Schulsachen zum Nulltarif

Der Schulanfang wird laut Umfragen immer teurer. Das können sich viele Familien nicht mehr leisten. Sie sind auf Hilfe angewiesen. ?

Er sieht aus wie ein normaler Werbekatalog. Es sind bunte Schultaschen, Füllfedern, Handarbeitskoffer, Zeichenblöcke und Deckfarben auf den Fotos abgebildet. Eben alles, was es zum Schulstart braucht. Es gibt nur einen Unterschied bei dieser Broschüre. Die Schulartikel sind nicht mit Preisen versehen.

Müssen sie auch nicht. Denn diese Schulartikel werden vom Sozialministerium gratis an Kinder und Jugendliche, deren Eltern die Mindestsicherung beziehen, vergeben. 57.600 der 1,1 Millionen Schüler haben Anspruch. Rund 2,5 Millionen Euro aus dem Europäischen Hilfsfonds sind dafür reserviert.

Der Andrang ist heuer – wie auch schon in den vergangenen zwei Jahren seit Beginn der Aktion – groß. Bis Anfang September wurden bereits 39.000 Pakete bestellt. 7000 werden laut Prognosen des Sozialministeriums noch hinzukommen.

„Der Schulstart ist für Familien, die jeden Euro umdrehen, eine enorme finanzielle Belastung“, sagt auch Caritas-Wien-Generalsekretär Klaus Schwertner. Das sei zwar nicht neu, bei der Caritas sei der Andrang vor Schulbeginn heuer aber besonders groß gewesen. In den Carlas, den Secondhandgeschäften der Caritas, herrschte reges Treiben. Dort werden noch bis zum 9. September Stifte ab zehn Cent, Mappen und Schultüten ab drei Euro und Schultaschen ab fünf Euro verkauft.

„Allerdings können wir nur etwas weitergeben, wenn wir etwas haben“, sagt Schwertner. Derzeit sei man praktisch ausverkauft und auf Spenden angewiesen. Auch bei der Schulstartaktion der Volkshilfe waren die Gutscheine rasch vergriffen. 60.000 Euro wurden an Familien, deren monatliches Nettoeinkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle (1509Euro für einen Erwachsenen plus Kind) liegt, vergeben.

Die Kosten steigen. Dieser Tage müssen Schultasche, Turnschuhe, Turnsackerln, Stifte, Federpennale und vieles mehr besorgt werden. Unter 100 Euro ist das kaum machbar. Für die Grundausstattung müsse man mit 100 bis 300Euro rechnen, sagt die Diakonie. Tendenz steigend.

Mehr als acht von zehn Befragten gaben laut dem vor Kurzem veröffentlichten Sozialbarometer der Volkshilfe an, dass die Kosten, die Eltern für den Schulbesuch ihrer Kinder tragen müssen, immer höher werden. Ein Viertel der 855 Euro, die Eltern im Schnitt pro Schuljahr ausgeben, müssen zu Schulbeginn lockergemacht werden. Neben den Schulsachen sind auch Kopien, Milchgeld, Elternvereinsbeiträge sowie Projekt- und Wandertage zu bezahlen.

Wohl auch deshalb greift der Staat mit Schulbuchaktion, Schülerfreifahrt und Schulstartgeld ein. Diese 100 Euro, die pro Kind im Alter von sechs bis 15 Jahren zusätzlich zur Familienbeihilfe ausbezahlt werden, gibt es für alle. Diese familienpolitischen Zahlungen, kritisiert SOS-Kinderdorf, würden sich aber auf veraltete Daten stützen. Die Berechnungen für den Regelbedarfssatz, der festlegt, welche Dinge ein Kind in welchem Alter braucht, sei aus den 1960er-Jahren. Laptops zählten damals noch nicht zu den Anschaffungen für den Schulalltag. ?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2017)

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