Sex sells. Oder nicht?

Wenn Werber auf nackte Haut setzen, können sie das limbische System irritieren. Das kann der Marke schaden.

Die kürzlich entfachte Diskussion eines als sexistisch bezeichneten Werbeplakats der Kärntner Brauerei Hirt hat Österreich einigermaßen aufgewühlt. Die Reduktion von Frauen auf Sexualität macht Frauenkörper in der Werbung universell einsetzbar. Sex in der Werbung wird nach wie vor zur „Provokation“ und als „Aufmerksamkeitstreiber“ eingesetzt. Viele der gängigsten Klischees sind über Jahre erhalten geblieben.

Die Produzenten von Werbespots wollen hohe Aufmerksamkeit erregen und den Bekanntheitsgrad der Marke steigern. Bei erster Betrachtung könnte man bei der aktuellen Bierwerbung von geschicktem Arrangement der Verantwortlichen sprechen: große mediale Präsenz, noch dazu kostenlos. Doch auf längere Sicht entsteht im Konsumentengehirn Irritation, ein bisher kaum beachtetes Problem. Denn: Aufmerksamkeit zu erzeugen ist nur die halbe Miete, eine Marke „limbisch“ in den Köpfen der Konsumenten zu positionieren der viel wichtigere Effekt.

Wir wissen heute aufgrund modernster Erkenntnisse der Gehirnforschung, dass Produkte in der Psyche der Konsumenten großteils unbewusst verankert werden. Im Gehirn des Mannes werden beim Betrachten erotischer Werbesujets primär die Belohnungszentren im Bereich des limbischen Systems stimuliert. Bier etwa ist primär nicht eine Frage des Geschmacks, sondern auch eine Frage der Emotion, da sämtliche Kaufentscheidungen auf unbewusster emotionaler Ebene fallen. Das limbische System steuert unsere Emotionen, es ist die zentrale Bewertungsinstanz, wenn es ums „Kaufen“ geht. Die ausgesandten Markensignale sexistischer Werbung führen dabei häufig zu Irritationen, zu „kognitiven Unsicherheiten“. Warum? Etwa weil die Kernwerte der Marke (im Falle von Bier sind dies z.B. Bergquellwasser, Bodenständigkeit oder Tradition) nicht mit den ausgelösten Emotionen der Werbung konform gehen. Erfolgreiche Marken unterscheiden sich von weniger erfolgreichen dadurch, dass Erstere einen festen Platz im menschlichen Motiv- und Emotionsraum einnehmen. Die Selbstähnlichkeit der Marke kann aber ins Schwanken geraten, wenn Nähe, Sympathie und Vertrauen in den Köpfen der Konsumenten nicht mehr gegeben sind.
Jürgen Wieser ist Coach für limbische Unternehmensführung. Er positioniert Marken nach Motivfeldern der Kunden, www.limbio-business.at

diepresse.com/formsache

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.08.2010)

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