Zwischen Handwerk und Design

Ilga Zemann hat ihr Atelier direkt im Laden. Hauptsächlich macht sie Silberschmuck. Auch Eheringe in Silber sind wegen des hohen Goldpreises gefragt.
Ilga Zemann hat ihr Atelier direkt im Laden. Hauptsächlich macht sie Silberschmuck. Auch Eheringe in Silber sind wegen des hohen Goldpreises gefragt.Die Presse
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Das Berufsbild des Goldschmiedes hat sich stark gewandelt. Die industrielle Fertigung ist ins Ausland abgewandert. Was bleibt, sind Handwerker mit künstlerischem Anspruch.

In der Werkstatt herrscht absolute Konzentration. Die angehenden Goldschmiede sind über ihre Werkstücke gebeugt, feilen, löten, hämmern, passen Einzelteile ineinander. Sie arbeiten an einem Medaillon aus Silber. Das ist die Pflicht.

In ein paar Wochen werden sich die Kursteilnehmer der Kür zuwenden und ein „freies Stück“ anfertigen. Melanie etwa hat schon ganz genaue Vorstellungen, wie ihr Entwurf aussehen soll, ein Ring mit einem dreieckigen Türkis, der durch eine Schiene größenverstellbar ist.

Der Wiener Goldschmiedelehrgang ist eine berufsbegleitende Ausbildung, die eine Alternative zur klassischen Lehre darstellt. Lehrplätze in Betrieben sind rar geworden. „Es gibt heute hauptsächlich kleine, sehr spezialisierte Betriebe, die den Lehrlingen keine Grundausbildung bieten können. Es brauchte eigentlich mehr Universalisten“, sagt Alfred Römer, Leiter des Goldschmiedelehrgangs. Diese Lücke versuche der Lehrgang zu füllen, indem ein breites handwerkliches Basiswissen vermittelt wird.


Freischaffende Künstler.
Dennoch geht es in der Ausbildung nicht nur ums Handwerk. Wer heute Goldschmied werden will, hat ein ganz anderes Berufsbild als die Generationen davor: „Früher waren Goldschmiede ganz normale Arbeiter und Handwerker. Die wenigsten waren im Design tätig“, sagt Römer. Vor etwa zehn Jahren ist die kommerzielle Produktion aber komplett ins Ausland abgewandert, nach Indien, Thailand und China. „Übrig geblieben sind die Kreativarbeiter.“

Viele, die den Lehrgang abschließen und sich nachher selbstständig machen, tun dies als freischaffende Künstler. Das bedeutet allerdings, dass sie wesentlich früher ins kalte Wasser springen müssen und sich nicht im Schutz einer Anstellung mehr Routine aneignen können. Ilga Zemann, eine Absolventin des Lehrgangs, hatte das Glück, danach drei Jahre beim Goldschmied Sillam im ersten Bezirk in Wien unterzukommen (der vor einigen Jahren wegen der Wirtschaftskrise zusperren musste). „Das erste Jahr habe ich gratis gearbeitet, dafür habe ich sehr interessante Sachen gemacht.“

2007 wagte sie dann den Schritt in die Selbstständigkeit und machte den „Schmuckladen“ in der Kirchengasse im 7. Bezirk auf. „Man muss ein bescheidenes Gemüt haben, wenn man das durchziehen will. Der Goldschmied, der mich auf meine Gesellenprüfung vorbereitet hat, hat mir gesagt: ,Du musst wissen, es wird nie der große Mercedes sein.‘ Ich bin schon froh, wenn ich mir das Fahrrad leisten kann“, sagt Zemann und lacht. Sie bietet einige Kollektionen, etwa Silberschmuck in Blattform oder eine Serie mit Knöpfen, im Geschäft an, macht aber auch Auftragsarbeiten. Eheringe zum Beispiel, auch die öfter in Silber: „In der Krisenzeit, als Gold so teuer geworden ist, hatte ich da sehr viele Anfragen.“ Zemann vertritt die Ansicht, dass Schmuck leistbar sein muss. „Ich ertrage das einfach nicht, wenn ein Schmuckstück so viel kostet, dass man es am besten in einem Safe wegsperrt.“


