KTM: Das Motorrad, das den Sprung von Mattighofen in die weite Welt schaffte

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Austria'12(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Stefan Pierer ist vor rund 20 Jahren in die damals insolvente Motorradschmiede KTM eingestiegen. Heute gedeiht das Unternehmen, ist weltweit erfolgreich und berühmt.

Dieser Herbst läuft für Stefan Pierer ganz nach Wunsch: Vor wenigen Tagen hat Werksfahrer Sandro Cortese den Weltmeistertitel in der Achtelliterklasse (Moto3) geholt. Auf einer KTM – natürlich, möchte man schon fast sagen. Und am Donnerstagabend wurde der Firmenchef selbst im Rahmen der „Presse“-Gala Austria'12 zum Manager des Jahres gekürt.

Was mehr zählt? Den WM-Titel bezeichnete er als „Meilenstein für KTM in der Unternehmens- und Motorsportgeschichte“. Zumal beim Grand Prix von Malaysia alle drei Herren auf dem Siegerstockerl mit einer orangen Rennmaschine aus dem oberösterreichischen Mattighofen unterwegs waren.
Und die „Presse“-Auszeichnung? „In Zeiten wie diesen ist so etwas für einen Unternehmer besonders motivierend“, sagte Pierer bei der Gala. „Wir sind die Pferde, die in der Furt stehen und versuchen sollten, den Karren aus dem Dreck zu ziehen.“ Es gebe allerdings leichtere Übungen. Pierer: „Ich fühle mich nicht mehr als Teil einer Leistungsgesellschaft. Sondern eher einer Neidgesellschaft.“ Nachsatz: „Mit so einem Zugang werden wir in Österreich den Karren nicht herausziehen können, wir müssen uns zur Leistung bekennen.“ Deswegen freue er sich sehr über die Auszeichnung – „das ist ein echter Ansporn“.

In Mattighofen werden seit den 1950er-Jahren Motorräder und auch Fahrräder gebaut – in der von den Ingenieuren Kronreif und Trunkenpolz gegründeten Firma (daher der Name KTM). Bis zur WM-Reife dauerte es aber lange und die Firma wurde gehörig durchgebeutelt. Besonders kritisch war es vor 20 Jahren: 1991 schlitterte KTM in die Pleite und wurde von den Banken filetiert, die Fahrradproduktion verkauft. Das reizte Pierer, der gerade zuvor mit seinem Partner Rudolf Knünz die Cross-Holding  gegründet hatte. Mit diesem Beteiligungsvehikel wollte das Duo, das sich bei Pierers erstem Arbeitgeber, dem Heizkesselhersteller Hoval, kennengelernt hatte, Unternehmen in Schieflage kaufen, sanieren und weiterentwickeln.

KTM bot sich ihnen sozusagen auf dem Serviertablett an und da zögerten sie nicht lange. Das Risiko war hoch, zumal auch viel eigenes Geld investiert wurde. Aber Pierer, der an der Montanuniversität Leoben studiert hat, ließ nicht locker. Zuerst konzentrierte man sich auf den Geländebereich. KTM – der Name wurde schon sehr bald bei Offroad-Fans ganz großgeschrieben. Beflügelt von ersten Sporterfolgen erfolgte der Sprung auf die Straße. Schon 1995 ging KTM an die Börse. Dort ist das Unternehmen noch heute – nach einem kurzen Rückzug infolge des Einstiegs eines Fonds.
Technische Perfektion und hohe Qualität – das waren und sind die Argumente, mit denen die Firma mit nunmehr 2000 Mitarbeitern weltweit punkten konnte. Verkaufte man 1992 nur 6000 Motorräder, so sollen es heuer 100.000 sein. Das wäre Rekord. Einen wesentlichen Schub in der Entwicklung brachte vor fünf Jahren der Einstieg des größten indischen Automobil- und Zweiradherstellers Bajaj. Damit machte Pierer einmal mehr Schlagzeilen: Nicht ein „Westler“ kaufte sich im aufstrebenden Asien ein, sondern ein Vertreter eines Schwellenlandes expandierte nach Europa. Bajaj hält rund 47 Prozent an KTM, die Mehrheit hat Pierer, der nach dem Rückzug von Knünz das Steuer allein in der Hand hält.

Die West-Ost-Kooperation ist für Pierer eine „Win-Win-Situation“. KTM erhalte neue Kunden, die Inder wiederum profitieren von der KTM-Technologie. Nicht nur in Indien, sondern in vielen aufstrebenden Ländern Asiens steigt mit wachsendem Wohlstand die Nachfrage nach einem fahrbaren Untersatz. Starke Absatzmärkte sind auch Australien und die USA.

Wachstum in Übersee


Das Wachstum in Übersee mindert die schwächelnde Nachfrage in Europa. Schon 2008/09 ist der Absatz in den traditionell starken Motorradländern Italien und Spanien eingebrochen und hat sich bis heute nicht erholt. Dennoch gewinnt KTM in Europa Marktanteile – auf Kosten der Japaner, die mit Problemen kämpfen. Um die Nummer eins, BMW, abzuhängen, müssen die Mattighofener aber noch einmal kräftig Gas geben. Schon bald könnten sie jedenfalls wieder technologisch überraschen. In den Werkstätten wird an einem Elektromotorrad getüftelt. Damit könnten dem gebürtigen Steirer Pierer sogar absolute Gegner der lauten Geschosse als Kunden winken.

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