Zweite Ehrendoktorwürde für Carl Djerassi

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Nach der Uni Wien hat nun auch die Medizinische Uni die „Mutter der Pille“ zum Ehrendoktor ernannt. Eine späte Würdigung seiner Geburtsstadt, wie Carl Djerassi fand.

Stimmt schon, sagt Carl Djerassi, es stimmt schon, dass just seine Geburtsstadt Wien seine wissenschaftlichen Leistungen spät zu würdigen gewusst hat. Als die Uni Wien die „Mutter der Pille“, wie Djerassi sich selbst einmal bezeichnet hat, im Juni zum Ehrendoktor ernannte, konnte Djerassi nicht umhin, Friedrich Schiller zu zitieren: „Spät kommt Ihr – doch Ihr kommt!“

Denn zu diesem Zeitpunkt hatte der Miterfinder der „Antibabypille“ (er mag diesen Ausdruck nicht, es impliziere, dass Babys generell nicht erwünscht seien) schon zwei Dutzend Ehrendoktorate in aller Welt verliehen bekommen. Am Mittwoch folgte dann die zweite Ehrung in diesem Jahr: die Medizinische Universität hat Djerassi (89) ebenfalls zum Ehrendoktor ernannt. Eine logische Weiterentwicklung nach der Verleihung an der Hauptuni, wie Rektor Wolfgang Schütz sinngemäß meinte. Die Vizerektorin Christiane Druml hat es dann so formuliert: „Sie haben nicht nur das Leben von Millionen von Frauen, sondern auch die Gesellschaft verändert.“

Zu Wien hat Djerassi ein ambivalentes Verhältnis. Seit einiger Zeit lebt er vier Monate im Jahr wieder hier, „Heimat“ kann er die Stadt jedoch nicht nennen. Die Narben sind zu tief, eine ganzheitliche Versöhnung nicht möglich, wie er sagt. Djerassi wurde in eine jüdische Arztfamilie geboren und 1938 von den Nazis vertrieben.

Zumindest seien seine Gefühle für dieses Land nicht mehr dieselben wie noch vor 20Jahren. Es finde nunmehr eine Auseinandersetzung mit der jüngeren Vergangenheit statt – und als sein Sohn und seine Stieftochter kürzlich nach Wien kamen, habe er ihnen nicht ohne Stolz seine Geburtsstadt gezeigt.

Derzeit lebt Djerassi sein zweites Leben – als Schriftsteller. Nächstes Jahr wird sein Buch „Der Schattensammler. Die allerletzte Autobiografie“ erscheinen. Freilich werde er weiterhin literarisch aktiv sein. Auch wenn seine Theaterstücke in Wien kaum aufgeführt würden. Vermutlich gilt auch hier: Die Ehrung wird spät kommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2012)

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