Ein Hype aus bunten Gummis

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Kinder lieben sie, Eltern und Ökologen nerven sie: Rainbow-Loom-Bänder. Ein Hype, der schon bald wieder vorbei sein soll. Und der - immer ein wenig anders - stets wiederkommt.

Papst Franziskus trat jüngst damit auf, Kate Middleton, Barack Obama, David Beckham, Miley Cyrus. Und Millionen Kinder, zwischen vier und 14, rund um die Welt – sie tragen bunte Gummis an den Handgelenken. Selbst gemacht, einfach oder mit kunstvollen Mustern – die ganz geübten bringen sogar kleine Pandabären zusammen – sind sie seit Kurzem die Freundschaftsbänder des Jahres 2014. Trägt wie zuletzt sogar der Papst Gummi am Handgelenk, dann hat der Trend offiziell Kinderzimmer und Pausenhöfe hinter sich gelassen und ist zum globalen Hype geworden.

Aber er soll schon bald wieder vorbei sein. Das fürchtet Cheong Choon Ng, jener Crashtest-Maschinenbauer aus der Nähe von Detroit, der die „Bandz“, wie Kids sie nennen, vor vier Jahren erfunden hat. Nachdem er seine Töchter abends beim Verknoten von Haar- und Haushaltsgummis beobachtet hatte, überredete er, so die Legende, seine Frau, die Ersparnisse in seine Idee zu investieren, entwickelte einen Webrahmen, den Rainbow Loom, und fand einen chinesischen Produzenten, der ihn in Serie herstellte.


Vom Social Web ins Kinderzimmer.Dann geschah erst einmal nichts. Der Erfolg kam erst 2013, nachdem er Videos und Anleitungen seiner Töchter ins Netz gestellt hatte. In den sozialen Netzwerken tauchten immer mehr Bilder und Videos der Bänder auf, die „New York Times“ erklärte den Rainbow Loom zum Spielzeug des Jahres. Heuer will der Erfinder mit den Kits aus Webrahmen, Häkelnadel und 600 bunten Gummibändern mehr als 70 Millionen Dollar umsetzen. Während der Hype in den vergangen Monaten nach Europa übergeschwappt ist, rechnet der Erfinder schon mit einem Ende: 2015 dürfte der Umsatz einbrechen. Auch, weil der Nachschub nicht viel einbringe, wenn die Kinder erst einmal mit dem Startset versorgt sind.

Auch, weil solche Trends so schnell verschwinden, wie sie gekommen sind. Eltern und Ökologen dürfte das freuen. Denn die Bänder sollen gefährlich sein, ein britischer Bub soll erblindet sein, nachdem ihm sein Bruder ein Gummiringerl ins Auge geschnippt hat. Ein anderer soll sich beinahe seinen Finger abgeschnürt haben. Für Kleinkinder bestehe Erstickungsgefahr; auch soll der Kunststoff, vor allem bei Billigimitaten, die Haut reizen. Und, so kurzlebig der Trend sein mag, die Bänder verrotten nicht und könnten zur Gefahr für Tiere werden, warnen Ökologen.

Im besten Fall werden die bunten Bänder dann, wenn der Hype dereinst zu Ende ist, in einem Karton auf dem Dachboden landen und den heute webenden Kindern eines Tages in die Hände fallen. Und sie kurz in Nostalgie mit dem Gefühl von ihrem Sommer 2014 schwelgen lassen. So wie viele der Kindertrend-Items zuvor. Die kleinen Accessoires, vor allem jene zum Verschenken an die beste Freundin, zum Sammeln, zum Dekorieren. In den 1980er-Jahren etwa waren es die Flöhe. Holzfigürchen an Bändchen, die an Sicherheitsnadeln aufgefädelt an Jeans, Jacken oder Federpenalen baumelten.

