Das Kleid aus dem Drucker

A shoe printed on a Cube 3D printer by 3D Systems is on display at the 2014 International CES a tra
A shoe printed on a Cube 3D printer by 3D Systems is on display at the 2014 International CES a traimago/UPI Photo
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Für Kreative und Selbermacher ist der 3-D-Druck das neue Zaubermittel. Wie funktioniert die Technik, und was steckt tatsächlich hinter dem Hype?

Neil Gershenfeld, Professor an der US-Universität Cambridge und Leiter des MIT-„Center for Bits and Atoms“, hat eine weltweite Revolution ausgelöst. Als er im Jahr 2006 für seine Studenten das erste Fab Lab gründete, hatte er noch keine Ahnung, auf welche Resonanz sein Projekt stoßen sollte.

„Fab Lab“ steht für Fabrication Laboratory. Die Idee dahinter: Die Grenzen zwischen der digitalen und der physischen Welt niederzureißen und digitale Modelle in reale Objekte umzuwandeln. Das Know-how und die Ressourcen sollen allen frei zugänglich sein, damit jeder alles herstellen kann. Das Sinnbild für diese neue Welle des Selbermachens wurde der 3-D-Drucker, mittlerweile das Fetischobjekt der digitalen Do-it-Yourself-Community. Die Fab Labs haben sich mittlerweile weltweit verbreitet, auch in Wien gibt es eines, das Happylab: „Zu uns kommen Architekturstudenten, Produkt- und Schmuckdesigner, aber auch Modelleisenbahner“, sagt Karim Jafarmadar, einer der Betreiber des Happylab. Das Verhältnis zwischen Amateuren und Profis, die das Lab beruflich nutzen, schätzt Jafarmadar auf 50:50. Das Spannende sei gerade, dass so viele unterschiedliche Projekte im Lab aufeinandertreffen.


Gut für Prototypen. Der 3-D-Drucker ist nur eines von vielen Geräten, die die Happylab-Besucher gegen einen kleinen Mitgliedsbeitrag verwenden können. „Mit 3-D-Druck kann man viel ausprobieren. Am besten eignet er sich für Prototypen, wo Design schnell herzeigbar sein soll, beim Produktdesign, in der Automobilindustrie oder in der Architektur“, sagt Jafarmadar.

An seine Grenzen stößt der 3-D- Druck – noch – durch seine Materialien. Die günstigeren Geräte für den kreativen Hausgebrauch (mit Preisen zwischen 800 und 2500 Euro) drucken mit Kunststoffen und Kunstharzen. Die teureren, die für die kommerzielle Fertigung verwendet werden (Preisklasse ab 10.000 Euro, nach oben offen), drucken auch mit anderen Materialien, Metall etwa, Gips oder Keramik.


Schicht um Schicht. Für viele ist die Funktionsweise von 3-D-Druckern ein Mysterium. Dabei ist das mechanische Prinzip dahinter relativ einfach: Das Objekt wird Lage um Lage aufgebaut, das Material bei den meisten Modellen aus einem Faden geschmolzen – dazu hängt man eine Spule an das Gerät.

Der Druckkopf, aus dem das geschmolzene Material gepresst wird, baut dann Schicht für Schicht die zuvor digital errechneten Pfade auf und „druckt“ so dreidimensional. Die elaborierteren Modelle verwenden statt Fäden Pulver, die geschmolzen werden, – überhaupt gibt es laufend neue Innovationen und Materialien. So wurden bereits Schmuckstücke aus 18-karätigem Goldpulver gefertigt. Für die Patisserie kreiert der 3-D-Druck kunstvolle Verzierungen aus Schokoladepulver, auch ein Fleischlaberl wurde bereits gedruckt (es soll aber nicht so gut geschmeckt haben).

Die Wissenschaft hat den 3-D-Druck ebenfalls für sich entdeckt: Die Nasa plant einen 3-D-Drucker zur International Space Station (ISS) zu schicken, um dort Werkzeuge und Ersatzteile zu drucken. Auch in der Medizin, beim Bau von Prothesen etwa, findet 3-D-Druck seine Anwendung. Und in Amsterdam wird derzeit ein ganzes Haus von dem Riesendrucker „KamerMaker XL“ gedruckt (mehr dazu im neuen „Presse“-3-D-Blog auf www.DiePresse.com).

