Das Ende vom Aufbruch?

Vergangenes Jahr präsentierte Departure die Ergebnisse seines Ideenwettbewerbs „Cycling Affairs“ in der Säulenhalle des MAK.
Vergangenes Jahr präsentierte Departure die Ergebnisse seines Ideenwettbewerbs „Cycling Affairs“ in der Säulenhalle des MAK. MAK/Katrin Wißkirchen
  • Drucken

Die Wiener Kreativförderagentur Departure wird in die Wirtschaftsagentur Wien integriert. In der Branche sieht man das zum Teil kritisch, andere sind vorsichtig optimistisch.

In der Branche ist die Kreativagentur Departure so bekannt, wie normalerweise nur ein Szenelokal. Jeder, der irgendwie in Wien (beruflich) kreativ tätig ist, hat mit Departure schon einmal zu tun gehabt. Entweder, weil er von der Wiener Förderagentur schon etwas Geld bekommen hat, demnächst plant, eine Förderung einzureichen, oder leer ausgegangen ist – was meist ein ungläubiges „Was? Diese Projekte wurden gefördert und meines nicht?“ nach sich zieht. Was förderungswürdig ist, liegt halt immer im Auge des Betrachters.

Aber in Zahlen liest es sich trotz allem in etwa so: In den vergangenen zehn Jahren hat Departure circa 35 bis 45 Projekte jährlich mit ungefähr drei Millionen Euro gefördert.

Und jetzt soll trotzdem alles anders werden. Irgendwie. Denn die Organisationsstruktur von Departure (was auf Englisch Abflug, Aufbruch bedeutet), wird geändert. War die Förderagentur bisher eine 100-prozentige Tochter der Wirtschaftsagentur Wien (die ihrerseits ein Fonds der Stadt Wien ist), wird sie nun quasi von ihr aufgesogen. Statt einer eigenen GmbH wird Departure nun eine Abteilung der Wirtschaftsagentur. Ebenso das fast doppelt so große ZIT, das bisher für Förderungen im Technologiebereich zuständig war.

In Zahlen

Seit zehn Jahren besteht die Wiener Kreativförderagentur Departure. 35 bis 45 Projekte wurden seither im Schnitt jährlich gefördert. Circa drei Millionen Euro enthält der Fördertopf jährlich. Jährlich veranstaltet Departure auch Projekte wie den "Ideenwettbewerb“. Das diesjährige Thema wird am 15. April vorgestellt. www.departure.at

Was die „Integration“ von Departure – wie man das Zusammenschmelzen in der Wirtschaftsagentur gerne nennt – effektiv für die Kreativbranche heißen wird? Man weiß es noch nicht. Laut Wirtschaftsagentur-Wien-Chef Gerhard Hirczi werden sowohl das Fördervolumen als auch die Aktivitäten von Departure gleich bleiben. „Unsere Angebote bleiben unverändert im Portfolio“, sagt er zur „Presse“. Fest steht dafür noch nicht, ob der Name Departure als Bezeichnung der Förderschiene (und damit als eigenständige Marke) weiter bestehen bleibt. „Wir werden im Mai bekannt geben, wie die Organisationen heißen werden, wobei wir natürlich mitgedacht haben, dass Departure eine gut eingeführte Marke ist“, sagt Hirczi.

Und hier ist es auch, wo Kritiker ansetzen. Warum wird eine Marke, die zehn Jahre lang (mit viel Steuergeld) aufgebaut wurde, plötzlich wieder vom Rathaus geschluckt? „Departure war ja dafür gedacht, die Hemmschwelle für Kreative zu senken“, sagt ein Rathausmitarbeiter, der nicht genannt werden möchte. Eine leicht erreichbare Insel, unabhängig vom starren Rathauskonglomerat, das mit seiner „Das geht leider nicht, das war noch nie so“-Hauskultur gerne einmal Leute verschreckt.

Spricht man mit Gerhard Hirczi, wird der Zusammenschluss mit der Straffung der Organisation begründet. „Es geht um eine Optimierung der gesamten Wirtschaftsagentur-Gruppe“, sagt Hirczi, der die Geschicke der Agentur seit 2009 leitet. Davor war er als Konzernpersonalleiter bei Siemens für Zentral- und Osteuropa zuständig.

