Bernhard Willhelm: "Mode ist nicht sozial"

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Ein »junger Wilder« wird Herr Professor. Im Oktober löst der in Paris lebende Modedesigner Bernhard Willhelm Veronique Branquino als Leiterin der Modeklasse der Angewandten ab. Seine Pläne für Wien? Zum Beispiel: Mehr Öffentlichkeit für die Arbeit der Schüler erzeugen.

Nach einer längeren Zeit der belgischen Vorherrschaft bei der Professur der Modeklasse kommen jetzt Sie als Deutscher. Manche fragen sich: Was kann uns ausgerechnet ein Deutscher über Mode beibringen?

Bernhard Willhelm: Na ja, bisher dachte ich zwar immer, für so etwas sei ich noch zu jung. Aber nach zehn Jahren in diesem Geschäft habe ich schon einiges zu erzählen.

Warum, glauben Sie, hat man sich letztendlich für Sie entschieden?

Da werden natürlich jede Menge Wünsche auf einen projiziert. Vermutlich werden wir als die jungen Wilden betrachtet, die einen sehr eigenständigen Zugang zu Kreativität haben.

Wie sieht Ihr Zugang zu Mode aus?

Mode hat die Möglichkeit – neben der Tatsache, dass sie ein Handwerk ist –, viele andere Aspekte von sich zu zeigen. Sie ist für mich nichts, das in irgendeiner Form gekennzeichnet ist. Mode ist wie ein weißes Blatt für mich. Sie kann alles sein und alles können. Beispielsweise kann jeder entscheiden, ob er sich Mode an die Wand hängen möchte oder doch lieber tragen. Allerdings ist es deprimierend zu sehen, wie massiv Kunst im Gegensatz zu Mode gefördert wird.

Laut Angewandte-Rektor Gerald Bast soll einer Ihrer Schwerpunkte das interdisziplinäre Arbeiten zwischen den einzelnen Kunstrichtungen sein.

Vorhaben und Realität sehen ja oft ganz anders aus. Erst einmal müssen wir abtasten, ob die anderen Fachbereiche überhaupt an einer Zusammenarbeit interessiert sind. Dialoge stattfinden zu lassen, dadurch auf neue Leute und Wege aufmerksam zu werden hat mir bei meinem Studium immer am meisten gebracht.

Sonst noch etwas, das man in Wien ändern könnte?

Flexibler sein. So könnte man beispielsweise eine Show machen, auf der nicht zwangsweise alle Studenten ihre Kollektionen zeigen. Man könnte Präsentationen auf mehrere Plätze der Stadt ausweiten. Manche machen dann eine Ausstellung, andere eine Performance.

Was muss eine Modeausbildung Ihrer Meinung nach können?

Mir geht es im Wesentlichen darum, ein herausstechendes Talent zu entdecken. Nicht in Form eines neuen Modestars, sondern am besten in jedem Einzelnen der Studenten. Eine Ausbildung sollte dazu da sein, sein besonderes Talent zu entdecken, um dieses auszubauen. Die Neugierde muss erweckt werden, das Austoben darf nicht zu kurz kommen. Alles mit dem Hintergedanken, dass man später mal eine Arbeit findet. Und die muss gar nicht immer direkt mit Mode zu tun haben. Ich werde versuchen, Fantasie und Realismus auf einen Level zu bringen.

Erwarten Sie im Gegenzug etwas von Ihren Studenten?

Offenheit. Aber die ist hoffentlich gegeben. Und Fleiß, alles ist nämlich Arbeit.

Sie selbst sind seit zehn Jahren recht erfolgreich im Geschäft, haben sogar eine Retrospektive im Modemuseum in Antwerpen absolviert. Wo stehen Sie mit Ihrem eigenen Label?

Ich bin immer wieder überrascht, dass ich nach zehn Jahren überhaupt noch in diesem Business arbeite. Mit 35 wollte ich mich eigentlich zurückziehen, aber es gibt noch so viel zu entdecken.

Was braucht man, um in diesem Business erfolgreich zu sein?

Für uns war es am wichtigsten, sich ein Stück Idealismus und ein großes Stück Freiheit zu behalten. Wir messen unseren Erfolg nicht nur an Verkaufszahlen, sondern auch daran, ob es uns gelingt, eine Message zu transportieren. Unsere kommende Ausstellung im Groninger Museum in den Niederlanden bestätigt uns darin, dass Menschen mehr in unserer Arbeit sehen.

Wird die Krise Ihre Mode verändern?

Klar ist, Mode ist ein Luxusartikel, der definitiv weniger konsumiert wird. In Tokio mussten wir eben unsere Ecke in einem großen Department-Store schließen, weil die nötigen Verkaufszahlen nicht mehr erreicht wurden. Es wird immer Modefans geben, die an anderer Stelle sparen, weil sie die Sachen eben haben wollen. Mode ist und bleibt etwas für eine Elite oder Verrückte im positiven Sinn. Mode ist nicht sozial, sie dient dazu, sich von anderen abzugrenzen.

Ist Ihre aktuelle Kollektion für die mallorquinische Schuhmarke Camper also eher ein Krisenplan als eine kreative Herausforderung?

Ursprünglich haben wir einen neuen Produzenten für unsere Schuhe gesucht. Meine ehemalige Schulleiterin aus Antwerpen, Linda Loppa, hat uns mit Camper zusammengebracht. Und ja, diese Kollektion kam schon sehr gelegen.

Hand aufs Herz, Sie waren jetzt ja schon öfter in Wien. Was halten Sie vom modischen Stadtbild?

Daran habe ich nichts auszusetzen. Ihr seid ja viel internationaler, als ihr immer denkt. Besonders finde ich die starken östlichen Einflüsse, die sich aus früheren Zeiten erhalten haben. Und Trachten sind sowieso immer toll. Sehr designaffin scheint man hier zwar nicht zu sein – und von der üblichen Tommy-Hilfiger-Kluft brauchen wir erst gar nicht zu reden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2009)

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