Das Ende des Wiener Zigarrenklubs

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bdquoEin grosses altmodisches Kleidldquo(c) APA
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Networking. Saskia Wallner schließt nach fast 15 Jahren den Zigarrenklub. Einst trafen sich hier die Mächtigen. Über das Ende einer Wiener Institution.

Wer immer schon einen Humidor haben wollte – es gäbe jetzt Gelegenheit, einen gebraucht zu erstehen, noch dazu einen mit Geschichte: jenen des Wiener Zigarrenklubs. Denn der Klub schließt, und noch bevor er heute Abend mit einer Party seinen Abschied feiert, denkt Saskia Wallner, Geschäftsführerin der Agentur Ketchum Publico, schon über die Veräußerung des Nachlasses nach. Wie viel, überlegt sie, wäre denn so ein Zigarrenkasten wert?

Es ist das Ende einer gesellschaftlichen Institution. 15 Jahre ist es her, dass Wolfgang Rosam als Chef der PR-Agentur Publico den Zigarrenklub ins Leben rief – nach Vorbild eines englischen Herrenklubs für (potenzielle) Kunden, in dem auch Damen stets ein und aus gingen. Wobei sich hochkarätige Sprecher als probates Zugpferd erwiesen, um die gediegenen Räume in der Neulinggasse 37 in Wien-Landstraße mit ihren roten Wänden und grünen Chesterfield-Sofas, ihrer schwarzen Bar und ihrem „heißen Stuhl“ zu füllen. Als „Club 45 für Anständige“ wollte Rosam seinen Klub dabei nie bezeichnet wissen. „Wir tun hier nicht Schifferlversenken. Aber Geschäfte werden sicherlich angebahnt“, sagte er einmal. Der Zigarrenklub wurde zu einem Treffpunkt der Entscheidungsträger aus Wirtschaft, Politik und Medien, es kamen Topmanager und Minister aller Couleurs mit ihrer Entourage, er war politisches Forum und Ort für vertrauliche Gespräche gleichermaßen. Vor Wahlen herrschte volles Haus, wenn die einzelnen Spitzenkandidaten eingeladen wurden.

Rückblickend, glaubt Saskia Wallner, mit der Rosam 1998 just im Zigarrenklub ihr Vorstellungsgespräch führte, hatte der Klub Mitte der 2000er-Jahre seinen Höhepunkt. „Goldene Jahre“ seien das gewesen. Heute hat der Klub nicht nur längst Konkurrenz durch ähnliche Zirkel und Veranstaltungsreihen bekommen, auch die Rahmenbedingungen seien andere. Der Zigarrenklub sei „unbestritten sehr schön“ und einst eine Königsidee gewesen, sagt Wallner, aber sie habe in den vergangenen Monaten festgestellt, dass er mit seiner „unglaublich maskulinen Semiotik nicht mehr zu uns und in die Zeit passt“. Die Idee, „dass Männer zusammensitzen, rauchen und sich etwas ausmachen“, sei passé. „Die Welt, die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Identität unserer Agentur haben sich verändert.“

Schmerzen und Turbulenzen

Im Jahr 2010 hat Wallner, frisch aus der Karenz, als alleinige Geschäftsführerin die Agentur übernommen, die nunmehr unter dem Dach der internationalen PR-Firma Ketchum firmierte. Ein Übergang, der „mit mehr Schmerzen und Turbulenzen verbunden war, als ich dachte“, sagt Wallner heute.

Team und Ausrichtung sind mittlerweile neu, und der Zigarrenklub strahle nicht gerade die „frische Luft und Kreativität“ aus, die sie sich wünscht. Auch bei manchen Gästen vermisst Wallner, eine sprudelnde Juristin mit stark internationaler Ausrichtung, Lust auf Neues. „Wenn ein Minister kommt, sind wir voll. Wenn wir einen tollen Social-Business-Investor haben, kommen vielleicht 20 Leute.“ Resümee: „Für die heutige Agentur ist der Zigarrenklub wie ein zu großes, altmodisches Kleid.“

Weshalb er heute Abend verabschiedet werden soll, nachdem Wallner weder weiter „Reichsverweser“ spielen will noch interessierte Nachfolgebetreiber gefunden hat. Geplant sei eine „coole Party“, bei der jeder auf dem „heißen Stuhl“ der bisherigen Vortragenden fotografiert wird, die letzten Bestände verraucht werden, ein paar Inventarstücke sollen für einen guten Zweck versteigert werden. Anfang Jänner zieht die Agentur dann in die Guglgasse beim Gasometer, von wo aus Wallner eine neue Reihe aufziehen will, ein Pop-up-Format an unterschiedlichen Locations und mit internationalen Sprechern, die sie nach ihren besten Ideen befragen will.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2012)

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