Mode: Bester Kunde Nippon

Bester Kunde Nippon
Bester Kunde Nippon(c) AP (Tara Todras-Whitehill)
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Die angespannte Lage in Japan kommt zu einem Zeitpunkt, wo man in der Mode die kommende Saison finalisiert. Die Konsequenzen für heimische Labels könnten beträchtlich sein.

In den betroffenen Gebieten bis einschließlich Tokio kann nimand an so lebensunwichtige Dinge wie die Modebranche denken“, meint die Designerin Edwina Hörl, die ihr Label in der japanischen Hauptstadt betreibt. „Anders in der Region Kansai mit den Metropolen Osaka, Kyoto, Kobe, sozusagen dem zweiten großen Modezentrum des Landes. Hier ist alles wie immer.“ Beziehungsweise sogar deutlich geschäftiger: Denn während vor wenigen Tagen die Tokioter Modewoche, angesetzt für 18. bis 25. März, abgesagt wurde, reagieren erste Showrooms, Konzerne und Sales-Agenturen auf die unsichere Situation, indem sie ihre Niederlassungen nach Osaka verlegen. Das beobachten auch Simone Springer und Yuji Mizobuchi vom erfolgreichen Wiener Schuhlabel „Rosa Mosa“: „Es könnte zu einem kurzfristigen Boost von Osaka und dadurch ganz Kansai kommen, wenn, wie wir jetzt sehen, viele ihre Geschäftstätigkeit dorthin verlagern. Osaka ist zwar weniger wichtig, doch eine traditionelle Handelsmetropole.“ An die Bedeutung von Tokio reicht Kansai freilich nicht heran; die meisten Abnehmer aller Marken sitzen in der Hauptstadt. Für ein Label wie „Rosa Mosa“, das 60 Prozent seines Umsatzes in Japan macht, oder die Hutmanufaktur Mühlbauer (hängt zu etwa 40 Prozent vom japanischen Markt ab) ist die Situation extrem kritisch: „Es ist nicht abzusehen, was ein Wegfall von Japan für die gesamte europäische Modebranche bedeuten würde“, bemerkt Klaus Mühlbauer. „Auch große Modehäuser machen einen wichtigen Teil ihres Umsatzes dort.“

Der Fachmann spricht ein wahres Wort: So entfielen bei dem Luxusriesen Louis Vuitton-Moët-Hennessy 16 Prozent des Modegeschäfts 2010 auf Japan; bei Hermès kam das Land für etwa 19 Prozent der 2,4 Milliarden Euro Jahresumsatz auf. Für viele österreichische Modemarken ist der Markt noch wichtiger. Kein Wunder also, dass in der Vergangenheit Initiativen wie die von der Wirtschaftskammer Wien 2009 organisierte Reise „Vienna Fashion in Tokyo“ gesetzt wurden. Persönliche Kontakte sind unabdingbar für ein Sondieren des Marktes. Das bestätigt auch Filip Fiska von „Hartmann Nordenholz“, der auf die kontrazyklische Entwicklung des von ihm und Agnes Schorer geführten Labels verweist: „Für uns ist es nach der Krise bergauf gegangen, die letzten drei Saisonen wurden immer besser; auch dank Japan.“ Er stellt zwar klar, dass er sich in erster Linie um Land und Leute sorge, bestätigt aber: „Japan ist das Land, wo wir am meisten absetzen, also ist die Situation auch in wirtschaftlicher Hinsicht für uns besorgniserregend.“