Zusammenschluss.
Lidia Petrovski ist eine typische Quereinsteigerin. Sie hat Wirtschaft studiert und arbeitet als Eventorganisatorin. Während der Goldschmiedeausbildung hat sie sich zu Hause eine Werkstatt eingerichtet und private Aufträge angenommen, nach der Meisterprüfung 2013 hat sie sich bei diversen Goldschmieden beworben. „Das hat aber nicht geklappt. Viele Goldschmiede stellen nur innerhalb der Familie an.“ Jetzt will sie zusammen mit zwei Modemacherinnen im September im 5. Bezirk eine Boutique eröffnen, in einer ehemaligen Bankfiliale am Margaretenplatz.

Ein eigenes Geschäft sei finanziell und vom Arbeitsaufwand her nicht möglich. Um Zeit zu sparen, lagert Petrovski außerdem bestimmte Produktionsschritte aus: das Steineschleifen, das Galvanisieren, das Fassen. „Man muss sich aus dem Potpourri an Spezialisierungen das heraussuchen, was einem liegt.“ Das findet auch Birthe Getzner, hauptberuflich Asset-Managerin im Immobilienbereich: „In Zeiten von Thomas Sabo und Bijou Brigitte, wo industriell gefertigter Schmuck den Markt überschwemmt, muss man sich spezialisieren.“ Getzner verwendet spezielle Techniken, strickt zum Beispiel mit Edelmetall. Sie arbeitet von ihrem Atelier aus, um die Fixkosten gering zu halten. Ihren einträglichen Brotberuf will sie nicht aufgeben.

Dass man mit künstlerischem Anspruch und mit nicht gerade massentauglichem Design internationales Renommee und gute Verkaufszahlen erreichen kann, zeigt Andreas Eberharter. Seine extravaganten metallenen Gesichtsmasken und Augenklappen zierten bereits Lady Gaga und die Models von Modeschöpfer Thierry Mugler. Sein Label And–i führt aber auch konventionellere Teile: „Das geht gar nicht anders, wenn man finanziell überleben will.“ Mediale Aufmerksamkeit hätten ihm aber die ausgefallenen Stücke verschafft. Das Konzept, sich mit seinem Schmuck in Richtung Highend-Mode zu orientieren, sei gut aufgegangen. „Nachdem ich im MAK eine eigene Modeshow organisiert habe, ist die Sache ins Laufen gekommen.“


Weniger stur.
Schmuck ist für Eberharter Skulptur am Körper. Nach einer klassischen Goldschmiedelehre hat er Bildhauerei studiert. Heute beschäftigt er Freelancer, die seinen Schmuck produzieren, macht die Prototypen aber immer noch selbst. „Mir kommen die besten Ideen oft erst, während ich etwas anfertige.“ Er habe mit der Zeit gelernt, weniger stur zu sein, seinen künstlerischen Anspruch mit den Anforderungen und Trends in der Mode zu vereinbaren. „Wenn Gelb gerade nicht in Mode ist, kannst du eben nicht eine Serie in Gelb designen. Das verkauft sich dann einfach nicht.“

Steckbrief

Alfred Römer
ist Leiter des Wiener Goldschmiedelehrgangs. Dieser versteht sich als berufsbegleitende Grundausbildung und dauert drei Semester.

Ilga Zemann betreibt ihren Schmuckladen in Wien im 7. Bezirk. www.schmuckladen.org

Andreas Eberharters Label And–i ist in Österreich z. B. im MAK-Designshop erhältlich. www.and-i.net

Kunst- Handwerk

33 Prozent der Schmuckerzeuger in Österreich arbeiten unter den rechtlichen Bedingungen des Künstlers und nicht mehr als Gewerbe.

Importe. Gut 80 Prozent des Schmuckes auf dem heimischen Markt sind aus industrieller Fertigung. Wirklich hochwertiger Schmuck wird allerdings immer noch händisch gefertigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2014)

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