Die Wirtschaftsagentur Wien, erklärt er nun, sei die größte Standortorganisation in Österreich, mit vielfältigen Instrumenten unter einem Dach und dann noch unterschiedlichen Organisationseinheiten. Das sei zu unübersichtlich gewesen. „Wir können nicht verlangen, dass Kreative zuerst Seminare über Organisationsabläufe belegen, bevor sie zu uns kommen.“

Wer wird untergehen? Also vereinfachen. Eine Anlaufstelle für viele Fördertöpfe. Konnte Departure früher nur eine Förderung anbieten, will man in der Wirtschaftsagentur nun ein mögliches Büro (durch das Förderprojekt Mingo) gleich mitdenken. „Und neben der EU-Beratung haben wir jetzt auch eine Internationalisierungsförderung im Portfolio“, sagt Hirczi. Wenn er länger spricht, klingt es, als versuche er, ein kreatives Schlaraffenland zu verkaufen.

Und doch glauben das einige nicht. „Es besteht die Gefahr, dass Kreativunternehmen neben Tech-Start-ups untergehen“, sagt ein junger Kreativer, der nicht (er will es sich nicht mit Departure verscherzen) genannt werden will.

Denn wenn alle in einen Topf geworfen werden, dann wird der Fokus auf jene fallen, die a) international für Furore sorgen (das tun Start-ups oft schneller als Kreativunternehmen) oder b) schnell auch einen (großen) wirtschaftlichen Erfolg vorweisen können. Auch das ist aber bei Kreativunternehmen nicht immer der Fall. Sie brauchen oft Jahre, bis sich eine Idee, ein Name, eine Marke etabliert hat. Und der Gewinn ist dann meist auch überschaubar. Sind sie deswegen weniger wert?

Vermutlich nicht. Immerhin lebt Wien (seit Jahren) sehr gut von seinem Image, ein guter Nährboden für kreative Experimente zu sein. So etwas zieht selbst die in dieser Hinsicht verwöhnten Berliner an. Hirczi versichert jedenfalls: „Am Bekenntnis der Stadt Wien zur Kreativwirtschaft wird sich nichts ändern.“

Auch sollen alle geplanten Projekte (Ideenwettbewerb „City Hype“, Standort-Förderungsprojekt „Curated by“) weitergeführt werden. Trotzdem bleibt bei manchen der schale Nachgeschmack. Wenn alles eins wird, wird irgendetwas mehr Aufmerksamkeit bekommen. Werden sich Kreative da durchsetzen können?

Kreative sind Unternehmer.Es scheint sich nämlich auch ein bisschen um eine Glaubensfrage zu handeln. Kann man Kreative als „normale Unternehmer“ sehen, die den Wettbewerb mit anderen Unternehmen nicht scheuen müssen? Ja, findet Designerin Julia Landsiedl. „Es ist vielleicht nicht schlecht, wenn auch Kreative als Unternehmer wahrgenommen werden. Denn auch sie müssen es schaffen, ohne Förderungen auszukommen. So wird vielleicht alles vergleichbarer“, sagt sie.

Und auch Moriz Piffl von den Jeansherstellern Gebrüder Stitch gibt sich abwartend entspannt. „Bei der Organisation muss man schauen, was passiert“, sagt er. Wichtig sei, dass das Fördervolumen nicht weniger werde. „Für Kreative zählt das Geld“, sagt er.

Die Wirtschaftsagentur Wien ist derzeit jedenfalls auf der Suche nach einem neuen Abteilungsleiter für die Sparte „Creative Industries/Departure“. Die vorherige Departure-Chefin Bettina Leidl ist seit Mitte März Chefin des Kunst-Hauses Wien. Sie wollte sich auf Anfrage der „Presse“ zu dem Thema nicht äußern.

Strukturänderung

Ende März wurde öffentlich, dass die Kreativförderagentur „Departure“ sowie die Technologieförderagentur ZIT künftig als Abteilungen der Wirtschaftsagentur Wien geführt werden.

Die Integration dürfte für viele eine Überraschung gewesen sein. Die ehemalige Departure-Chefin Bettina Leidl ist eine Woche vor Bekanntgabe des Vorhabens ins Kunst Haus Wien gewechselt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.