Für den Hausgebrauch bieten mittlerweile zahlreiche Open-Source-Plattformen Hilfestellungen an. Wer sich mit den entsprechenden digitalen Zeichenprogrammen nicht auskennt, kann im Internet Druckvorlagen einfach gratis runterladen (siehe Infobox). Auch im Handel tut sich was: Im Oktober hat mit dem 3dee Store auf der Landstraßer Hauptstraße Wiens erster 3-D-Copyshop eröffnet, der auch 3-D-Drucker verkauft. „In den ersten Wochen haben wir gar nichts verkauft“, sagt Martin Klauser, 19, der sich gleich nach der Matura zusammen mit seinem Bruder Gabor selbstständig gemacht hat. „Jetzt verkaufen wir pro Woche fünf bis zehn Drucker, und Druckaufträge haben wir so viele, dass es ein paar Tage Wartezeit gibt.“ Sieben bis zehn Euro kostet ein 3-D-Druck pro Stunde. Besonders schnell sind die Drucker nicht, in drei Stunden schaffen sie, je nach Feinheitsgrad der Schichten, gerade einmal ein Objekt von zehn Zentimeter Höhe. Mit einem 3-D-Scanner können die Kunden mitgebrachte Objekte einscannen oder sich selbst, und den Scan dann in einem selbst gewählten Maßstab ausdrucken lassen.

Für viele Kunden ist diese Technik Neuland, dementsprechend skurrile Anfragen hat es schon gegeben: „Jemand wollte sein Haus einscannen und drucken lassen, ein anderer eine lebensgroße Statue von sich selbst. Theoretisch wäre das möglich, es würde mit unseren Druckern nur extrem lange dauern.“

Wie viel an Formen- und Materialvielfalt im 3-D-Druck bereits möglich ist, zeigt die Mode der niederländischen Designerin Iris van Herpen. In Zusammenarbeit mit der österreichischen Architektin Julia Körner hat sie aufwendige, futuristisch anmutende Haute-Couture-Kleider entworfen, die allesamt dem 3-D-Drucker entstammen. Auch in Österreich arbeiten einige Kreative mit 3-D-Druck.

Die Produktdesigner Heike und Harald Guggenbichler, die für Möbelhersteller wie Ligne Roset entwerfen, lassen die meisten ihrer Entwürfe als Prototypen ausdrucken: „Gerade lassen wir Stühle drucken. Für Produktpräsentationen ist das super, das ist viel anschaulicher als ein digitales Modell“, sagt Harald Guggenbichler.


Sinn für Getüftel. Auch Lukas Bast, Industriedesigner und gelernter Tischler, hat den 3-D-Druck für sich entdeckt. Bast stellt 3-D-Schmuck her. „Es braucht schon Sinn für technisches Getüftel, wenn man einen 3-D-Drucker selbst programmiert“, sagt er. „Pro Armreifen brauche ich einige Probedrucke, bis die Feineinstellungen stimmen.“ Momentan werde in der kreativen Szene viel ausprobiert. Man mixt klassische Materialien wie Holz mit 3-D-gedruckten Elementen. So entstehen neue Formen und Strukturen.

Ob in Zukunft jeder zuhause mit dem einfachen Druckbefehl „make“ selbst Gebrauchsgegenstände und Ersatzteile produzieren wird, ist noch nicht abzuschätzen. Manche meinen, dass 3-D-Drucker einmal so selbstverständlich sein werden wie jetzt Laptops. Andere sind skeptisch: „Früher hat man auch geglaubt, die Mikrowelle wird das Kochen revolutionieren. Heute ist sie nur eine Option von vielen“, sagt Jafarmadar. Ob die Technik tatsächlich das hält, was der Hype verspricht, wird sich weisen.

»Make«!

3-D-Blog. Auf DiePresse.com bloggt 3-D-Druck-Experte Georg Widdmann ab sofort über die neuesten Trends, z.B. Carbonfasern aus dem 3-D-Drucker, die für den Flugzeugbau eingesetzt werden, oder das weltweit erste 3-D-Druck-Haus.
Link: diepresse.com/home/blogs/dreidimensional

Druckvorlagen. Toll für alle, die druckfertige Vorlagen suchen, ist Thingiverse (www.thingiverse.com). Hier geben Nutzer ihre eigenen Entwürfe zum Download frei. Man findet alles von Star-Wars-Manschettenknöpfen bis zu anspruchsvollen technischen Spielereien wie einen Roboterarm. Designtools findet man auf www.solidworks.com.

Fablab. Im Wiener Happylab (www.happylab.at) im zweiten Bezirk befindet sich ein Eldorado für Hobbybastler und technikaffine Kreative. Gegen einen Mitgliedsbeitrag von fünf Euro pro Monat hat man gratis Zugang zu allen Maschinen.

Copyshop. Ebenfalls in Wien, im 3. Bezirk, hat kürzlich mit dem 3dee Store(www.3dee.at) der erste 3-D-Copyshop eröffnet. Entweder man bringt die digitale Vorlage mit, lässt die Objekte scannen oder kauft gleich einen 3-D-Drucker.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2014)

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