Erstaunliche Gelassenheit. Designer, deren Geschäftserfolg in zum Teil erheblichem Ausmaß vom japanischen Markt abhängt, verleihen immer wieder ihrem Erstaunen über die Gelassenheit und große Professionalität ihrer japanischen Kontakte Ausdruck. „Die Banalität ist arg. Während wir uns hier Sorgen machen, wie es im Land weitergeht, kontaktiert uns ein Agent wegen Fragen zur nächsten Kollektion“, meint etwa Fiska. Ähnliches berichtet die Luxemburger Accessoire-Designerin Anne-Marie Herckes, die in Wien studierte und deren „Miniature Couture“-Schmuck von Japanern sehr gut aufgenommen wird: „In der ganzen Kommunikation, die ich derzeit mit Japan habe, gilt die Devise 'business as usual'. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Menschen den Ernst ihrer Lage verdrängen.“ Zugleich spiegelt sich in dieser Herangehensweise aber das Verantwortungsbewusstsein der Handelnden. „Geschäftlich ist mir gerade alles egal“, bemerkt Edwina Hörl, die, wie sie meint, „lebend und noch unverstrahlt“ in Tokio sitzt, eine ihrer Nähereien in einer vom Tsunami getroffenen Region aber nicht mehr erreichen kann. „Wenn man weitermacht, dann für die anderen, die da dranhängen und ihr Bestes gegeben haben und geben und ihr Wort halten.“

Mit Voraussicht handeln. Die Situation ist in vielerlei Hinsicht geprägt von Unsicherheit, doch gerade wird die Orderrunde für die nächste Herbstkollektion abgeschlossen. Also gilt es, verbindliche Vereinbarungen zu treffen. Befürchten die Designer einen Totalausfall der japanischen Kunden? „Das glauben wir nicht“, meinen Springer und Mizobuchi, „aber wir sind besorgt, welche Auswirkungen die aktuelle Lage auf die in den Orders festgeschriebene Stückzahl haben wird. Wir könnten uns vorstellen, dass die Verkäufe im Sommer stark zurückgehen werden, was wiederum bedeuten würde, dass die Shops weniger Budget für Herbst haben. Derzeit ist das freilich noch nicht abzusehen. Die Buyer müssen diese Entwicklung jetzt aber bereits vorausahnen.“

Dank Kooperationen mit Geschäftsketten wie United Arrows oder Isetan, für die eigene Kollektionen erstellt werden, sehen die beiden die Lage von „Rosa Mosa“ bis auf Weiteres entspannt. Sie machen sich auch darauf gefasst, dass Flexibilität bei der Produktion der Herbstkollektion vonnöten sein wird: Wenn fürs Erste kleinere Ordern geschrieben und im Nachhinein die Quantitäten nach oben korrigiert werden, ist rasches Reaktionsvermögen der Labels gefragt. Egal wie es in den nächsten Tagen weitergeht: Dass die Modeindustrie in den nächsten ein oder zwei Saisonen von der Situation in Japan beeinträchtigt sein wird, steht jetzt schon fest.

Davon gibt sich auch Klaus Mühlbauer überzeugt, der auf zwei für ihn problematische Umstände hinweist. So wurde seine Sommerkollektion noch nicht ausgeliefert – sollten sich aus der verlangsamten Abfertigung grobe Lieferverspätungen ergeben, wäre zu befürchten, dass Kunden im Nachhinein abspringen: „Einem Betrieb wie dem meinen würde es hart zusetzen, auf zehntausenden Euro bereits produzierter Ware sitzen zu bleiben.“ Und auch bei Mühlbauer sind die Bestellungen für den nächsten Herbst noch nicht finalisiert; dabei habe sich die beste Export-Saison der Firmengeschichte angekündigt. Auf die Freude über diese Aussicht folgte Ernüchterung. „Wir haben gerade unsere bislang erfolgreichste Orderrunde hinter uns gebracht, mit Zuwächsen wie noch nie, und zu einem Großteil wegen japanischer Kunden“, erzählt der letzthin so erfolgreiche Firmenchef. „Sollte Japan auslassen, ist es für uns definitv ärger als die Wirtschaftskrise, die gerade hinter uns liegt. Da sind wir einfach nur nicht gewachsen; auf japanische Kunden verzichten zu müssen, das wäre etwas nie Dagewesenes.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2011)

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