Andrew Garfield: "Spiderman ist sehr komplex"

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Er findet Schauspielen heilsam, sich selbst langweilig, dafür Spiderman faszinierend: Andrew Garfield hat nach mehreren Rollen als Sensibler vom Dienst das Trikot des Spinnenmanns angezogen und sich einen Kindheitstraum erfüllt.

Machen Sie Ihre Interviews und Mittagspausen immer zusammen?

Andrew Garfield: (lacht) Ich hoffe, das wirkt nicht beleidigend, aber ich habe sonst keine Zeit zu essen und sterbe vor Hunger. Ich muss den ganzen Tag reden, da bleibt nie Zeit, zu essen. Und das hier (ein Club-Sandwich mit Pommes frites, Anm.) ist auch noch so gut.

Haben Sie sich schon an den Wirbel gewöhnt?

Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich die Leute langweile. Ich finde mich selbst ja schon langweilig. Ich wiederhole mich ständig! Gestern habe ich auf dem roten Teppich eine Frage beantwortet, und gleich daneben wurde mir exakt dieselbe Frage noch mal gestellt. Das war so peinlich, dass ich auch dieselbe Antwort noch mal gegeben habe.

Warum waren Sie so auf „Spiderman“ aus?

Ganz ehrlich? Diese Rolle wollte ich schon spielen, seit ich fünf bin – quasi seit ich auf der Welt bin. Der Wunsch steckte tief in mir. Spiderman war wie ein Schatz, den ich immer in mir trug, auch wenn das seltsam klingt.

Haben Sie gejubelt, als der Anruf kam?

Ich brauchte eine Weile, um den ganzen Bullshit herum zu vergessen. Dann stand da der Heilige Gral: Die Rolle als Spiderman. Und dann dachte ich nur noch: Mensch – Spiderman!!! Ja! Ja, ja, ja, ja! Ich mach's auch umsonst, ich werde diese Rolle leben, sie als zehnstündiges Theaterstück spielen oder bis ans Lebensende in einer kleinen TV-Serie!

Was fasziniert Sie auch mit 28 Jahren noch an dem Superhelden?

Ich kann das unmöglich zusammenfassen. Eher könnte ich eine Doktorarbeit darüber schreiben! Diese Figur ist unheimlich komplex! Er...nein – ich schaffe es nicht, das in Worte zu fassen.

Spiderman – komplex? Weil er an Häusern hochklettert und durch die Luft fliegt?

(lacht) Das ist Teil seines komplexen Charakters. Spiderman ist der komplexeste aller Superhelden. Fliegen Sie mal durch New York! Was wären wir denn noch, wenn wir nicht unsere Träume leben würden?!

Aber Superhelden? Sind wir so ohnmächtig?

Ich glaube eher, es liegt nicht daran, dass wir schwach sind. Sondern daran, dass wir nicht analog zu unseren Gefühlen handeln. Das kennt man doch: In der Schule fand man jemanden toll, hat ihn aber nie angesprochen...

An Ihnen ist ein Psychologe verloren gegangen.

Sie meinen: Ich grüble zu viel? Mag sein. Oder ich bin nur neurotisch. Ich glaube daran, wenn man sich richtig verhält, hart arbeitet und die Menschen gut behandelt, wird man belohnt. Wir glauben doch alle, dass jemand über uns wacht. Sonst würden wir uns ins Bett legen und auf den Tod warten. Wir hoffen, dass unsere Existenz einen tieferen Sinn hat – ob's der ist, einen Film zu drehen, der einem viel bedeutet, oder als Journalist vielleicht einen Film zu empfehlen, der andere bereichern könnte.

Und wo bleibt da die Liebe?

Vielleicht liegt sie darin, dass jemand, der Dich liebt, Deine Hand nimmt und zeigt: „Ich verstehe dich. Wir sind aus demselben Holz, wir haben einander, um auf den anderen aufzupassen.“

Was geht in Ihnen vor, wenn Sie vor der Kamera küssen, trauern, wütend sein sollen?

Mir gefällt es, Gefühle darzustellen. Als Schauspieler zapfe ich meine eigenen Gefühlsreservoirs von Frust, Herzschmerz oder Freude wie einen Tank an. Es ist schwer, die danach einfach wieder zu verschließen. Du denkst an Kränkungen und Tiefen, die Du selbst erlebt hast: als Dich jemand in der U-Bahn angepöbelt hat, als jemand Deine Freundin geküsst hat... da liegen diese Wunden wieder offen.

Schlafen Sie dann nicht schlecht?!

Doch, das passiert. Aber meist fühle ich mich am nächsten Morgen besser als je zuvor. Als hätte ich einen Schmerz, der noch in mir wohnt, ausgelöscht. Es hat etwas Heilsames.

Ist Ihr Beruf also auch Therapie für Sie?

Das ist er und das muss er sein. Das ist sogar eine wichtige Motivation dafür, dass ich Schauspieler geworden bin.

Sie spielten auch oft den Hochsensiblen.

Ich glaube, wir sind alle verwundbar. Ich wünsche jedem mindestens einen Menschen in seinem Leben, bei dem er seine Verletzlichkeit zeigen kann. Wir lassen dieses Gefühl nicht oft genug zu. Besonders in England schämen wir uns dafür. Echt. Ganz besonders die Männer.

1983 wurde Andrew Garfield als Sohn einer Britin und eines Amerikaners in Los Angeles geboren. Die Familie zog nach England, als er drei war.Mit zwölf begann er mit Schauspielunterricht, 2005 war er erstmals im Fernsehen zu sehen.

2007 engagierte ihn Robert Redford für „Von Löwen und Lämmern“. In „The Social Network“ spielte er einen der Facebook-Mitbegründer, was ihm eine Golden-Globe-Nominierung einbrachte.

Seit dem Dreh von „Spiderman“ ist er mit seiner Kollegin Emma Stone liiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2012)

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