Der schwere Stand des heimischen Zirkus

Der schwere Stand des heimischen Zirkus
Der schwere Stand des heimischen ZirkusAnna Stöcher
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Der Circus Picard ist der letzte rein österreichische Zirkus. In Deutschland wiederum gibt es an die 400 Zirkusbetriebe.

„Der größte Feind des Zirkus“, hat Bernhard Paul, Gründer und Direktor des Circus Roncalli, einmal gesagt, „ist der schlechte Zirkus.“ Und: „Man muss das Geld mit beiden Händen aus dem Fenster schmeißen, damit es bei der Tür wieder hereinkommt.“

Damit wären zwei große Probleme vieler Zirkusbetriebe auf den Punkt gebracht. Denn zum einen gibt es auch so manchen schlechten Zirkus, der für das Image der Institution Zirkus naturgemäß wenig förderlich ist. Zum anderen haben viele Zirkusbetriebe seit Jahren wenige Besucher, niedrige Einnahmen und daher auch nicht die Möglichkeiten, das Geld „beim Fenster hinauszuschmeißen“ und sich etwa die besten Artisten zu holen.

Der Circus Roncalli etwa kann es sich leisten, bis ins kleinste Detail eine perfekte Zirkusdramaturgie aufzubauen: Die historischen Wägen sind akribisch restauriert worden, das nostalgische und ja, auch kitschige Ambiente lässt die Besucher tatsächlich in eine andere Welt abtauchen. Die Vorstellung ist abwechslungsreich, durchdacht und verblüffend.

Davon sind viele kleinere Zirkusunternehmen weit entfernt. Die goldenen Jahre sind längst vorbei: In den 1950er-Jahren noch war der Zirkus, der einmal im Jahr in die Stadt kam, eine Sensation. Heute hat jede kleine Gemeinde einen Mehrzwecksaal, in dem das ganze Jahr über Unterhaltung in diversen Formen geboten wird.

In vielen Orten fehlt auch schlicht der Platz: Große Freiflächen, die ein Zirkusbetrieb für das Zelt und die Wägen braucht, sind vielerorts nicht mehr verfügbar – oder liegen wenig attraktiv am Stadtrand oder in Industriegebieten.

27 Jahre und schon Zirkusdirektor. Gab es vor 50, 60 Jahren noch zahlreiche heimische Zirkusse, ist der Circus Picard aus Niederösterreich heute der letzte wirklich österreichische Zirkus. Der seit Kurzem einen sehr jungen Direktor hat: Alexander Schneller, Jahrgang 1987, der zu den besten Jongleuren Europas zählt, hat den Zirkus seiner Eltern mit Jahresbeginn übernommen.

Die anderen großen und kleinen österreichischen Zirkusnamen, sie sind alle verschwunden – oder nicht mehr in österreichischer Hand: Der bekannte Österreichische Nationalcircus Louis Knie etwa ging 2005 in Konkurs, der Markenname wurde nach Deutschland verkauft. Nach wie vor aber gibt es mit den Circusfans Austria einen engagierten Verein, der die einzelnen Zirkusunternehmen – pro Jahr gastieren etwa 30 bis 40 in Österreich – online bewertet. (www.cirucssterne.net).

Wildtierverbot. Anders als in Österreich werden Zirkusse in Deutschland gefördert– was auch die hohe Zahl im Nachbarland erklären mag: 300 bis 400 deutsche Zirkusunternehmen soll es Schätzungen zufolge in Deutschland geben. Darunter große Namen wie den Circus Krone oder eben Roncalli, der – obwohl Gründer Bernhard Paul gebürtiger Österreicher ist – ein deutsches Unternehmen mit Sitz in Köln ist, das nach Anfangsschwierigkeiten nach der Gründung 1976 zu einem kleinen Imperium gewachsen ist: Neben zwei herumreisenden Zirkusbetrieben richtet Roncalli auch Varietés in deutschen Städten oder den Weihnachtsmarkt in Hamburg aus.

2005 hat Österreich das Wildtierverbot eingeführt, dass es Zirkussen untersagt, mit Löwen, Elefanten und anderen wilden Tieren zu arbeiten. Was aus Sicht des Tierschutzes ein wichtiger und überfälliger Schritt war, hatte für die Zirkusbetreiber schwere Folgen: Viele internationale Zirkusse, die nach wie vor auf exotische Tiere setzen, meiden seither Österreich. Andere mussten ihr Programm neu ausrichten. Für Roncalli war das Wildtierverbot kein Problem: Schon seit 20 Jahren hat man keine wilden Tiere mehr im Programm, Pferde und ab und zu eine Nummer mit Hunden sind die einzigen tierischen Attraktionen. (mpm)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2014)

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