Agnes Essls Weg zur Sammlerin: „Plötzlich waren riesige Bilder da“

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Die 75-jährige Kunstsammlerin Agnes Essl hat ihre Lebensgeschichte aufgeschrieben. Sie erzählt im Gespräch mit der "Presse" über die Anfänge und den aktuellen Ankaufstopp.

Agnes Essl residiert in einem kleinen Büro im Türmchen des Essl-Museums. Sie ist eine der wichtigsten Kunstsammlerinnen des Landes – und tut sich trotzdem etwas schwer damit, sich an die Aufmerksamkeit zu gewöhnen. „Es ist neu für mich, dass ich im Mittelpunkt stehe.“ Aber, überlegt sie, genau genommen fühle sie sich in ihrer neuen Rolle sehr wohl. „Vielleicht bin ich selbstständiger, selbstbewusster geworden.“

„Ein Leben für die Kunst“ heißt ihr Buch, das nächste Woche vorgestellt wird. „Ich habe wahnsinnig viel erlebt und immer schon gern geschrieben“, sagt die 75-Jährige. Ein Interview, das sie für das niederösterreichische Landesarchiv gab, habe schließlich den Ausschlag gegeben. „Da habe ich Lust bekommen, weiterzuschreiben. Für meine Kinder und Enkelkinder. Sie sollen wissen, wie unser Leben war. Man spricht ja viel, aber dann oft doch nicht über die wesentlichen Dinge. Ich würde jedem raten, zu schreiben – zumindest einen Brief.“

Agnes Essl wurde 1937 in Klosterneuburg geboren. Im Krieg wurde sie zum Aufpäppeln in die Schweiz geschickt, mit Anfang 20 durfte sie für ein paar Monate zu einer wohlhabenden Tante nach New York. Dort bekam sie eine (unbezahlte) Stelle in einer Galerie. Und lernte den jungen Kärntner Kaufmann Karlheinz Essl kennen. Beides sollte ihr Leben verändern.

Daheim in Wien wurde geheiratet. Karlheinz Essl wollte eigentlich seine Idee von Supermärkten in Österreich umsetzen – und übernahm dann doch den Klosterneuburger Baustoffhandel seines Schwiegervaters. Dabei war Agnes Essl, die schon als Kind „Büro“ gespielt und Kassa geführt hatte, selbst von ihrem Vater auf die Aufgabe vorbereitet worden. „Aber mir ist klar geworden, dass es mir allein nicht möglich gewesen wäre.“ Gemeinsam sprühte man vor Ideen. Und setzte letztendlich, Jahre später, das Konzept der Selbstbedienungsläden eben mit den Baustoffen um – Baumax war geboren.

Bis Essl in ihrem Buch auf die geliebte Kunst zu sprechen kommt, dauert es allerdings eine Weile. Zuerst kommt die Familie. Essl bekam in zweieinhalb Jahren vier Kinder, später ein fünftes. „Kindergarten gab es keinen. Ich habe nichts mehr im Geschäft gemacht, obwohl ich gerne hätte.“ Der Neueinstieg nach 15 Jahren sei „relativ schwierig gewesen. Aber es hat mir gutgetan.“ Ihr Interesse an der Kunst war schon in Amerika erwacht. „Als wir angefangen haben zu sammeln, war es nur für die eigenen Wände in unserem Wohnhaus. Dann auch fürs Büro. Wir konnten bald ohne Kunst nicht mehr leben.“ Als das Schömerhaus, die neue Firmenzentrale, gebaut wurde, „da war im Kopf meines Mannes sicher schon die Idee einer Sammlung. Denn plötzlich sind auf dem Dachboden riesige Bilder aufgetaucht, die nie in unser Haus gepasst hätten.“

Schon früher hatte man auf dem eigenen Dachboden Freunden Bilder gezeigt, später im Schömerhaus hielt sogar Hermann Nitsch eine Malaktion ab. An ihn musste sich Essl freilich erst langsam herantasten. Überhaupt, sagt sie, habe sie einen ganz anderen Kunstzugang als ihr Mann. „Er liest sehr viel. Ich schaue sehr viel.“ Und sie legt Wert auf einen persönlichen Zugang, am liebsten lernt sie die Künstler kennen, pflegt Freundschaften. Anfangs nur mit österreichischen Künstlern. „Erst mit dem Fall der Mauer hat es bei uns geklingelt, dass die Welt ja größer ist. Ab da haben wir internationale Kunst gesammelt. Es hat nur niemand gewusst.“ Als 1999 das Essl Museum in Klosterneuburg eröffnet wurde, waren die internationalen Werke eine Überraschung.

„Wir hätten uns“, sagt Agnes Essl, „ein Flugzeug kaufen können oder ein Schiff. Aber wir wollten leben wie andere auch. Kunst zu kaufen und Menschen zur Kunst hinzuführen erschien uns sinnvoll.“ Bis heute wird die Sammlung ergänzt, „sofern das Geld da ist“. Wegen der schwierigen Lage, in der sich Baumax in Osteuropa gerade befindet, müsse man sparsam sein. „Momentan herrscht ein Kaufstopp. Was nicht heißt, dass es keine Ausstellungen gibt. Bei 7000 Werken kann man aus dem Vollen schöpfen.“

Froh ist sie heute, dass nichts aus den Plänen wurde, sich am Museumsquartier zu beteiligen. „Hierher brauche ich zu Fuß nur sieben Minuten. Wir fühlen uns in Klosterneuburg gewollt und aufgehoben.“

Agnes Essl: „Wie ein gewebter Teppich. Ein Leben für die Kunst.“ Amalthea Verlag, 304 Seiten, 24,95 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2012)

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