Gregor Schlierenzauer: "Beziehung, nicht Vermarktung"

Gregor Schlierenzauer
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Wenn sich Sportler als Kreative betätigen, steht immer der Verdacht des Marketinggags im Raum. Ausnahmen wie Skispringer Gregor Schlierenzauer bestätigen die Regel.

Ass/König ist beim Pokern eine umstrittene Starthand. Poker-Insider nennen das Blatt Anna Kournikowa und meinen damit: „Sieht gut aus, gewinnt aber selten.“ Der Bezug kommt nicht von ungefähr, hat doch die ehemalige russische Tennisspielerin, die als Sportlerin niemals ein Einzelturnier gewinnen konnte, ihren Ruhm vor allem ihrem Aussehen zu verdanken. Mit Fashion-Deals und Modelverträgen verdient Kournikowa mittlerweile weit mehr, als sie jemals beim Tennisspielen eingenommen hat.

Ähnlich gut gepokert hat Fußballstar David Beckham, der aber zugleich für eine neue Generation von Sportgrößen steht, die aktiv mit eigenen Modelinien ins Fashion-Rampenlicht drängen. Im Fall Beckham ist es wenig überraschend Unterwäsche, angeblich selbst vom Kicker designt und seit 2012 bei H&M zu erstehen. Beckham hat aber mit der David Beckham Bodywear“ auch schon seine eigene Unterwäsche- und Bademodenkollektion auf dem Markt.

Auch Fußballkumpel Cristiano Ronaldo hat sich aus Initialen und Rückennummer das Logo CR7 gebastelt und damit sein ganz persönliches Luxusmode-Label ins Leben gerufen.


Mehr als nur Namensspenden?
Skiolympiasiegerin Maria Höfl-Riesch ließ wiederum vor zwei Jahren damit aufhorchen, eine eigene Modelinie für das Label Bogner entworfen zu haben. Jedenfalls trägt eine Beauty-Kollektion ihren Namen. Dass es bei ihr und ihren auf Designer-Abwegen streunenden Branchenkollegen mehr als eine Namensspende ist, wird von Profis des Modefachs gern bezweifelt. Der Verdacht liegt nahe, dass der Name als Marke dient und die eigentliche Designarbeit von anderen erledigt wird.

Auch in Österreich steigt die Zahl an prominenten Sportgranden, die auf den Geschmack der Selbstdarstellung als Designer gekommen sind. Ob es nach der jahrelangen Jagd nach Sekunden, Trophäen und Ruhm um die Fortsetzung der Vermarktung geht oder um eine neu erwachte Leidenschaft, zusätzliches Talent und Anerkennung in einem anderen Fach, lässt sich vielleicht anhand der Dauerhaftigkeit des Engagements beurteilen.

Tenniscrack Thomas Muster war einer der Ersten und hob bereits 2003 eine Tennis- und Freizeit-Modelinie aus der Taufe. Inzwischen ist „Toms Fashion“ eingestellt, und der Tennisstar macht eher als Weingut- und Waldbesitzer von sich reden.

Skiidol Hermann Maier scheint die Sache ernster anzugehen. Gemeinsam mit Sport Eybl entwickelt er seit geraumer Zeit die Skibekleidungslinie Seven Summits. Und betont, dass er dabei nicht bloß seinen Namen verleiht. „Ich teste die Materialien selbst und wenn mir ein Reißverschluss nicht passt, dann werfe ich ihn zurück. In der Kollektion steckt meine ganze Erfahrung“, beteuert Maier.


Von der Sprungschanze zur Leica.
Die Auseinandersetzung mit kreativen Herausforderung jenseits von schnellen Werbeverträgen sucht Skispringer Gregor Schlierenzauer. Als Fotograf brachte es der 24-Jährige bereits auf zwei Ausstellungen. „Es war eine geniale Erfahrung, im Rahmen der Vernissagen von Snapshots und Stille Momente als Künstler wahrgenommen zu werden“, so Schlierenzauer. Seit 2009 betrachtet er die Welt verstärkt durch ein Objektiv: „Zunächst war ich nur mit einer Wegwerfkamera am Werk. Der deutsche Künstler und Fotograf Sven Hoffmann, der übrigens vor dem Fotografiestudium ein Sportstudium absolviert hat, war und ist für mich eine wichtige Inspiration.“

Später kamen als Vorbild Peter Coeln, Gründer des Fotomuseums Westlicht, und als Werkzeug eine Leica hinzu. Für Schlierenzauer eine „zweite Chance, meine Sicht der Dinge einem breiteren Publikum zu vermitteln“.


Kopfarbeit und Gefühl. Ähnlich wie bei der Fotokunst hat es laut Schlierenzauer auch bei der Mode „mit Leidenschaft begonnen“. Knapp 20 Stücke, von T-Shirts bis zur Daunenjacke, umfasst aktuell die „gs“-Kollektion. „Ins Designen fließt eine Mischung aus Kopfarbeit und Gefühl ein. Es geht mir um Ausdruck und den Wohlfühlfaktor. Und darum, dass auf den Artikeln nicht nur ,gs‘ steht, sondern auch meine Person drinsteckt. Was ich nicht selbst trage, geht jedenfalls nicht in den Shop“, erklärt der Leistungssportler mit Designerambitionen die Kernpunkte seiner Arbeit, die er derzeit noch als Hobby bezeichnet. Oder lieber als „inspirative Leidenschaft“ und Ausgleich zum Leistungsstress. „Ich kann und möchte nicht 24 Stunden am Tag Ski springen und hole mir die Energie für die Schanze beispielsweise durch einen Streifzug mit der Kamera. Ich habe sie immer dabei und halte damit automatisch die Augen offen.“


Mensch hinter dem Sportler.
In welcher Form Schlierenzauer seine Designaktivitäten nach der Sportkarriere weiterverfolgt, steht noch offen.

Über Kritiker, die mutmaßen, er reihe sich nur in die zu lange Liste jener ein, die einen prominenten Namen für ein Zusatzgeschäft hergeben, hat sich Schlierenzauer bereits Gedanken gemacht: „Damit kann ich leben. Ich widme meine Fotografie und Modearbeiten jenen, die sich für den Menschen hinter dem Sportler interessieren. Das hat nichts mit Vermarktung zu tun, sondern mit Beziehung.“

Werbewirksam

Gregor Schlierenzauer. Der Skiflieger bedient sich seiner Initialen, um Mode an Frau und Mann zu bringen. Die derzeit rund 20 Artikel der „gs“-Kollektion gibt es in der Red Bull World in Salzburg und über seine Website zu erstehen. Auf www.gregorschlierenzauer.at gibt es eine Slideshow zu den Fotowerken des Sportlers. Der Erlös seiner Fotoausstellungen kommt der Stiftung für Rückenmarksforschung Wings for Life zugute. Auch als Blogger ist Schlierenzauer, der den Skiflug-WM-Medaillenspiegel anführt und auch mehrere Olympiamedaillen sein Eigen nennt, aktiv.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2014)

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