Schäfer-Elmayer: "Privat bin ich nicht vorhanden"

SchaeferElmayer Privat nicht vorhanden
SchaeferElmayer Privat nicht vorhanden(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Thomas Schäfer-Elmayer erklärt im "Presse"-Interview den nötigen Personenkult und wie er mit zwei Stunden Schlaf auskommt. Er erzählt auch vom schmerzhaften Abschied von seiner ersten Karriere.

Sie sind seit 25 Jahren im Amt, haben mit 66 das gesetzliche Pensionsalter überschritten – bei einem Politiker würde man fragen, ob er nicht langsam an einen Rücktritt denkt.

Thomas Schäfer-Elmayer: Rücktritt? Rücktritt ist ja etwas sehr Negatives. Sich zur Ruhe setzen – das hätte ich, glaube ich, längst verdient, denn ich habe ja schon als Teenager gearbeitet, im Unternehmen meiner Eltern. Keine Ahnung, auf wie viele Jahrzehnte Arbeit ich schon zurückblicken kann. Aber – vielleicht weil ich das so gewöhnt bin – ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, mich zur Ruhe zu setzen.

Gerade jetzt in der Ballsaison absolvieren Sie ja ein unglaubliches Pensum an Terminen.

Die Ballsaison wäre nicht so schlimm, wenn nicht der ganze Rhythmus aus dem Gleichgewicht käme. Das Problem ist: Wenn man eine Publikumsquadrille ansagt, muss man ja die Leute mitreißen, und da ist man hinterher ziemlich aufgedreht. Ich kann nicht einfach nach Hause gehen und mich schlafen legen. Ich muss da erst wieder irgendwie runterkommen. Und da ich ein Frühaufsteher bin, schlafe ich in der Ballsaison relativ wenig.


Wie wenig denn?

Zwei, drei Stunden pro Nacht ungefähr. Das habe ich mir früh angewöhnt, bei meinen internationalen Reisen habe ich ja pausenlos Jetlag gehabt. In Japan habe ich Inemuri gelernt, Powernapping. Das mache ich natürlich schon, sonst würde ich es nicht durchstehen.


Aber Sie wollten nie zurückschalten?

Nein. Aber selbst wenn ich das Bedürfnis hätte, kann ich mir nicht gut vorstellen, wie das so leicht funktionieren würde. Natürlich muss ich irgendwann aussteigen aus dem Business. Aber diese Zeit, hoffe ich, ist noch lange nicht gekommen. Der richtige Zeitpunkt ist dann, wenn man nicht mehr gewünscht ist. Den muss man natürlich erkennen. Und das wird vermutlich, je später es wird, umso schwerer zu akzeptieren. Weil man schon so daran gewöhnt ist. Und weil es einem die Leute wahrscheinlich nicht ins Gesicht sagen.

Haben Sie schon überlegt, einen Nachfolger aufzubauen? Haben Ihre Kinder Interesse?

Von den Kindern glaube ich nicht, dass die das je machen werden. Gut, ich war auch auf einer völlig anderen Schiene unterwegs, also wer weiß? Aber ich baue jedenfalls nicht auf die Kinder, sondern habe ein wirklich tolles Team in der Tanzschule. Die PR- und die Seminarschiene sind die beiden, die darunter leiden würden. Ich habe ja gedacht, als ich nach Wien gekommen bin, dass ich mit diesem Personenkult aufhöre. Aber es ist nicht möglich. Die Menschen wollen einfach jemanden haben, der diese Tanzschule verkörpert.


Haben Sie gezögert, 1987 mit gut 40 ins Familienunternehmen einzusteigen?

Ich habe es nie vorgehabt. Auch wenn mein Großvater im Testament diesen Wunsch geäußert hat. Ich war ja zwei Jahre lang Assistent bei ihm. Dann ist er gestorben, und ich bin 20 Jahre ins Ausland gegangen, Studium und Arbeit. Dann kam plötzlich diese Frage von meinem Vater, der sich zur Ruhe setzen wollte. Ich habe fast ein Jahr für die Entscheidung gebraucht.

Was hat dagegen gesprochen?

Dass ich ja in der deutschen Industrie eine sehr, sehr erfolgreiche Karriere gemacht habe. Dass außerdem dieses Gebiet, in dem ich tätig war, sehr spannend war – absolute Hightech, hochreine Metalle –, und ich war wahrscheinlich auf der Welt derjenige, der am besten Bescheid wusste. Dementsprechend war es schon sehr schmerzhaft für mich, dieses Baby zu verlassen. Der zweite Grund war, dass sich damit auch meine Ehe in Wohlgefallen auflöste und meine Familie in Deutschland blieb. Was wirklich den Ausschlag gegeben hat, nach Wien zu gehen, ist die Tatsache gewesen, dass es so etwas wie die Wiener Balltradition und die Tanzschule Elmayer auf der ganzen Welt nirgends gibt. Und dass sich dafür einzusetzen dem Leben doch einen gewissen Sinn gibt.


Hat Ihr Großvater Sie beeinflusst?

