Muss das so sein? Das geht doch besser!

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Für die „Presse am Sonntag“ haben Kreative im Stadtbild, Alltag und öffentlichen Raum Dinge ausgemacht, die sie gerne verbessern würden. Warum das in der Praxis so nicht passieren wird, erklären die dafür zuständigen Stellen.

Es kann passieren, wenn man gelangweilt aus dem Auto starrt. Oder grantig durch ein Einkaufszentrum irrt. Dass man plötzlich irritiert innehält und sich fragt: Muss das echt so sein? Müssen Lärmschutzwände so hässlich sein? Und muss die Musik in Kaufhäusern immer gleich klingen, gleich fad? Geht das denn nicht besser?

Natürlich, sagen die einen. Natürlich nicht, die anderen. Beide sollten es wissen. Für die „Presse am Sonntag“ haben Kreativteams Störfaktoren im öffentlichen Raum ausgemacht, die sie beheben möchten. Und die dafür Verantwortlichen erklären, warum sie genau das nicht zulassen. Die Pattstellungen im Überblick:

Die Briefmarke. Drei mal 2,5 Zentimeter: Eine Briefmarke ist klein, hat aber enorme Imagekraft, finden Nora Sri Jascha und Susanne Vostrel (Bild). Immerhin, sagen die Grafikerinnen vom Büro Dasuno, „wird die ins Ausland verschickt. Das ist eine Botschaft.“ Und die sei trist. „Als hätte es ein Briefing gegeben, dass sich jede Marke auch für Parten eignen muss.“ Keine Lebendigkeit, kein Zeitgeist. „Man sieht nicht, ob eine Marke 100, 30 oder zwei Jahre alt ist“, so Jascha. Auch die Themen irritieren: „Wir haben die Sondermarken von 2004 bis 2008 durchgezählt: an erster Stelle Sport, an zweiter Glaubensthemen.“ Nicht gerade überraschend.

Erich Haas, Leiter der Philatelieabteilung bei der Post, sieht das naturgemäß anders. Seine Argumente: Österreich errang 2008 bei der Wahl der innovativsten Briefmarken international den 1., 2., 7. und 10. Platz. Die Saliera-Marke war weltweit die erste auf Goldfolie. Und auch die Themenauswahl hätte sich gegenüber früher erweitert. Vorgegangen wird so: Ein Stab externer Grafiker gestaltet die Marken, die Themen wählt der Philatelie-Beirat, ein Gremium aus Sammlervereinen, Handel, Post-Mitarbeitern. Und überhaupt, meint Haas, sei das alles nicht so leicht: „Die Gestaltung einer Marke ist ein spezieller Zweig. Daran sind schon Ogilvy-Grafiker (Anm.: bekannte Werbeagentur) gescheitert.“

Die U-Bahn. Auch Designer können nostalgisch sein. „Schade, schade“ findet es Christoph Katzler vom Label „for use“, dass die „Silberpfeil“-U-Bahn aus dem Jahr 1978 seit 2006 ausrangiert wird. Dahinter steckt für ihn eine prinzipielle Haltung: „Bei Industriedesign scheint es kein Bewusstsein zu geben, dass schöne Dinge im Alter sehr viel Reiz dazugewinnen.“ Und wenn dann die Reue käme, sei es oft zu spät. Freilich, so Katzler: „Man kann altes Industriedesign nicht dauernd restaurieren. Der technische Stand ändert sich ständig.“ Aber muss sich deshalb auch die Optik ständig eine andere sein?

Ja, sagt Wiener-Linien-Sprecher Johann Ehrengruber. Weil man die technische Erneuerung (durchgängige Züge, mehr Helligkeit) optisch widerspiegeln müsse. „Damit die Leute merken, dass sich was verändert hat.“ Und überhaupt: „Man sieht sich auch an einem Klassiker satt.“ Der übrigens hätte länger fahren können. Laut Ehrengruber beträgt die theoretische Lebensdauer der Silberpfeile (die technisch öfters erneuert wurden) bis zu 50 Jahre.

Das Schaufenster. Vielleicht gibt es einen Grund, warum für Window-Shopping keine adäquate Übersetzung existiert. Mode-Schaufenster sind in Wien nämlich deutlich fader gestaltet als in anderen Großstädten, meint Modedesignerin Claudia Lukas. Sie erzählen keine spannenden Geschichten und es gibt kaum Künstlerkooperationen: „Da sind manche Konditoreien kreativer.“

Stimmt nicht ganz, heißt es bei einem der großen Mariahilfer-Straße-Kaufhäuser, bei „Peek & Cloppenburg“. Zuletzt habe man zu Weihnachten mit einer Künstlerin zusammengearbeitet. Auf die jeweilige Stadt abgestimmte Auslagengestaltung ist aber kein Thema: Die Konzepte werden zentral von einer Abteilung im Konzern erarbeitet.

Die Shoppingmusik. Aus der Distanz sieht man manchmal nicht nur besser. Man hört auch besser. Weshalb Plattenlabel-Betreiber (klein records) Christian Dvorak, derzeit in London, zum Schluss kommt: „Österreichische Kaufhäuser klingen langweilig.“ Denn während in der Popkultur-Hauptstadt der Bioladen ums Eck genauso wie das Westfield-EKZ interessante Musik als Gratiszugabe zum Einkauf liefert, herrscht hierzulande bei der Beschallung das Motto: im Zweifel lieber dezent und belanglos.

Allerdings genau so, dezent und massenkompatibel, mag man es eben. „Wir wollen“, sagt Anton Cech, Centermanager in der SCS-Mall in Vösendorf, „unsere Kunden nicht überfrachten.“ Zumal in den einzelnen Shops zusätzlich Musik gespielt wird. Der Beschallungsmix für das EKZ wird von einem Radiosender erstellt und nur einmal pro Jahr geändert. Nicht, dass das auffallen würde. Denn: „Eigentlich“, so Cech, „hört man die Musik drinnen nicht, sondern nur bei den Eingängen.“

Die Lärmschutzwand. Transparenter, multifunktional, ästhetisch einheitlich: So sähen Lärmschutzwände aus, würden sie von Daniel Huber, Ralf Christoffer und Georg Wagner gestaltet. Die Gründer von „Spirit Design“ ärgert, dass die Wände rund um die Autobahnen („immerhin Österreichs größtes Bauwerk“) als optischer Fleckerlteppich daherkommen und nur zum Schallschlucken verwendet werden. „Man könnte sie begrünen“, sagt Wagner, „Solarkollektoren montieren oder Warnsysteme für den Verkehr.“

„Natürlich gibt es tolle Glaskonstruktionen“, sagt Alexandra Vucsina-Valla von der Asfinag, „aber die sind unfinanzierbar.“ Letztlich zählt die Sicherheit. Laut Blickfeldanalysen dürfen Lärmschutzwände nicht zu einheitlich sein und müssen sanft gestaltet werden. Die Asfinag plant jedoch die Einrichtung eines Gestaltungsbeirats. Wann der kommt, ist aber noch unklar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2009)

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