Hernals: Die Ausweitung der Kreativzone

Hernals Ausweitung Kreativzone
Hernals Ausweitung Kreativzone(c) Clemens Fabry
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Während der Vienna Design Week blickte man dieser Tage nach Hernals. Und sah zwischen Ein-Euro-Shops und leer stehenden Geschäftslokalen: viel Platz für Veränderung.

Es ist ein typisches Bild: Entlang der Hernalser Hauptstraße wechseln sich Kleinbetriebe und Ein-Euro-Shops ab, dazwischen immer wieder: leer stehende Geschäftslokale. Genau das macht eben auch den „besonderen Charme der Gegend aus“, meint Timo Huber, Architekt und Leiter der Gebietsbetreuung Hernals. Denn: Wo viel leer steht, ist auch Platz für Neues. So haben auch die Veranstalter der Vienna Design Week gedacht und das Grätzel heuer mit ihrem Festival in den Fokus gerückt. Zehn Tage lang tingelte das designaffine Publikum nun zwischen Elterleinplatz und Kalvarienberggasse hin und her – heute Abend findet das Festival hier seinen Abschluss.

Auch das Architektenduo „bindermayer“ hat sich temporär angesiedelt. In einer aufgelassenen Kugelschreiberfabrik nämlich – dort inszenierten Corina Binder und Susanne Mayer einen Heurigen und versuchen sich nun als Gastwirte. Nicht nur für die beiden eine willkommene Abwechslung. „Das hat eingeschlagen wie eine Bombe“, sagt Binder. Und zwar nicht bloß innerhalb der Designszene, sondern vor allem in der Nachbarschaft. „Es kommen auch viele ältere Herrschaften, und die direkten Nachbarn sind bereits Stammgäste. Da sind einfach viele Leute, die sich freuen, dass etwas los ist in der Gegend.“ Prinzipiell, so die Architektin, würde sie Hernals als Standort auch längerfristig interessieren. Weil: „Hernals ist kein toter Bezirk, die Dinge sind hier einfach ein bisschen versteckter.“ Einziges Problem, so Binder, die Mieten seien in der Regel zu teuer und die Immobilien in schlechtem Zustand. Eine Klage, die auch Gebietsbetreuer Huber öfter hört.

Denn eigentlich, so Huber, sind ja gerade diese leer stehenden Flächen die große Chance, das Besondere des Bezirks. Also macht er sich mit der Initiative „Lebendige Innere Hernalser Hauptstraße“ (kurz: „LebinHernals“) auch für die temporäre Bespielung dieser Flächen stark. „Wir fungieren hier als Vermittler zwischen Kreativen und Hausbesitzern“, so Huber, der sich sicher ist, dass von solchen Aktionen alle Beteiligten profitieren: „Kreative können sich ohne allzu großes Risiko versuchen, und ihre Ideen wirken sich wiederum auf den ganzen Bezirk positiv aus.“

Forderung nach Förderung. Für einen langfristigen Umschwung reicht das allein aber nicht, ist sich Huber sicher. Er fordert hier vor allem intensivere Programme und Förderungen für alle Beteiligten vonseiten der Politik. Weil „in dieser Sache großer Handlungsbedarf besteht“ und vornehmlich die Hausbesitzer stärkere Anreize dafür brauchen, ihre Flächen zu günstigeren Konditionen abzugeben. Das haben auch Christoph March und Marek Gut vom Linzer Designbüro „March Gut“ bemerkt. Im Zuge der Vienna Design Week bezogen sie ein Geschäftslokal in der Hernalser Hauptstraße als Design-in-Residence Atelier. Weil, die Arbeit hier gut von der Hand ging und in nächster Zeit „ohnehin eine Dependance in Wien auf dem Plan steht“, folgten schnell Gespräche mit den Hausbesitzern. Die allerdings genauso schnell wieder im Sand verliefen. Der Grund war auch hier der Preis. Trotzdem bleibt Hernals für die beiden „eine Option“, so Marek Gut. Weil: „Wir sind gewohnt, Vorreiter zu sein, auch mal etwas Neues auszuprobieren. Es würde mir gefallen, wenn wir uns hier ansiedeln würden und dann andere nach kommen, sich etwas entwickelt.“ Was ihm besonders gefalle, so Marek Gut, sei „die große Akzeptanz der Anrainer“. Da herrsche „ganz offensichtlich Interesse an Neuem“. Außerdem sei „ein Bedürfnis nach Qualität abseits von Sex- und Callshops spürbar“.
Bisher besteht so etwas wie eine „grätzelübergreifende Kreativszene jedenfalls nicht“, sagt Davor Markovich. Der Grafikdesigner und Illustrator hat sein Büro seit 1993 in Hernals. Und, natürlich, „wäre das wünschenswert“. Also wird weiter daran gearbeitet. Etwa mit einer Kooperation mit dem Festival „Soho in Ottakring“, die kommenden Sommer noch weiter ausgebaut werden soll. Denn „natürlich“, so Huber, „ist Ottakring in dieser Sache ein wichtiges Vorbild“, das eben zeige, wie schnell ein Bezirk durch Kultur- und Kreativarbeit eine Aufwertung erfahren könne.

Closing Time

1/4 Ernst, 3/4 Vergnügen. Mit Livemusik, Kalvarienbergg. 17, bis 22 Uhr

Mind Blowing Heros. Vienna-Design-Week-Debüt, Hernalser Hauptstraße 49

Design-in-Residence-Atelier. Hernalser Hauptstraße 51, bis 22 Uhr

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2010)

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