Kreativarbeiter: Die Scheu vorm Klinkenputzen

Kreativarbeiter Scheu vorm Klinkenputzen
Kreativarbeiter Scheu vorm Klinkenputzen(c) Www.BilderBox.com
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Sich gut zu verkaufen und neue Kunden anzuwerben fällt vielen Kreativarbeitern schwer. Dabei ist eine durchdachte Eigenvermarktungfür Selbstständige unerlässlich.

Die eigene Person als Marke, das Leben als Dauer-Verkaufsoffensive und jedes Gegenüber ein potenzieller Kunde: Den Einzelkämpfern in der Kreativwirtschaft läuft es bei solchen Gedanken meist kalt über den Rücken. Als ihr Verkaufsargument sehen viele anfangs eher ihre Leidenschaft an der Arbeit, als ihre Ansprechpersonen das persönliche Netzwerk aus Bekannten, Kollegen und ersten Kunden.

Viele merken aber nach einiger Zeit, dass am Ende des Tages zu wenig Geld hereinkommt oder die Abhängigkeit vom wichtigsten Auftraggeber viel zu groß ist. Dann gilt es, innere Hürden zu überwinden. „Die meisten Menschen verkaufen sich nicht gern“, sagt Martina Schubert, Leiterin des Forum zur Förderung der Selbstständigkeit und Beraterin für Ein-Personen-Unternehmen (EPU). „Das ist ein echtes Reizthema“, sagt auch Silke Vollenhofer, die den Studenten der Universität für angewandte Kunst Grundprinzipien des Selbstmanagements beibringt und den Studiengang Art & Economy leitet: „Zum einen brauchen sie es unbedingt, zum anderen wollen sie sich nicht prostituieren.“

Dass es nicht bedeutet, seine Ideale zu verkaufen, wenn man Abnehmer für die eigene Arbeit sucht, zeigt das Beispiel von Silvia Holzinger und Peter Haas. Für die Österreicherin und den Deutschen war ein gezieltes und kreatives Marketing schlicht eine Notwendigkeit. Denn für ihr Dokumentarfilmprojekt über den IT-Pionier Joseph Weizenbaum fanden sich weder Filmförderung noch Verleih. „Da hat sich die Frage gestellt: Wie machen wir weiter?“, erzählt Holzinger. Auf eigene Faust haben die beiden Filmemacher eine Projekt-Community aus am Thema interessierten Personen erschlossen: per Onlinerecherche, Aufbau einer Datenbank, Newsletter und umfangreicher Projektwebseite.


Vertriebswege finden. „Die Idee war schließlich: digitales Kino an Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz“, sagt Holzinger. Das bedeutete aktiv auf Unis zuzugehen und Vorführungen zu organisieren. Auf diesem Weg haben sie ein umfangreiches studentisches Publikum erreicht. Ebenfalls ohne institutionelle Hilfe kam die DVD auf den Markt, die sich bis dato 16.500 Mal verkauft hat. Alles zusammengenommen erzielten sie mit „Weizenbaum. Rebel at Work“ etwa 145.000 Euro Umsatz.

Ihre Erfahrungen abseits der klassischen Vertriebswege haben sie im Buch „Kann man denn davon leben?“ festgehalten“ (siehe Infobox), das über ihre Webseite als E-Book und Printversion erhältlich ist und Kreativarbeiter quer durch die Berufsgruppen anspricht. Sie beschreiben ihre Erfahrungen mit der Telefonansprache möglicher Sponsoren, im Kontakt mit den Hochschulen und beim Aufbau einer starken Community aus „Multiplikatoren und Evangelisten“.

Wer erfahren möchte, welche Maßnahmen wann für den eigenen Fall relevant sind, sollte sich einen mehrstufigen Prozess vor Augen führen: „Zuallererst gilt es, eine Zielgruppe zu definieren. Manche sagen: ,Was ich mache, betrifft alle.‘ Man muss aber aus der Menge aller jene filtern, die potenzielle Kunden sind“, erklärt Schubert. Schon diese Frage wird in der Praxis oft gar nicht geklärt. „Viele kriegen das nicht auf die Reihe, versuchen es erst gar nicht“, sagt Vollenhofer über ihre Erfahrungen mit jungen Kreativen.

Wer diese Hausaufgaben nicht gemacht hat, wird sich aber auf Dauer schwertun, Interessenten zu gewinnen und auch wirklich von seiner Arbeit zu leben. „Wichtig ist, kurz und bündig erklären zu können, was man macht. Man muss sich überlegen, wie man es gezielt für jemanden formulieren kann, der keine Ahnung hat“, sagt Vollenhofer. Im angelsächsischen Raum spricht man da gern vom „Elevator Pitch“: ein auf das Wesentliche konzentrierter Verkaufsvortrag über die Kern-Message des Produkts oder der Dienstleistung, der auch innerhalb einer kurzen Fahrstuhlfahrt gehalten werden könnte. Einmal mehr eine abschreckende Vorstellung. Zu sehr klingt das nach Klinkenputzen oder Staubsaugervertreter-Dasein. „Wenn Sie Ihr Angebot nicht in zwei Minuten erklären können, werden Ihnen viele einfach nicht zuhören“, sagt Vollenhofer.


Die richtigen Instrumente. Erst wenn klar ist, mit welcher Aussage man auf den Markt will, beginnt das eigentliche Marketing. „Hier muss man darauf achten, dass es etwas ist, das zu einem passt. Extrovertierte sind gut in der Direktansprache, Introvertierte tun besser daran, sich Datenbanken aufzubauen und mit Onlinewerkzeugen zu arbeiten“, sagt Schubert. Idealerweise sollte man natürlich beide Seiten im Auge behalten: also einerseits etwa auf Branchentreffs gehen, und den Mut haben, auf mögliche Kunden zuzugehen – und andererseits eine Kontaktdatenbank aufbauen und an seiner Webpräsenz feilen.

Für Neulinge bedeutet das eine Reihe von Stufen: Interessent, potenzieller Kunde, Erstkunde, Stammkunde. Der Aufbau des Kundenkreises variiert je nach Branche: Architekten oder Webdesigner müssen laufend neue Auftraggeber finden, andere Berufsgruppen schließen längerfristige Rahmenverträge ab. An seinen Kontakten zu arbeiten, bleibt aber eine Daueraufgabe: „Man muss lernen, einen gewissen Anteil seiner Zeit diesen Fragen zu widmen“, sagt Vollenhofer.

Bei den beiden Dokumentarfilmern ist das sogar ein ziemlich großer Teil: „Wir verwenden sehr viel Zeit auf Eigenvermarktung. Natürlich wünscht man sich da manchmal, dass man mehr Zeit hätte für die eigentlichen Projekte“, sagt Holzinger. „Aber andererseits lernen wir sehr viel, und das kann uns niemand nehmen. Dieses explorative Wissen ist ein Wissen, das man für sich hat und das in Zukunft sicher noch sehr gefragt sein wird.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2012)

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