eröffnet seine Firma in New York und wird rasch für seinen unkonventionellen Ansatz bekannt. Ist für Plattencovergestaltung insgesamt sieben Mal für den Grammy nominiert.

2012–13
Fertigstellung seines ersten Filmprojekts, „The Happy Film“, das 2013 in die Kinos kommen soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2012)

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