Nachhilfe für Kinder, die es sich nicht leisten können

Stefan Unterberger hat bei der Wiener Lerntafel seit 2010 insgesamt 500 Kindern gratis Nachhilfe gegeben, 200 Freiwillige helfen dabei.

Fast könnte man meinen, Stefan Unterberger macht das für sich selbst. „Es hat mich immer schon sehr befriedigt, gemeinnützige Arbeit zu leisten“, sagt er etwa. Oder: „Es macht mich einfach glücklich, das zu tun.“ Und natürlich hat er von seiner Arbeit als Initiator der Wiener Lerntafel auch etwas: das gute Gewissen zum Beispiel. Aber die anderen – also die Schulkinder, die dort Gratisnachhilfe erhalten – haben wohl noch ein bisschen mehr davon.

Etwas nämlich, das vielen ihrer Altersgenossen wie selbstverständlich zur Verfügung steht, den Kindern der Lerntafel aber nicht. Schlicht aus dem Grund, weil sie in armutsbetroffenen Familien leben oder Eltern haben, die selbst kaum einen Pflichtschulabschluss haben. Für Unterberger, der zuvor schon bei der Wiener Tafel und beim WWF tätig war, ist aber genau das, also die Bildung, die einzige Möglichkeit, diese Spirale zu durchbrechen. Die Idee, Kinder aus finanziell oder sozial benachteiligten Familien beim Lernen zu unterstützen, hatte Unterberger schon länger. Ausschlaggebend war dann aber eine Studie, die die Ungerechtigkeit beim Zugang zur Bildung deutlich machte.


Schlechte Noten bei gleicher Leistung. „Es gibt eine Studie von Günter Haider, dem PISA-Chef, die belegt, dass Kinder aus armutsbetroffenen Familien oder Kinder, deren Eltern nur einen Pflichtschulabschluss haben, für die gleiche Leistung schlechtere Noten bekommen“, sagt Unterberger. „Für die gleiche Leistung!“ Hinzu kam die relativ hohe Quote an armutsbetroffenen Menschen in Wien. „Das hat mich auf die Idee mit der Lerntafel gebracht.“ Das war im Jahr 2009. Im März 2010 wurde der Verein gegründet. Gestartet hat man im Jänner 2011 mit fünf Kindern und zwei Lehrern. Heute geben rund 100 Lehrende rund 200 Kindern Nachhilfe – im Einzelunterricht.

Das Prinzip der Lerntafel ist einfach: In den Genuss kostenloser Nachhilfe kommen nur Kinder aus jenen Familien, die nachweislich armutsbetroffen sind. „Das wird genauso überprüft wie auch am Sozialamt“, so Unterberger. In der Praxis bedeutet das, pro Kopf dürfen in der Familie nicht mehr als 450 Euro zur Verfügung stehen. „Bei einer vierköpfigen Familie sind das 1800 Euro netto“, erklärt Karin Tikovits, die Leiterin des Lernzentrums.

Auf der anderen Seite stehen jene Menschen, die den Kindern, die zwischen sechs und 14 Jahren alt sind, beim Lernen helfen. Aufnahmeprüfung dafür gibt es keine, lediglich bei einem Gespräch wird geklärt, ob und warum man helfen will. „Es gibt viel mehr Menschen, als man glauben würde, die gern etwas für andere tun.“

Bedarf gibt es jedenfalls: Bis März 2013 ist die Lerntafel ausgebucht. Mittlerweile wurde auch ein zweites Projekt ins Leben gerufen. Eines, bei dem Gymnasiasten jüngeren Schülern beim Lernen helfen. „Man glaubt gar nicht, wie sehr beide Seiten davon profitieren.“ Kritik am Projekt gibt es dennoch: etwa jene, dass es Aufgaben des Schulsystems übernimmt. Unterberger sieht das gelassen: „Das stimmt, aber die Kinder brauchen jetzt Hilfe.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2012)

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