Aus dem Leben eines Studiomusikers: „Skandalisierung ist lächerlich“

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Dieter Kolbeck zählt zu den Top-Session-Musikern des Landes. Nun veröffentlicht er sein erstes Studioalbum. Den Wirbel um die Kastelruther Spatzen versteht er nicht.

„Diese Skandalisierung ist total lächerlich“, sagt Kolbeck zum Wirbel um die Kastelruther Spatzen. „Es ist international üblich, dass Bands bei ihren Aufnahmen, wenn es die Situation erfordert, Session-Musiker beschäftigen.“ Beispiele dafür gibt es in der Popgeschichte zur Genüge. Schon Beatles-Produzent George Martin engagierte bei besonders heiklen Aufgaben versierte Studiomusiker. Als E-Pianist ist Kolbeck seit mehr als zwei Jahrzehnten gefragter Groove-Architekt, Ideenspender oder simpel Ausführender eines notwendigen Feinschliffs.

Begonnen hat das musikalische Leben des 1965 in Bregenz geborenen Tastenvirtuosen eher zufällig. Als nicht extrem motivierter Schüler wurde er in eine Musikhauptschule gesteckt. Übers Singen entdeckte man die Musikalität des Knaben, der bis zu seinem zehnten Lebensjahr kein Instrument angerührt hatte. Jetzt sollte er Geige lernen. Dagegen rebellierte er.

Lieber wollte er Klavier lernen, schließlich war sein Onkel Barpianist in mondänen Häusern in der Schweiz. Beeinflusst war er zudem vom Musikgeschmack seines Vaters. Kolbeck: „Selbst zu Weihnachten hörten wir nur hochkarätigen Jazz: Dizzy Gillespie, Count Basie und Herbie Hancock.“ Als 15-Jähriger durfte er bei einem Konzert von Jazzlegende Fatty George bei einem Lied mitspielen. Schon seine erste Kombo Wellasgot (Vorarlbergerisch für: Weil es geht) widmete sich mit Hingabe der Jazz-Fusion. Kolbecks Lieblingsband war die Wiener Fusionband Ostinato. Das und weiterer musikalischer Bildungshunger lösten den Wunsch aus, nach Wien zu gehen.

Seine Zukunftshoffnungen waren hoch: niemals in Musicals und bei Galaabenden spielen, auf keinen Fall den Knecht bei damaligen Stars wie Steffi Werger machen, vielleicht bei Ostinato einsteigen. Die Realität sah anders aus. „Schon bald saß ich im Ensemble des Musicals „Blondl“ in St. Pölten. Weil für die Musiker kein Platz im Saal war, mussten wir im Keller spielen. Ich habe heute noch keine Ahnung, worum es in dem Musical ging.“ Zwei Jahre später kommt ein Anruf. Von der Agentur Steffi Wergers. „Ob ich einspringen könnte? Und schon bin wieder brav gesessen. Ich lernte sie zu schätzen, aber es war nicht das, was ich mir erträumt hatte.“

Sein Handwerk lernte Kolbeck autodidaktisch. Vom Wiener Konservatorium war er schnell enttäuscht. Sein Lehrer Rudi Wilfer meinte damals: „Ich zeig dir die Tricks, den Rest musst du selbst lernen.“ Kolbecks Universität waren Wiener Clubs wie der Rote Engel, das Andino oder der Tunnel. Als Peter Legats Band „Ruff'n'Tuff“ einen Keyboarder suchte, kam der Wendepunkt. Kolbeck war auch in Legats nächster Band Count Basic zu finden. „Ab da kam ich auch als Session-Musiker richtig gut ins Geschäft.“

Er spielte bei Europatourneen für Gloria Gaynor und die Temptations, daheim für Austropopper wie Georg Danzer, Hansi Lang und Rainhard Fendrich. Ein Highlight waren seine Pianopassagen beim Kruder-Dorfmeister-Remix von Madonnas „Nothing Really Matters“. Bald haben andere digitale Kombos angefragt. Kolbecks funky Piano-Licks sind seither höchst gefragt in der Wiener Downbeat-Szene. Fühlt man sich da nicht ausgenützt, wenn man zum musikalischen Stichwortgeber wird?

Kolbeck verneint. „Es ist einfach eine andere Arbeitsweise. Ich verfahre ja neuerdings selbst so mit mir“, schwärmt er von den Arbeiten an seinem allerersten Soloalbum. Was hat er nicht alles gemacht: Filmsoundtracks, Theatermusik, Austropop und Elektronik – jetzt ist die Zeit reif fürs Debüt. „Ein Konzert von Get Well Soon hat mir kürzlich klargemacht, dass ich das endlich in Angriff nehmen muss. Obwohl ich mich bei manchen Auftraggebern gut austoben kann, war ich schwerst undergroovt. Das ändert sich ab sofort.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2012)

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