Fink: Denken von geistig Kranken und Kreativen ähnlich

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Wie misst man Kreativität? Und gibt es eine "kreative Persönlichkeit"? Ein Interview von der "Presse am Sonntag" mit dem Grazer Forscher Andreas Fink, Wissenschaftler im Arbeitsbereich für Biologische Psychologie.

Wie funktioniert Kreativitätsforschung?

Andreas Fink: Wir machen an der Universität Graz zur Zeit mehrere EEG-Studien und arbeiten mit dem Scanner, also der funktionellen Magnetresonanz. Das heißt, wir beobachten, was im Gehirn passiert, wenn Personen kreative Denkaufgaben bearbeiten. Wobei es hier ein Missverständnis aufzuklären gibt. Viele glauben, dass wir die ganz große Kreativität, also die von herausragenden Künstlern untersuchen – aber das können wir nicht. Wir können im Labor nur Situationen nachstellen, also keinen Maler beobachten, wenn er eines seiner hoch kreativen Bilder zeichnet.

Und was sehen Sie im Gehirn? Sitzt die Kreativität eines Designers anderswo als die Kreativität eines Tänzers?

Das ist sehr wahrscheinlich so. Man kann nur innerhalb einer bestimmten Domäne ganz gut sein. Und diese Fähigkeit kann man auch nicht auf andere Domänen übertragen. Auch wenn man Kreativität trainiert, ist das nur innerhalb einer Domäne möglich.

Kann ich Kreativität also lernen?

Man kann es positiv beeinflussen. Durch gezielte Übungen und Techniken kann ich Bereiche verbessern.

Wie?

Ganz einfach: Die meisten Kreativen müssen in sehr kurzer Zeit extrem kreativ sein. Das Blödeste, das man tun kann, ist vorm Computer zu sitzen, bis nichts mehr geht. Besser ist, abzuschalten und etwas Anderes zu tun.

Warum?

Man muss aus festgefahrenen Denkschemata rauskommen. Am besten nimmt man eine andere Perspektive ein. Man kann sich zum Beispiel überlegen, was man mit dem Problemgegenstand alles nicht tun kann. Wir fragen also nach dem Gegenteil, um auf neue Ideen zu kommen.

Liegt die kreative Lösung im Paradoxon?

Genau.

Sind Techniken wie Brainstorming sinnvoll?

Brainstormings sind eine hervorragende Sache, aber sie funktionieren meistens gar nicht. Das Schwierige ist, dass es verschiedene Phasen gibt, an die man sich streng halten muss. Wenn die kreative Phase ist, darf keiner schimpfen oder sagen: Das geht nicht. Das kommt erst später. In den meisten Brainstorminggruppen gibt es aber immer Alphatiere, die die anderen mit ihren voreiligen Kommentaren blockieren. Deswegen sollten Brainstormings von Menschen mit viel Erfahrung geleitet werden.

Was gibt es sonst noch für Möglichkeiten?

Die Walt-Disney-Methode finde ich sehr gut, bei der man sich auf drei Stühle setzt, und jeder hat eine Bedeutung, also Ideenstuhl, Kritikerstuhl und Realistenstuhl. Die beste Methode aus meiner Sicht ist aber Sport, weil man hier kurzfristig aus Denkmustern rauskommt, auch wenn das wissenschaftlich schwer messbar ist.

Wird der Begriff „Kreativität“ heutzutage nicht ein bisschen inflationär verwendet?

Im Grunde ist ja jeder Mensch kreativ. Das fängt bei ganz schwach an und hört bei ganz toll auf. Das ist auch messbar. Dafür gibt es Kreativitätseinschätzungsmethoden, Fragebögen, Tests. Man versucht auch, über Persönlichkeitsmerkmale Kreativität abzufragen. Es ist keine dieser Methoden das Wahre, aber die Kombination ergibt ein stimmiges Bild.

Was sind „kreative Persönlichkeitsmerkmale“?

Nonkonformismus, aber auch Selbstvertrauen. Kreative zeichnen sich durch Problemsensibilität aus, hinterfragen alles; weniger kreativen Menschen ist das eher egal.

Man sagt, dass kreative Menschen auch schwieriger im Umgang sind.

Das glaube ich nicht. Was da durchkommt ist, dass sie unkonventionell sind. Einige wissenschaftliche Befunde deuten darauf hin, dass die Denkmuster von geistig Kranken und Kreativen ähnlich sind. Das kennen wir auch aus dem Alltag: Wenn wir ganz tolle Ideen haben, müssen wir uns oft anhören: Spinnst du? Aber es besteht kein direkter Zusammenhang. Wer kreativ ist, muss nicht geisteskrank werden oder umgekehrt. Und zum schwierigen Umgang: Es gibt zig Beispiele von Kreativen, die ganz normal sind.

Andreas Fink ist Wissenschaftler im Arbeitsbereich für Biologische Psychologie an der Universität Graz.
Sissi Furgler

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2010)

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