Mode, Fotos und Kaffee

Junge Fotografen finden neue Wege, um ihre Arbeit zu zeigen. Gemeinsam mit anderen Kreativen genutzte Räume lösen die klassische Fotogalerie ab.

Fast könnte man sich als Besucher verirren. Das große Gassenlokal im Erdgeschoß, auf dem das „Schneiderhof“-Plakat klebt, ist nur der Wegweiser. Die eigentlichen Räumlichkeiten befinden sich gut versteckt im ersten Stock des Wohnhauses im fünften Wiener Gemeindebezirk. Eine Fotogalerie, die gleichzeitig ein Modeatelier ist. Geschäft und Arbeitsraum für das neu gegründete Label „Ferrari Zöchling“. Platz für Näh- und Fotografie-Workshops. Ein 200Quadratmeter großes Atelier mit schöner Holzterrasse, die in den Innenhof führt. Die Bilder von Fotograf Severin Koller hängen schon an der Wand. Seine beiden Kolleginnen, die Modedesignerinnen Romana Zöchling und Monica Ferrari-Krieger, sitzen an den Nähmaschinen.

Seit Juni ist ihr „Atelier für Mode, Fotografie und Workshop“, wie sie es nennen, geöffnet. Eine Schnittstelle zwischen Mode und Fotografie. Kreativspace, Schauraum, Coworking Space. Es gibt viele Namen, wie man das neu gegründete Atelier noch bezeichnen könnte. Doch der korrekte Name ist in diesem Fall gar nicht so wichtig, sondern das, was dahintersteckt. Koller, Zöchling und Ferrari sind damit Teil einer Entwicklung geworden, die in Kreativzentren wie Berlin und New York fest verankert und auch in Wien öfter zu finden ist. Kreative verschiedener Disziplinen kooperieren, um sich gegenseitig zu inspirieren, zu vermarkten und den Alltag besser zu bewältigen.

Besonders häufig ist dabei die Zusammenarbeit von Fotografen und Modemachern. Die Street-Fotografie-Galerie „Eigensinnig“ ist im Grunde auch ein Modegeschäft. Und im Faux Fox Showroom, ebenfalls im siebten Bezirk, wird die Mode von jungen Wiener Designern neben Fotografien und Werken von Künstlern gezeigt. Es scheint, als hätte die klassische Fotogalerie schon längst junge Konkurrenz bekommen.

„Eigentlich wollten wir ja ein Nähcafé machen“, erzählt Romana Zöchling über die Anfänge des „Schneiderhofs“. Ihr langjähriger Freund Severin Koller hätte sie dann darauf hingewiesen, dass da „noch ein Element fehlt“. „Die Bewegung im Raum“, sagt er heute. Der 27-jährige Wiener hat sich auf Dokumentieren und Porträtieren von Menschen spezialisiert, gleichzeitig produziert er Kurzfilme und gibt immer wieder Fotoworkshops in Berlin, Kigali, Los Angeles und New York.

Inspiration und Sparen. Nun hat er sich erstmals einen festen Platz für sich und seine Fotos geschaffen. Auch aus finanziellen Gründen. „Eine Galerie bekommt ja immer eine Beteiligung, die sich bis auf 50 Prozent belaufen kann. Künstler sollen an ihren Fotos aber selbst verdienen“, sagt Koller. Auf der anderen Seite hätten sich Zöchling und Ferrari-Krieger die große Immobilie alleine nicht leisten können. So profitieren alle davon. Geteilte Miete ist eben auch nur halb so viel Geld. Bei gleichzeitig mehr Spaß, wie sie finden. „Die Bilder inspirieren mich einfach“, sagt Romana Zöchling. Ein Ergebnis davon ist schon jetzt zu sehen. In der neuen Kollektion sind Motive von Severin Koller auf den Stoffen zu finden. Im Raum sollen in Zukunft übrigens auch andere Fotografen zu sehen sein – freilich zu freundlichen Konditionen.

Ein Großteil des Schneiderhof-Lebens werden aber die Workshops ausmachen. Severin Koller wird hier Fotografiekurse abhalten, Ferrari Zöchling Nähworkshops. Im Idealfall gefällt den Kunden des einen auch die Arbeit des anderen. Das ist wohl auch ein Mitgrund, warum Mode und Fotografie häufiger gemeinsam vorkommen. „Die Leute geben am ehesten für Mode Geld aus. Und da ist es wahrscheinlich, dass sie auch für Kunst zu zahlen bereit sind“, sagt Koller.

Ein-Zimmer-Galerie. Eine andere Art, seine Arbeit herzuzeigen, hat der Fotograf Daniel Gebhart de Koekkoek gefunden. Er hat eben seine kleine Galerie mit Büro im zweiten Bezirk eröffnet. Ein kleines Gassenlokal, hell und mit Vintage-Möbeln eingerichtet. An den Wänden hängen bereits Fotos von ihm, auf der Kommode liegen Magazine wie „Vanity Fair“, „Monocle“ oder das „Zeit-Magazin“, in denen Gebhart de Koekkoeks Bilder abgedruckt wurden. In der Ecke steht eine alte Kaffeemaschine.

Zahlt sich nicht aus. Davor hat er einiges ausprobiert. Ein Gemeinschaftsstudio, das Büro in der eigenen Wohnung. Richtig glücklich ist er nirgends geworden. „Ich wollte allein einen Raum, in dem Platz für meine Bilder ist“, sagt er. Jetzt hängt in der Ein-Zimmer-Galerie seine Fotostrecke von Wintercampern in St. Moritz an der Wand. Und auf dem Couchtisch steht eine große schwarze Box mit seinen Fotos in A3, die gleich gekauft werden können.

„Ich will einfach nicht, dass die Fotos nur am Computer sind, bis sie vergessen werden. Sie müssen hergezeigt werden“, sagt Gebhart de Koekkoek. Außerdem sehen potenzielle Kunden seine Arbeit so gleich. „In einem Studio ist ja oft nur die weiße Leinwand zu sehen.“ Seine Bilder will er freilich nach wie vor in großen Galerien und Ausstellungen sehen. Bevorzugt im Ausland. „In kleinen Galerien in Wien musst du halt alles selbst zahlen und machen. Da kann ich gleich alles selbst tun“, sagt er.

Seine kleiner Showroom würde jedenfalls funktionieren. So manche Besucher hätten schon ein Foto gekauft, und wenn sie keine Fotos wollen, dann gibt's eben Kaffee. Den schenkt er nicht nur aus, sondern verkauft ihn auch. Die Marke „Grandoro“, 100Prozent Arabica Bohnen aus Nicaragua. Direkt gehandelt. Dahinter steckt Ulrich Salamun, Mitglied der Kabarettgruppe Maschek. Kreative, so scheint es, ziehen eben andere Kreative an.

Fotos und Mehr

Fotografie und Mode
Romana Zöchling und Monica Ferrari-Krieger gründeten gemeinsam mit Severin Koller den „Schneiderhof“, ein „Offenes Atelier für Mode, Fotografie und Workshop“. schneiderhof.org

Fotografie und Kaffee
Daniel Gebhart de Koekkoek zeigt im zweiten Bezirk seine Fotos und schenkt Kaffee aus. Eine Eröffnungsfeier findet am 9. Juli statt. gebhart.dk

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2013)

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