Susanne Bisovsky: Ein Faible für Unvollkommenes

Susanne Bisovsky Faible fuer
Susanne Bisovsky Faible fuer(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Designerin Susanne Bisovsky hat sich mit von Tracht inspirierter Couture einen Namen gemacht. Jetzt eröffnet sie einen Salon und erwägt den Start eines Onlineshops.

Seit Ihrem Diplom an der Angewandten mit dem Titel „Be-Tracht-Ung“ ist das Thema Tracht in Ihrer Arbeit präsent; was hat Sie daran fasziniert, die Brechung des Tradierten durch etwas Zeitgenössisches?

Susanne Bisovsky: Ja! Und darum ging es auch, als ich für Helmut Lang, bei dem ich diplomierte, Spitzenkleider goss. Wenn man bei dem Begriff „Tracht“ nicht jedes Mal in Erklärungsnöte geraten würde, wäre es auch gar nicht so problematisch, dabei zu bleiben und das als Ausgangslage meiner Arbeit zu sehen. In den letzten Jahren hat sich das Thema aber extrem eigenartig entwickelt.


Inwiefern?

Erstens muss ich bei fast jedem Interview meinen Zugang zur Tracht erklären und mich von irgendwelchen Naziallüren abgrenzen, die da scheinbar automatisch mitschwingen. Und zweitens gibt es einen aktuellen Trend, der alles verwäscht, was mir an dieser Bekleidungsform wichtig ist.

Was meinen Sie konkret?

Die Trachten-Neuinterpretation diverser Modelabels bis hin zur Modeindustrie, die einen irrsinnigen Aufschwung erlebt durch Kitschdirndln, bei denen es nur darum geht, dass sie möglichst kurz sind und der Ausschnitt so tief wie möglich ist.

Das heißt, Sie grenzen sich ab von einem eventtauglichen Trachtenklamauk?

Und von den Hardcore-Trachtlern. Meine Herangehensweise ist insofern unspektakulär, als ich einen Bezug zur Tracht habe, der völlig neutral ist, nichts mit Politik zu tun hat, sondern mit optischen Gegebenheiten, Material und Verarbeitungstechniken. Tracht ist ein Glücksfall der Unvollkommenheit; stilistisch interessiert mich dieses Unvermögen der Tracht. Aus Vorhandenem hat man immer wieder kombiniert, es weiterverwendet, aufgetrennt, umgedreht, gestückelt und wieder angenäht und blieb daher zwangsläufig stimmig, weil kein anderes Material oder Einfluss ins Spiel kam.

Dominant ist in Ihrer Mode auch der Aspekt des Festlichen und Feierlichen?

Das Drama, das da mitspielen kann, mag ich sehr, und Festliches finde ich gut. Ich verstehe allerdings nicht den Ansatz: je feierlicher, desto mehr Haut. Ich versuche genau das Gegenteil zu tun: Je mehr man die Haut zumacht, desto mehr Fläche gibt es zu bedecken, desto eher wird der Mensch richtig angezogen. Ganz ehrlich, die ganze Haut, ich kann sie nicht mehr sehen. Das Klischee von der Oberweite, die oben herausgedrückt wird, und unten werden die Beine hinausgewürgt, das ist für mich nicht spannend.

Wie halten Sie es mit Trachten-Regelwerk?

Ich lasse mir jedenfalls die Regeln nicht vor mein ästhetisches Empfinden setzen. Wenn es heißt, der Bollenhut muss direkt und gerade auf dem Kopf sitzen, ich aber finde, darunter soll ein Tuch sein und er schief getragen werden, setze ich mich darüber hinweg.

Wie soll es mit Ihrer Marke weitergehen, haben Sie Expansionspläne?

Momentan befinden wir uns noch auf einem relativ bescheidenen Produktionsniveau, das wir gut kontrollieren können. Es ließe sich aber sicher noch mehr aus der Marke machen. Besonders die Mitgift-prêt-à-porter-Kollektion ist ein Erfolg. Leute rufen aus Berlin, Amsterdam und Paris an und wollen Geschäfte nur auf Basis meiner Kollektionen eröffnen. Ich habe mich auch lange gegen einen Onlineshop gewehrt, aber aufgrund der zahlreichen internationalen Anfragen ist das jetzt der nächste logische Schritt.