Ein früher, simpler Hype. Und lange, bevor man mit Bildern der schönsten Flöhe im Internet hätte angeben können, galt: Je mehr, desto bester. Mehr, greller, glitzernder, neonfarbener, größer, hieß es dann später: Es muss etwa 1993, 1994 gewesen sein, als man grelle Spritzguss-Schnuller an Kindern und Teenagern baumeln sah. Gern in Kombination mit neonfarbenen Trollen. So schnell, wie diese Kinder aber alt genug wurden, um solche Baby-Assoziation zu meiden wie wenig sonst, so schnell war der Schnullertrend vorbei. Nur bei den Ravern der 1990er-Techno-Szene, da hielt er sich bis weit über das Kindesalter hinaus.

Breitenwirksamer und langlebiger sind Armbänder. Wie in der Mode gilt bei Kinder- und Teenie-Trends: Irgendwie kommt alles zurück. Wenn auch in etwas anderer Form. Es ist kein reiner Kindertrend – man denke an Wolfgang Petry – aber besonders die Jüngeren verstanden es, aus Wolle oder Garn kunstvolle Bändchen zu knoten, vielleicht sogar mit dem Namen des Beschenkten. In den 1980er- und 1990er-Jahren waren Rippknotenbändchen in Pfeilform und aus Garn ein Must-have. Später, in den Nullerjahren, wurden diese Bänder dann aus bunten Plastikbändchen geknüpft: die Scoubidou-Bändchen, quasi Vorgänger der heutigen Rainbow-Loom-Plastikbänder. „Wir verkaufen nur eine Webtechnik, die unglaublich alt ist“, sagte auch Cheong Choon Ng jüngst.


Ein Brauch, älter als Gummi. Der Brauch, Armbänder selbst zu machen und zu verschenken, ist indes viel älter als all diese Modeerscheinungen. Ähnliche geknüpfte Bänder findet man in Afrika und Asien, religiös konnotiert oder als Glücksbringer. Stammen dürfte das Knüpfen von Freundschaftsbändern aus Mittelamerika. Dort besagt die Tradition, dass, wenn ein Freund es schenkt und mit drei Knoten am Handgelenk festmacht, man einen Wunsch frei hat. Fällt das Band von allein ab, gehe der Wunsch in Erfüllung. Die traditionellen Bänder aus Garn gibt es nach wie vor – samt allerlei Anleitungen im Internet.

Die Bänder zum Verschenken oder, um Zusammengehörigkeit zu zeigen, fanden ihre modernen, kurzlebigeren Ableger: die Zuckerlarmketten, die eine Zeit lang gern unter Mädchen verschenkt wurden, Charity-Silikonbänder nach dem Vorbild der Livestrong-Aktion Lance Armstrongs, mit denen man Unterstützung für Organisationen zeigte. Noch heute tragen Fußballfans solche Silikonbänder am Handgelenk.

Wohl eine ähnliche Motivation, Identifikation, Zugehörigkeit, ein wenig Profilierung steckt hinter den Festivalstoffbändchen, mit denen Teenager lange nach den Sommerfestivals zeigen, wo sie denn überall waren. Quasi Freundschaftsbänder einer ganzen Szene, mit denen sich Teenies gern abgrenzen. Einen Präsidenten, eine Prinzessin oder gar einen Papst hat man schließlich noch nie mit einem dreckigen Stoffbändchen gesehen.

Rückblick

Die Holzflöhe hingen in den 1980er-Jahren an Jeans, Schlüsseln, Armbändern oder Federpenalen.

Freundschaftsbänder,selbst geknüpft und verschenkt, ein Must-have bei Kindern der 1980er- und 1990er-Jahre. Der Brauch selbst ist viel älter.

Schnuller hingen schließlich in den 1990ern bündelweise an Halsketten oder Schultaschen. Je größer und greller, desto besser.

Zuckerperlenketten. Auch so ein Accessoire zum Verschenken, am Unterarm sammeln (und lieber nicht vernaschen).

Silikonbänder tragen heute fast nur noch Fußballfans. In den Nullerjahren aufgekommen, zeigte man so Sympathie, etwa für Lance Armstrongs Livestrong-Stiftung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2014)

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