Architektur, ein Abenteuerland

(c) Michaela Bruckberger
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Ganz europäisch: Die Plattform Wonderland vernetzt Menschen und Ideen bei unterschiedlichsten Themen und nimmt junge Architekturbüros nun mit einem "Manual" an der Hand.

Ein wahrhaftes Wunderland könnte doch die Architektur sein. Ein Erlebnispark, in dem Selbstverwirklichung, Ruhm, Ehre, eine bessere und schönere Welt sowie ein wenig Glitzer die Attraktionen sind. Doch die einzige Landschaft, vor der junge Architekten meist rat- und konzeptlos stehen, ist jene des eigenen Berufs. Fragezeichen, größer als Hochhäuser, bäumen sich da auf. Zuerst braucht man ja auch jemanden, der will und braucht, wofür man jahrelang studiert hat und wofür man unbedingt Unmengen Herzblut lassen will.

„Wie?“ ist die Frage. Noch unangenehmer: Wer bin ich – als Architekt? Und wer kann ich werden? Schließlich hat man auch darüber nicht immer selbst die Kontrolle. Ein „Guide“ nimmt nun junge Büros an der Hand und führt sie durch ein unerforschtes Land, in dem die Abenteuer nicht immer erfreuliche sind: Das „Manual for emerging architects“ von „Wonderland“, einer Vernetzungsplattform für europäische Architektur. Das Buch kartographiert das unbekannte Terrain „Architektur in Europa“, setzt Orientierungspunkte, Wegweiser und Vergleichswerte. Die Architektinnen Silvia Forlati und Anne Isopp haben im lockeren Infographics-Layout verdaulich angerichtet, was sich so in den letzten Jahren bei „Wonderland“ angehäuft hat – und das war einerseits eine Menge Fakten, aber vor allem jene Erfahrungen, die da über die Plattform ausgetauscht wurden.

Schon 2004 wagte „Wonderland“ eine Expedition: Eine Austellung, in der sich junge Architekturbüros präsentierten, tingelte durch neun Länder. Anfangs waren es elf österreichische, am Ende 99 europäische. An jeder Station wurde der Tross länger, die Inhalte dichter, denn elf weitere Büros schlossen sich jeweils mit ihren Erfahrungen der Ausstellung und somit auch dem Netzwerk an. Den weiteren Austausch forcierten auch Workshops, die „Wonderland“ allmählich parallel veranstaltete. „So ist das Netzwerk auf europäischer Ebene entstanden“, berichtet Forlati.

„Dabei ging es meist weniger um technische Dinge als um den Beruf des Architekten“, erzählt Isopp. Selbständig machen, aber wie? Aufträge bekommen, aber wo? Direktakquise oder Wettbewerbe? Das waren nur wenige der zahlreichen offenen Fragen, die „Wonderland“ während ihrer Europa-Tour von 2004 bis 2006 eingefangen hat. „In dem Buch haben wir nun versucht, Antworten zu geben – durch eine Mischung von Fakten und Erfahrungsberichten“, sagt Isopp. „So zeigen wir, wie einzelne Teams mit Situationen umgegangen sind, vor denen viele junge Büros irgendwann einmal stehen.“ Dazu kommen die Ergebnisse einer Umfrage unter Architekturbüros, um Vergleichswerte für andere liefern zu können. Etwa: Wie viele Stunden investiert man in einen Wettbewerb und an wie vielen nimmt ein Büro durchschnittlich teil? Nach der Umfrage von Wonderland hat schließlich auch der Architects Council of Europa (ACE) die Datenlücken entdeckt und versucht, sie allmählich zu schließen.„Der Spielraum ist für Architekten in jedem Land anders. Es gibt keine homogene Situation in Europa“, sagt Forlati. In den Niederlanden seien die Zugänge konzeptioneller.

Dort können die Architekten gar nicht genug Verantwortung bekommen, in Österreich würden die Architekten hingegen wieder gern etwas davon abgeben. In Kroatien und Slowenien durfte so manches junge Büro bereits große Auftragsbrocken realisieren, in Österreich ein eher seltener Fall. Das „Manual for emerging architects“ zeigt auch Durchschnittsgrößen, die den Ländervergleich erleichtern: Männlich ist die Architektur überall, aber mal deutlicher (Österreich), mal weniger deutlich (Niederlande). In Rumänien kommt ein Architekt auf mehr als 4000 Einwohner, in Italien auf kaum mehr als 400. Doch eines ist den meisten Ländern gemeinsam: „Das alte Bild der Architekten ist nicht mehr aktuell. Wir sind als Beruf in einer sehr kritischen Situation. Wir brauchen eine neue Definition der Rolle des Architekten.“ Ganz neue Aufgaben könnten sie übernehmen, nicht nur die Gestaltung steuern, sondern etwa auch einen Partizipationsprozess dahinter.


Neue Projekte. „Über die ursprüngliche Austellung haben sich die Workshops entwickelt, und daraus wiederum die ,Project Spaces‘“, erzählt Irene Priel von „Wonderland“. Nach einem europaweiten Call werden dafür junge Teams ausgewählt, die sich anschließend an verschiedenen Orten treffen, mal war es Budapest, dann wieder Wien, zuletzt Cluj in Rumänien, und an einem Thema arbeiten, etwa an der Zukunft des Einkaufens wie für die Seestadt Aspern oder auch an der Nachnutzung von brachliegenden Flächen. „,Project Spaces‘ sind Schnittstellen, an denen die jungen Teams ihre Zugänge austauschen können“, sagt Priel. Im aktuellen Projekt „Under Construction“ soll gemeinsam eine Datenbank für innovative architektonische Konzepte aufgebaut werden.

Wonderland

„Manual for emerging architects“
Herausgegeben von „Wonderland. Platform for european architecture“, Silvia Forlati und Anne Isopp, Verlag Springer

Die Buchpräsentation findet am 30.11. um 19 Uhr in der Kunsthalle project space am Karlsplatz statt. Dazu gibt es eine Podiumsdiskussion u.a. mit Hannes Schreckensberger, Präsident von „Wonderland“, Silvia Forlati und Anne Isopp. Mehr Informationen unter www.wonderland.cx

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2011)

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