Ein Grafiker nimmt das Schicksal in die Hand

Hannes Glantschnig
Hannes Glantschnig (c) Stanislav Jenis
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Gewinner. Der Entwurf des Werbedesigners Hannes Glantschnig konnte die Jury des Briefmarkenwettbewerbs 2016 überzeugen. Dahinter stecken viel Realismus, Leidenschaft für die Arbeit – und der Wunsch nach Unabhängigkeit.

Briefmarkendesigner – das ist eigentlich kein eigener Berufszweig: Nur selten antwortet das nach seinen Zukunftsvorstellungen gefragte Volksschulkind, es wolle später einmal mit dem Entwerfen von Postwertzeichen sein Geld verdienen. Auch Hannes Glantschnig, der Gewinner des diesjährigen Briefmarkenwettbewerbs der „Presse“ und der Post AG, verdient seinen Lebensunterhalt normalerweise anders. Zusammen mit seiner Frau, Doris, betreibt er die Werbeagentur Studio5 in Baden bei Wien.

Das Thema des Wettbewerbs lautete „Ausblick 2050 – Visionen von Österreichs Zukunft“. Der Entwurf von Glantschnig zeigt den Schriftzug „Österreich“, der diagonal durchgerissen und an den Rändern wieder zusammengetackert wurde. Die Idee dazu hatte der 43-Jährige, als er sich Gedanken über die mediale Berichterstattung rund um die Stichwahl des Bundespräsidenten machte. „In den Medien war immer wieder von einer Spaltung des Landes die Rede“, erzählt er. „Aber selbst wenn Österreich zerrissen ist, sollten wir alles tun, um weiterhin zusammenzuhalten.“

Was die Zukunft angeht, ist Glantschnig Realist. „Besser wird es wahrscheinlich nicht mehr. Trotzdem sind wir damit gesegnet, wie es uns in Österreich geht. Hier hat man alle Möglichkeiten, das eigene Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.“ Die österreichische Mentalität, glaubt Glantschnig, neige aber dazu, das persönliche Glück von anderen, ja sogar vom Staat, abhängig zu machen. Davon halte er selbst nichts – und diese Erkenntnis war auch seine Motivation, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen.

Die Liebe bei der Arbeit gefunden

Glantschnig war als Kind mit seinen Eltern aus Wien nach Lienz in Osttirol gezogen. Nach der Matura kam er zurück in die Hauptstadt, um an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt ein dreijähriges Kolleg mit Meisterklasse zu absolvieren. Danach begann er als Werbegrafiker bei verschiedenen großen Wiener Agenturen. Dort lernte er auch seine Ehefrau, Doris, kennen. „Es war dann auch meine Frau, die als Erstes gesagt hat, dass wir uns selbstständig machen sollten“, sagt der Grafiker. Nach zehn Jahren im Grafik- und Werbegeschäft gründeten die beiden im Jahr 2008 schließlich ihr Studio5.

Wettstreit um Neukunden

Dort liegt der Schwerpunkt des Duos auf Corporate Design, also dem einheitlichen Erscheinungsbild in der Unternehmenskommunikation. Kunden werden jeweils nur von einem der beiden betreut. Bei Neukunden würden Hannes Glantschnig und seine Frau aber gegeneinander pitchen: Jeder arbeitet einen Entwurf aus, und der Kunde kann entscheiden, welcher ihm besser gefällt. Führt das nicht zu einem Konkurrenzdenken unter Eheleuten? „Nein“, sagt Glantschnig. „Wir nehmen das total locker.“ Generell ist sich das Paar einig: „Wir arbeiten zwar mit Leidenschaft, aber wir nehmen nicht alles zu ernst. Es gibt noch Wichtigeres im Leben.“

Wenn es um seine Entwürfe geht, hat Glantschnig ein Credo: „Kein Design ohne Konzept.“ Bevor er zu arbeiten beginne, sei das Grundgerüst im Kopf schon fertig. Man könne sich nicht hinsetzen und darauf warten, dass einem etwas einfalle. „Design zum Selbstzweck gibt es nicht“, sagt der Grafiker.

Woher aber nimmt er die Inspiration? Aus dem Garten. Dass sich das Ehepaar samt Hund Willow in Baden und nicht in Wien angesiedelt hat, war ein bewusster Schritt. Sie hätten den Stress der Großstadt hinter sich lassen wollen, sagt Glantschnig. Ganz oft helfe es bei der kreativen Arbeit, zwischendurch kurz vom Computer wegzugehen und den Gedanken freien Lauf zu lassen. Am besten gelinge dem Designer das im großen Garten rund um sein Haus, in dem uralte Obstbäume wachsen.

Obwohl diese Lebens- und Arbeitssituation für das Ehepaar bereits ein Schritt in die richtige Richtung ist, haben die beiden noch einen Traum: „Wir wollen einen Bauernhof irgendwo in der Pampa kaufen“, erzählt Glantschnig. „Dann könnten wir uns beinahe selbst versorgen und gewissermaßen aussteigen.“ Zwar wolle er auf keinen Fall zu arbeiten aufhören, aber einen Schritt weiter „zurück zur Natur“ gehen. Die 5000 Euro Preisgeld des Briefmarkenwettbewerbs sollen übrigens zur Umsetzung dieses Traums beitragen.

AUF EINEN BLICK

Ausblick 2050 war der Titel des diesjährigen

Briefmarkengestaltungswettbewerbs der

Österreichischen Post AG und der „Presse“. Die Entwürfe der 15 Finalisten wurden wöchentlich in der „Presse am Sonntag“ vorgestellt. Eine Jury – bestehend aus Georg Pölzl (Generaldirektor Post), Anita Kern (Kerndesign, Philateliebeirat Post), Claudia Lughammer und Günter Schmied (beide Philatelie Post) und Rainer Nowak (Herausgeber und Chefredakteur der „Presse“) – wählte die Siegermarke aus. Sie wird im Rahmen des Sondermarkenprogramms der Post 2017 erhältlich sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2016)

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