Von New York nach Kaisermühlen: Franzose backt für Ströck

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Pierre Reboul, der Mann mit den besten Croissants Wiens, wechselt vom Café Central zu Ströck. Das Ziel ist tarte à la framboise für alle.

Allein das Kühlhaus, das so groß wie seine Wohnung ist, machte Pierre Reboul ein bisschen Angst. Und der Patissier stellte sich auch die Frage: „Ich kann zwar 300 Croissants am Tag backen, aber schaffe ich auch 100.000 am Tag?“ Irgendwann erkannte Reboul, der bis vor Kurzem noch im Café Central für süßes Weltstadtflair sorgte, dass auch bei Ströck mit Eiern und Mehl gebacken wird, der Geruch, die Bäckerhände und auch die Bäckertypen waren ihm vertraut.

„Die sind ja überall gleich“, informiert der Franzose trocken. Pierre Reboul nahm also das Angebot an, bei Ströck langfristig das Mehlspeisenangebot zu überarbeiten, seit September ist er in geheimer Mission bei der Bäckereikette tätig. „Seit ich hier arbeite, bin ich ganz wild auf scharfes Essen. Ich muss ja den ganzen Tag so viel Süßes kosten!“

Christoph Ströck, einer der Söhne, war es, der seit einem Jahr Rebouls Wechsel forcierte. Er war unzufrieden mit dem bisherigen Angebot an Sacherschnitte und Co., „es war okay, aber nicht so gut wie der Rest und eher am absteigenden Ast“. Vater Gerhard ist über diesen Impuls froh, „wir Alten glauben ja eher, es wird schon so weitergehen. Aber eine Esterhazyschnitte ist irgendwann ja wirklich kein Thema mehr bei der Jugend.“


Finally in Kaisermühlen. Pierre Reboul war bereit für Veränderungen, auch aus privaten Gründen. Und direkt persönlich getroffen wirkt er, als er erzählt, dass er im Café Central sicher die besten Croissants Wiens gemacht hat, „aber die Leute haben sich nicht bis auf die Straße dafür angestellt“. Sein Blick scheint zu fragen: Was um alles in der Welt ist bloß los mit euch Wienern? Reboul ist seit drei Jahren hier, lebte vorher zwölf Jahre in New York – „um schließlich in Kaisermühlen zu landen“, kann sich Christoph Ströck nicht verkneifen – und ist möglicherweise der am besten Englisch sprechende französische Patissier der Welt. Was nicht allzu schwer sein dürfte. Pierre Hermé, Star der Macarons-Welt, nahm seine Dienste jedenfalls als Dolmetscher in Anspruch.

Geht es nach den Plänen von Pierre Reboul und den Ströcks, soll Wien bald flächendeckend mit Tarte au citron oder Pistazien-Kirsch-Kuchen versorgt werden. Das klingt einfacher, als es sich in der Praxis erweist, die richtige Reboul-Kollektion kommt daher erst im Frühjahr 2013 heraus. Allerdings: In der Filiale im Einkaufszentrum G3 in Gerasdorf wird es ab 1.11. eine Versuchsvitrine geben, und vor Weihnachten geht man mit neuen Keksen und warmen Brandteigkrapfen in die Filialen, die wie Maroni im Stanitzel verkauft werden.

In den nächsten Monaten wird es darum gehen, wie man die Idee großer Patisserie überhaupt auf 80 Filialen übertragen kann. Nicht nur, was die Preise für Törtchen und Ähnliches betrifft, die bei Ströck nicht endlos erhöht werden können, sondern auch, was die Produktionsabläufe angeht. Pierre Reboul weiß sehr wohl, dass es „eine romantische Idee“ ist, im Sommer Mürbteigtörtchen mit Creme und einzeln platzierten frischen Himbeeren, sprich: tarte aux framboises, zu produzieren, und zwar für potenzielle 80.000 Kunden – oder wie viele auch immer, jedenfalls deutlich mehr als der hierzulande für Patisserie übliche Kundenstock.

Der Franzose mag diese romantische Idee aber durchaus. An den Zutaten will der Patissier nicht sparen, stattdessen muss er anders arbeiten als bisher: Eischnee wird dann eben in einem einfacheren Muster auf die Tarte au citron gespritzt, statt als einzelne spitze Tupfen also in Schlangenlinien oder kreisförmig. Zucker wird Reboul langfristig reduzieren, „aber es muss immer Bad-day-Stücke geben“.

Trost kann Pierre Reboul selbst vermutlich dann brauchen, wenn er anderen Leuten zusehen muss, wie sie mit seinen süßen Stücken umgehen: „Schauen Sie“, sagt er und deutet auf Christoph Ströck, der eine Schachtel mit Rebouls Probetörtchen nachlässig schief schultert, „das ist das größte Problem meines Lebens: Die Leute tragen meine Kuchen nicht richtig“.

Auf einen Blick

Patissier Pierre Reboul tüftelt neuerdings für die Bäckereikette Ströck an einer süßen Kollektion und arbeitet gleichzeitig daran, die bisherigen Mehlspeisen zu verbessern. In der Filiale im Einkaufszentrum G3 in Gerasdorf wird es ab 1. November eine Versuchsvitrine mit Pierre Rebouls Patisserie geben, ganz in die Filialen kommen die Stücke im Frühjahr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2012)

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