Kinderbücher: Genug von süßen Mäusen

Kinderbuecher Genug suessen Maeusen
Kinderbuecher Genug suessen Maeusen(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Es gibt auch Kinderbuchillustrationen abseits klassischer verniedlichter Tiere mit großen Augen. Die heimische Szene ist – trotz schwieriger Wirtschaftslage – sehr aktiv und mutig.

Leicht haben sie es nicht. Sie zeichnen, malen und gestalten, entwickeln Geschichten, Märchen und Zauberwelten – all das nur, um ihre kleine Zielgruppe, die Kinder, für ein paar Minuten oder auch Stunden in eine andere Welt zu entführen. Und dann hapert es an den Erwachsenen, meist den Eltern. Denn bevor ein Kind überhaupt ein Kinderbuch in die Hand bekommt, muss ein Erwachsener das Werk in der Buchhandlung kaufen.

Hört man sich bei jenen Menschen um, die bei den Kinderbüchern nicht für den Text, sondern für das, was auch für Kinder als erstes ersichtlich ist – die Illustration –, verantwortlich sind, wird oft eines beklagt: Speziell in Österreich sei man zu konservativ, altmodisch und zu wenig mutig. Das betreffe Inhaltliches wie Formales. „Kindern kann man viel mehr zumuten, als Erwachsene vermuten. Denn Kinder sehen viel, was Erwachsene nicht sehen. Und Erwachsene glauben oft, dass Illustrationen für Kinder möglichst einfach und stromlinienförmig sein müssen. Das stimmt aber nicht“, sagt dazu Hildegard Gärtner, Geschäftsführerin des Kinder- und Jugendbuchverlags Jungbrunnen, die seit mehr als zwanzig Jahren tätig ist. Sie führt das auf die fehlende Wertschätzung von Kinderbüchern in der Gesellschaft zurück. „Es fehlt der professionelle Umgang. Kinderbücher werden ja auch meist von jenen Mitarbeitern in Redaktionen rezensiert, die Kinder haben. Das ist zwar nett, aber von Professionalität weit entfernt.“ Eltern würden wegen der fehlenden Auseinandersetzung schließlich oft zu Bekanntem greifen.

Genug von süßen Mäusen.
Dabei gäbe es genügend Illustratorinnen – die Branche ist vorwiegend weiblich besetzt –, die davon genug und trotz der großen gestalterischen Vielfalt eines gemeinsam haben: das bewusste Vermeiden von süßen, kleinen Mäuschen, lieb schauenden Bären und stark verniedlichten, putzigen Tierchen mit großen Augen oder klischeehaften Geschlechterrollen à la „starker, frecher Bub“ und „braves Mädchen“.

„Ich merke selbst oft, wie ich beim Arbeiten in Klischeebilder kippe. Vor allem, wenn man etwas deutlich machen will, etwa eine andere Hautfarbe, neigt man dazu, etwas zu übertreiben, damit man es erkennt, und schon ist man bei der Klischeedarstellung“, sagt dazu die Grafikerin Verena Hochleitner, die vor vier Jahren mit dem Buch „Schlaf gut, Susi! Schlaf gut, Schlaf!“ (geschrieben von Nikolaus Glattauer) begonnen hat, Kinderbücher zu illustrieren. Für sie ist aber das bewusste Vermeiden solcher Klischeebilder besonders wichtig. Immerhin habe man als Illustratorin viel Verantwortung, weil man gesellschaftliche Normen festschreibe.

Verantwortung statt Verdienst.
Genau diese Verantwortung und der Idealismus sind meist auch die Motivation der Illustratoren. Denn wirklich davon leben kann kaum jemand. Wie viele Menschen in Österreich in diesem Bereich tätig sind, lässt sich nur schwer sagen. Die Zahl wird meist zwischen 30 und 50 geschätzt. Immerhin ist kaum jemand ausschließlich als Kinderbuchillustrator tätig, die meisten sind nebenbei Grafiker, unterrichten oder schreiben. Denn generell sind zwar Kinderbücher nicht gerade die schlechteste Sparte auf dem Buchmarkt. Allerdings wissen das auch die deutschen Verlage und jene, die zuvor nicht auf das Gebiet spezialisiert gewesen sind.

„Studien haben belegt, das weniger Kinder lesen oder vorgelesen bekommen, die aber dafür mehr Bücher haben“, sagt Gärtner. Der Markt habe sich also nur minimal verkleinert, die Konkurrenz ist aber größer geworden. Die Illustratorin Renate Habinger, die seit 35 Jahren tätig ist, sieht die Situation nicht so negativ. „Es hat sich viel verändert. Kinder werden früher gefördert, es gibt viel mehr für kleinere Kinder. Die Kinder werden auch teilweise ernster genommen als früher.“ Außerdem sei der Wohlstand gestiegen, was dazu führe, dass Kinder mehr Bücher haben. Aber auch sie muss zugeben: Es ist schwierig, davon zu leben.

Um von einem Buch leben zu können, von dem die Illustratoren meist zehn Prozent des Nettopreises bekommen, müsse man schon einiges verkaufen. „Wenn man sich die Tantiemen mit dem Autor teilt, braucht man die doppelte Menge, also etwa eine Auflage von 5000 bis 10.000 Stück. In Österreich werden meist 3000 Stück aufgelegt, in Deutschland 10.000 bis 20.000“, sagt Susanne Riha, die sich mit der Illustration von Naturbüchern einen Namen gemacht hat.

Trotz schwieriger Lage macht sich bei den Illustratoren aber kein Pessimismus breit. Sie sind sich einig: Es tut sich langsam etwas bei den Kinderbüchern. Hochleitner spricht angesichts der Graphic Novels und des wachsenden Interesses an handgemachten Zeichnungen im Computerzeitalter gar von einer Renaissance der Illustrationen. Da ist es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, bis die Erwachsenen dann auch vor dem Kinderbuchregal mutiger werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.01.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.