Letztes Jahr haben Sie die Mitarbeiter des Österreich-Pavillons auf der Expo in Shanghai ausgestattet. War das reizvoll?

Schon, auf jeden Fall! Wenn es um österreichische Identität und Präsentation geht, wird immer wieder gerne bei mir angeklopft. In der Expo-Kollektion konnte ich zumindest das Damen-Outfit, ein Strickdirndl, innovativ umsetzen. Außerdem spiele ich gern mit Klischees. Wenn es darum geht, Österreich in Form von Gewand darzustellen, finde ich das schon spannend.

Da kommt auch das „Wiener Mädel“ ins Spiel?

Meine zweite Leidenschaft ist Wien, das alte Wien-Bild, Gespräche mit Damen, Petit-Point-Stickereien, alles Mögliche. Ein Wiener Mädel, Mizzi, wie immer sie heißen mag, auf eine neue Stufe zu heben, ist das, was meine Arbeit am besten beschreibt, aber immer mit einem Augenzwinkern. Interessanterweise gibt es diesbezüglich kaum jemand, der sich mit der Gewandsprache der Stadt beschäftigt. Dabei zieht lokales Denken internationale Klientel an! Es liegt auf der Hand, dass kein Besucher dieser Stadt bei Modeketten kauft, die er auch zuhause vorfindet.

Andererseits steht die konkrete Verortbarkeit derzeit hoch im Kurs. Transportiert Ihre Mode eine nostalgisch gefärbte Geborgenheitsnote?

Witzigerweise sagen mache, dass diese Kleidung etwas in ihnen auslöst, was sie von früher her kennen und bei dem sie sich absolut wohl fühlen.

Ihre Diplomarbeit wurde 1996 im Café Stein ausgestellt, das von Ossi Schellmann damals zu einem der wenigen Mode-Spielplätze in Wien aufgestellt worden war. Heute gibt es eine Großveranstaltung pro Quartal. Beobachten Sie, was da vor sich geht?

Ich weiß ungefähr, was läuft, es hat aber nichts mit meiner Arbeit zu tun. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mich gern einmal international messen, etwa mit einer echten Haute-Couture-Show in Paris. Was in Wien passiert, ist mir dann doch wieder zu lokal. Zum Teil hat das etwas Einfältiges, so auf die Art, ich spiele hier die große Modewelt nach, aber es hat mit der großen Modewelt nichts zu tun und es gibt niemanden, der das Gezeigte auch wirklich beurteilt.

Sie sind gerade umgezogen und eröffnen am 13.November Ihren neuen Präsentationsraum?

Es gibt einen Salon, das Atelier und ein Herrenzimmer. Bei speziellen Salons Privés werden Hausmannequins präsentieren und Kollektionsbesprechungen stattfinden. Im Grunde hätte ich mich in Fred Adlmüllers Salon in der Kärntner Straße gesehen. Aber dort findet man nun ein ganz anderes Glück.

Adlmüller hatte ja seinerseits Expo-Erfahrung und wurde für seine Hostessen-Outfits auf der Weltausstellung in Brüssel zum „Modeweltmeister“ vor Mitbewerbern wie Balenciaga und Dior gekürt ...

Unser Outfit wurde in Shanghai auch zum besten Dress gewählt. Habe ich jedenfalls Medienberichten entnommen, wir selbst waren nicht vor Ort.

1995
Diplom bei Helmut Lang in der Modeklasse der Angewandten.

1996
Drei Jahre lang Designerin bei Gössl in Salzburg.

2001
Erste Kollektion für Sportalm als Trachtendesignerin.

2005
Stellt mit der „Everlasting Collection“ eine Auswahl zeitloser Designs vor; 2007 folgt eine weitere Kollektion.

2009
Lanciert ihre eigene Prêt-à-porter-Linie „Mitgift“.

2011
Am 13. November eröffnet in der Seidengasse in Wien ein neuer Salon – Anmeldung und Information auf. www.bisovsky.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2011)

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