Caroline Peters: "Bei Strindbergs Vater lache ich mich tot"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Burgschauspielerin Caroline Peters liebt das Komödiantische und mag auch das Fach der Salondame. Demnächst bestreitet sie im Kasino einen literarisch-musikalischen Abend in der Reihe »Kakanien«.

Ein Gespräch mit der wandlungsfähigen deutschen Künstlerin über extreme Regisseure, krampfige Premieren und die Lust, Sprachkleider anzuprobieren.

Sie machen demnächst fürs Burgtheater etwas Ungewöhnliches. In der Reihe „Kakanien“ gestalten Sie im Kasino am 12. 12. einen Abend mit der Autorin Marica Bodrožić. Haben Sie slawische Wurzeln entdeckt?

Caroline Peters: Ich habe die Herausforderung gern angenommen. Wir Schauspieler sollen die Zuschauer zu neuer Literatur verführen und gestalten den Abend nach unseren Wünschen. Das ist reizvoll. Bei mir kommt dazu, dass meine verstorbene Mutter Slawistin war. Sie hat aus dem Russischen übersetzt. Mit ihrer Arbeit hat sie den Bogen zum Ostblock hin geschlagen. Für mich war das als Schülerin nicht interessant, obwohl meine Mutter uns diese Literatur ganz stark vermitteln wollte.


Hat sie sich damals vergeblich bemüht?

Absolut. Wer wie ich in den Siebziger- und Achtzigerjahren in Westdeutschland aufgewachsen ist, fand alles hinter dem Eisernen Vorhang nicht existent. Mein zweiter Vorname ist russisch: Aksinja. Mehr wusste ich vom Osten nicht. Seit ich aber hier in Wien arbeite, fängt er mich zu interessieren an.


Der Abend wird von vier Frauen bestritten. Sprengen sie nicht das Kakanische?

Eigentlich nicht. Bodrožić kommt aus Dalmatien, Eva Jantschitsch, die Komponistin aus Graz, hat slowenische Wurzeln. Rosemarie Tietze, die unlängst Tolstois Roman „Anna Karenina“ übersetzt hat, und ich sind nur gastweise in diesem Raum. Wir wollen über Wurzeln und Sprache diskutieren, das ist als Thema extrem kakanisch. Es geht um die Übersetzung von Sprache, zum Beispiel in die Musik. Mir schwebt vor, dass wir ein richtiges Tischgespräch führen. Wir sitzen rum, reden über Bücher. Das kommt einem fast retro vor. Ich möchte, dass die Zuschauer beim Entstehen von Gedanken dabei sein können. Ist das eine Art Salon?


Jetzt fällt das Stichwort für eine Rolle, die Sie derzeit im Akademietheater spielen: Jeléna Andréjewna in „Onkel Wanja“ ist eine Salondame. Sind das Ihre künftigen Parts?

Jeléna ist eine Salondame ohne Salon, da sie aus Geldgründen mit ihrem Mann aufs Land ziehen musste. Meine künftigen Rollen werden hoffentlich wie bisher immer sehr gemischt und nicht auf ein Fach festgelegt sein. Aber was die Salonlöwin betrifft: Dass es dieses Genre heute kaum noch gibt, ist traurig. Ich finde sie toll, solche Damen gehören doch in diese Stadt! Früher habe ich ja sehr oft Männerrollen gespielt. Ich mag jetzt auch sehr das Weibliche. Das war mir total neu und ist mir anfangs schwergefallen.


Wie finden Sie sich mit der Sprache in Wien zurecht. Ist Sie Ihnen noch fremd?

Sicher. Deutsch und Österreichisch sind nur scheinbar eine gemeinsame Sprache. Man bildet sich ein, alles zu verstehen, es stimmt aber nicht. Das österreichische Deutsch klingt viel weniger zackig. Auch die Sprache, die ich aus meiner Schulzeit in Köln kenne, ist ziemlich verschmiert. Das macht mir das Wienerische oft vertraut, und auch das unendlich Derbe, das dazugehören kann. Mich schockiert schon die Hälfte, die ich überhaupt verstehe.


Als Schauspielerin ist für Sie die Arbeit an der Sprache ohnehin wesentlich. Könnte man nicht behaupten, Sie übersetzen einen Text von Jelinek oder Kleist auf die Bühne?

Als Schauspieler muss man ständig Übersetzungsarbeit machen. Diese süddeutschen Sprachen sind sehr verschieden. Einmal ist es Jelinek, dann wieder Nestroy oder ein Übersetzer von Shakespeare. Ich muss mir verschiedene Sprachkleider anziehen, diese Texte so in den Mund kriegen, dass sie natürlich klingen, was an sich widersinnig ist, weil es eine unnatürliche Tätigkeit ist. Wir machen ja kein Improvisationstheater.


Nicht einmal bei so wilden Autoren oder Regisseuren wie René Pollesch?

Da ist gar nichts improvisiert, das wirkt nur so. Nur der Prozess bei den Proben ist improvisiert. Bei „Das purpurne Muttermal“ haben wir die Schlussszene bei der Premiere das erste Mal gespielt, aber als eine Ausnahme, und am Text war nichts improvisiert.


Ihre Eltern hatten intellektuelle Berufe. Wie kamen Sie denn dann zum Theater?

In unserer Patchwork-Familie hatten meine älteren Geschwister das Erwartbare schon gemacht, sie hatten studiert. Ich bin nicht in Konkurrenz mit ihnen getreten, sondern habe mich komplett entzogen, indem ich etwas völlig anderes gemacht habe. Es war ganz einfach: Meine Großmütter, die Eltern waren alle dramatisch begabt, so wie meine Geschwister. Dass einer von uns dies irgendwann professionalisieren werde, fanden alle irgendwie naheliegend. Niemand hat ein Wort darüber verloren, ob man mit so etwas überhaupt Geld verdienen kann. Kommt mir das jetzt gerade zu sorglos vor?


