Crowdfunding: Jeder darf einmal die Bank sein

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Wenn Förderstellen, Banken und Investoren knausrig sind, dann springt die Community bei der Finanzierung ein. Crowdfunding ermöglicht immer mehr heimische Kreativprojekte.

Das Geld liegt auf der Straße. Oder streng genommen in den Wohnungen, Hosentaschen, Sparschweinen oder auf den Konten der Menschen. Warum es nicht einfach von seiner Warteposition befreien, investieren, damit kreative Projekte ermöglichen und im Idealfall mehr Geld zurückbekommen? Genau diese Praxis findet besonders in der Kreativbranche immer mehr Zuspruch. Denn anstatt den konservativen Bankberater gestriegelt und gekämmt um ein kleines Startbudget für ein innovatives Online-Produkt zu bitten, das er ohnehin nicht versteht, wenden sich immer mehr Kreative an jene Menschen, die an sie glauben: an andere Kreative etwa oder besser noch an ihre eigenen Fans.

Gut, ganz neu ist das Konzept des Crowdfundings nicht. Allen voran im Musikbusiness hat sich schon so manche Band – man denke nur an die Einstürzenden Neubauten oder Amanda Palmer – die Produktion ihrer Alben durch einen Vorschuss vonseiten der Fans finanziert. Seit zwei, drei Jahren wächst aber auch die Anzahl jener Online-Plattformen, die sich dieser Art der Finanzierung widmen. Und langsam aber sicher kommt dieses Modell auch in Österreich an.

Wobei Crowdfunding ein recht weit gefasster Begriff ist und all jene Modelle beinhaltet, bei denen ein Projekt von einer Community finanziert wird. „Es gibt vier Stufen: Spenden, klassisches Crowdfunding via Online-Plattform, bei denen Fans etwas zahlen und dafür eine ideelle oder materielle Gegenleistung erhalten, Mikrokredite oder Crowdinvesting, bei dem mehrere Investoren etwas größere Beträge investieren und im Idealfall mehr Geld erhalten“, sagt Reinhard Willfort, der sich seit elf Jahren mit Innovationsmanagement beschäftigt und im Frühjahr die heimische Crowdinvesting-Plattform „1000x1000“ gegründet hat. Um rechtliche Fragen zu klären hat er dafür allein zwei Rechtsanwälte beschäftigt.


Fans statt Förderstelle. Die braucht Johannes Grenzfurthner wiederum nicht. Er musste lediglich eine amerikanische Firma gründen, um bei der amerikanischen Plattform „Kickstarter“ sein Projekt zu bewerben. Gemeinsam mit seinen Kollegen vom Künstlerkollektiv Monochrom hat er für das Filmprojekt „Sierra Zulu“ von heimischen Förderstellen nämlich eine Absage erhalten. Das führte innerhalb der Fangemeinde zu einem Aufschrei auf Facebook, dort wurde das Projekt schon vorgestellt. „Also haben wir uns für eine Crowdfunding-Finanzierung entschieden – das hatten wir ohnehin angedacht, nur vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt.“ Im Falle von „Sierra Zulu“ – eine schwarze Komödie über eine sowjetische Enklave im Weinviertel, die die Probleme der digitalen Informationsgesellschaft thematisiert – funktionierte der Vorgang folgendermaßen: Es wurde mit 50.000 Dollar eine vergleichsweise hohe Ziel-Summe definiert – meist liegen die Projekte zwischen 5000 und 10.000 Dollar – sowie ein Zeitrahmen (vier Wochen), in dem die Fans auf der Online-Plattform ihre Spendenbereitschaft bekannt geben können. Kommt genug Geld zusammen, wird das Geld abgebucht und Monochrom erhält die Summe. „Man muss das Ziel erreichen, hätten wir 49.000 Dollar erreicht, hätten wir nichts bekommen und den Fans wäre nichts abgebucht worden. Wir haben aber 52.000 Dollar erreicht und die auch erhalten“, so Grenzfurthner. Die Fans erhalten als Gegenleistung ein Goodie. Etwa, je nach Höhe des Betrages, eine dankende Erwähnung im Abspann, kleine Filmrequisiten oder Fanartikel. Rund 450 Leute haben jeweils zwischen einem und 10.000 Dollar gespendet. Das Geld reicht allerdings noch nicht für den kompletten Spielfilm. Grenzfurthner will es noch einmal bei den Förderstellen versuchen. „Die haben es nämlich sehr positiv aufgenommen, dass wir ein Startkapital aufgestellt haben.“

Generell werden über Plattformen wie „Indiegogo“ und „Kickstarter“ oder den deutschen Pendants „Startnext“, „Pling“, „Visionbakery“ oder „Inkubato“ meist Computerspiele, Musik oder Filme realisiert. „Momentan geht es stark in Richtung Technologie, von einer App bis zum Satelliten, aber langsam tut sich auch etwas in den Bereichen Wissenschaft, Bildung, Sport oder auch Journalismus“, sagt Wolfgang Gumpelmaier, der sich als Online-Kommunikationsberater auf das Thema spezialisiert hat und in Österreich die erste Konferenz zu dem Thema ins Leben gerufen hat (siehe Kasten).


Die Banken sind am Zug. Gumpelmaier ist überzeugt, dass sich Crowdfunding noch stärker in der Kreativbranche etablieren wird: „Das ist stark im Kommen. Es gibt zwar noch viele Fragen zu klären, etwa rechtliche. Aber derzeit überwiegt die Euphorie.“ Allerdings soll diese Art der Finanzierung nicht die klassischen Förderstellen ablösen, sondern lediglich ergänzen.

Auch Reinhard Willfort gibt dem Crowdfunding eine Zukunft. Er schätzt vor allem den Marketingeffekt und den Marktforschungsaspekt besonders hoch ein. „Außerdem ist das Verfahren extrem transparent, weil es mit sozialen Medien verknüpft ist, und auch sehr lokal. Ich bin zutiefst überzeugt, dass es bis ins Finanzwesen hineinwirken wird.“ Das bedeutet: Auch die Banken werden auf neue Finanzierungsmodelle reagieren müssen. „Ich bin mit einigen in Kontakt, manche kennen das Modell nicht einmal. Das wäre so, wie wenn man als IT-Unternehmen Facebook nicht kennt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2012)

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