Hoffentlich nicht!

Meine Eltern haben uns von früh an hemmungslos ins Theater geschleppt. Das war für uns Kinder nicht immer toll. Neun Stunden Aufführung von Robert Wilsons „Civil Wars“ etwa. Ich war neun – ein physischer Albtraum.


Begonnen haben Sie an der Schauspielschule in Saarbrücken. Wie war dieser Anfang?

Gar nicht mühelos. Ich musste an vielen Schulen vorsprechen. Mein Lehrer war Detlef Jacobsen. Von dem fühlte ich mich sehr gut erzogen, was den Theatergeschmack und die Betrachtungsweisen betrifft, das gilt bis heute.


Hatten Sie jemals Zweifel am Beruf?

Krisen gibt es immer, eigentlich vor und nach jeder Premiere. Aber wenn ich dann  darüber nachdenke, was ich stattdessen machen sollte, fällt mir gar nichts ein. Und gleich geht es wieder zurück ins Theater! Schlimm finde ich es, wenn man etwas als gut empfindet, aber die Leute mögen es nicht. Noch schlimmer ist es nur, wenn man selbst etwas nicht mag, und es wird bejubelt. Dann sagt man sich: „Ja wenn der Geschmack so ist, dann kann ich nie wieder was machen!“ Und man altert die ganze Zeit, da kriegt man allein deshalb mit sich die Krisen und fragt sich: „Wie soll ich da denn in welches Klischee wieder reinpassen?“ Für die Männer wird es mit dem Alter nicht schlechter, was die Auswahl an Rollen betrifft. Die Jahre einer Frau zwischen 38 und 40 aber können sehr viel länger als gedacht sein, habe ich einmal gehört. Ich verstehe das so, dass man an diesem Alter so lange wie möglich hängen bleiben sollte. Die Rollen danach sind nämlich weder zahlreich noch ruhmreich.


Was eint eigentlich die Regisseure, mit denen Sie oft zusammenarbeiten? Pollesch und Luc Bondy sind doch recht verschieden.

René und Luc eint, dass sie beide sehr extrem sind. Man weiß genau, was sie interessiert, sie wissen auch genau, was sie nicht wollen. Diese Regisseure interessiert keine Mode, und sie haben auch Humor, etwas Spielerisches. Ich finde es viel einfacher, mit Regisseuren zusammenzuarbeiten, die vollkommen klar sind. Das sind Künstler, die, wenn sie einmal nicht gefragt sind, nicht ihre Arbeit ändern, sondern darauf vertrauen, dass die Nachfrage sich wieder ändern wird.


Mögen Sie Premieren?

Die sind krampfig. Da sitzen die Kritiker drin, die Menschen mit Freikarten, Freunde und Bekannte, die bei mir automatisch Jubelverpflichtung haben. Werde ich ihnen trotzdem auch was bieten? Ich bin schon froh, wenn es sich nicht total verkrampft. Die zehnte Vorstellung aber ist oft schön, wenn einem alles nur so zufliegt.


Was ist Ihr Traumstück?

Ich liebe Komödien, die mich berühren, die zugleich auch entsetzlich traurig sind wie Strindberg. Bei Strindbergs „Vater“ lache ich mich tot. Ich liebe das Schwarze, die Verzweiflung, die einen so schreien lässt, dass man schon wieder lachen muss. Wenn ich hingegen Tragödien im Theater sehe, mache ich sofort zu. Je größer die Pose, desto peinlicher ist es für mich, schon beim Anschauen. Da muss schon eine wie die Callas sein, damit ich ihr in eine richtige Tragödie folgen kann.


Kommen wir aber zu einem richtigen Traum von Ihnen, werden Sie ganz konkret.

Beckett, sein „Warten auf Godot“, und da dies Frauen nicht erlaubt ist, etwas ganz anderes: Ich würde gern mal in einem Re-Enactment einer Regiearbeit aus der „guten alten Zeit“ spielen, in so einem Kortner oder Fehling, nach Regiebuch originalgetreu nachgebildet. Wir würden dazu singen wie Alexander Moissi oder Oskar Werner, das verloren gegangene Burgtheater-Deutsch neu erfinden, dazu Männer in Strumpfhosen und Frauen in Kleidern, in denen sie sich kaum bewegen können. Wir würden ruhig stehen und fest deklamieren, auf dieser gewaltigen Bühne! ?

Frau Peters,
darf man Sie
auch fragen . . .


1 . . . was Sie denn am liebsten machen, wenn Sie nicht als Schauspielerin arbeiten?
Nichts. Ich finde Langeweile dann äußerst entspannend. Ich mag den Oblomow. Der ideale Tagesablauf für mich: Baden. Noch mal baden? Oh, es ist schon dunkel! Ich glaub', ich geh jetzt ins Bett. Wenn man diesen Punkt im Urlaub erreicht hat, kann man wieder zu arbeiten anfangen.
2 . . . ob es einen Klassiker der Literatur gibt, den Sie eigentlich abgrundtief hassen?
Ich hasse überhaupt das klassische Repertoire! Es geht zu wie in der Oper. „Hamlet“ im Vergleich zu einem anderen „Hamlet“ – mehr nicht. Also gut, ich nehme das zurück. Um vieles würde es einem leid tun.
3 . . . wie wichtig Ihnen die Freundschaft ist, was Ihnen dieser Wert  bedeutet?
Sehr viel. Bei Freundschaften bin ich, um Luc Bondy zu zitieren, Stalinist. Man muss die Freunde einfach aushalten, auch in schlechten Phasen. Man muss durch vieles durch, um eine Freundschaft zu bewahren.

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