Ich bin ja in Vorarlberg aufgewachsen, aber der Einfluss war stark in Bezug auf Umgangsformen, Etikette.

Haben Sie sich nie dagegen aufgelehnt?

Aufgelehnt kann man nicht sagen, weil ich das schon immer als wichtig empfunden habe. Aber wenn Sie mit sechs, sieben Jahren schon einer Dame die Hand küssen sollen – das war dann schon so, dass ich, wenn ich irgendwie konnte, nicht aufzufinden war. Aber zu meinen Eltern habe ich ein unheimlich gutes Verhältnis gehabt. Sie haben mir sehr viel Freiheit gegeben.


Wie haben Sie selbst Ihre Kinder erzogen?

Wenig, weil ich ja so viel unterwegs war. Das hat hauptsächlich meine Frau gemacht, das muss man schon sagen. Und sehr streng, für meine Begriffe zu streng. Aber aus beiden ist etwas Ordentliches geworden.

Die Arbeit war Ihnen offenbar immer schon wichtig – auch auf Kosten der Familie?

Ursprünglich hatte ich eine völlig andere Einstellung zur Arbeit. Ich habe ja miterlebt, wie meine Eltern Tag und Nacht gearbeitet haben, um ihre kleine Firma aufzubauen. Sie haben in Vorarlberg mit Textilrohstoffen und Textilmaschinen gehandelt. Ich habe mir gedacht, das möchte ich nie. Und bin deshalb zu so großen Konzernen gegangen und habe dann, speziell in Südafrika, eine ziemlich ruhige Kugel geschoben. Dann kam 1973 die erste Ölkrise, und auf einmal musste dieser Konzern, der vorher nicht wusste, wohin mit dem Geld, sparen. Und ich habe plötzlich erlebt, wie mit Menschen in solchen Situationen umgegangen wird. Ich wollte nicht, dass mir das passiert. Das hat diese fundamentale Wende gebracht. Priorität hatte nur noch die Arbeit. Von dem Zeitpunkt an hat meine Familie nicht mehr sehr viel von mir gesehen. Zum Beispiel hat mir meine Frau einmal Ende März im Badezimmer einen Zettel hingepickt: „Von den 90 Tagen dieses Jahres warst du an drei da.“ Und da habe ich keine einzige Weltreise gemacht, bin nur zwischen den einzelnen Standorten in Europa herumgependelt.


Das hat Ihnen nicht zu denken gegeben?

Man ist so drinnen, dass ich geradezu süchtig gewesen bin. Wenn ich einmal eine Woche im Büro war, dachte ich, ich müsse dringend wieder in den Flieger. Ich bin gern überall herumgeflogen. Gesehen habe ich natürlich viel, aber daneben sind meine Kinder ohne mich aufgewachsen.

Viel anders ist es auch heute nicht, oder?

Das hat sich nicht geändert. Obwohl ich nicht in Tokio sitze, sondern in Wien – aber im Prinzip bin ich privat nicht vorhanden.


Trotz allem strahlen Sie immer eine freundliche Gelassenheit aus. Sehen Sie gern das Gute im Menschen?

Ich bemühe mich, das noch mehr zu tun. Ich habe die absolut beste Managerin, die mir in meinem Leben über den Weg gelaufen ist, in Wien kennengelernt. Sie war eine 84-jährige Dame, die eine große karitative Organisation geleitet hat. Und bei der ich nie erlebt habe, dass sie irgendjemanden kritisiert hätte in ihrem Team. Sie hat immer gelobt, die Leute haben sich für sie zerrissen. Ich habe mir immer gedacht: Wie schafft die das? Wenn ich in meine Tanzschule komme, und da brennen fünf Glühbirnen nicht – das ist meine Spezialität –, dann kann ich schlecht sagen: Schön, dass ihr Energie sparen helft. Es ärgert mich.

Wie würden Sie Ihre Lebensphilosophie beschreiben?

Eines meiner wichtigsten Ziele ist Zufriedenheit. Es kann mir doch völlig egal sein, ob jemand sehr reich ist oder sehr wenig arbeitet, solange ich zufrieden bin. Ein wesentlicher Faktor ist auch, zu erkennen, was für mich Glück bedeutet. Und das ist bei mir offensichtlich: erfolgreich zu arbeiten. Sehr stark.


Was hält Sie in schwierigen Zeiten aufrecht?

Jetzt muss man auch einmal sagen, dass ich eine sehr tüchtige, starke Partnerin habe, die mir in den 20 Jahren, die wir schon beieinander sind, immer wieder sehr viel geholfen hat. Keine Ahnung, ob ich es ohne sie geschafft hätte.

Gibt es für Sie auch einen Gott?

Ich kann dazu nichts sagen, weil ich es einfach nicht weiß. Der Glaube, den manche Leute haben, der fehlt mir.

War das jemals ein Thema für Sie?

Sehr intensiv. Mit allen möglichen Religionen, ich habe mir alles sehr genau angeschaut. Und dann, vielleicht auch dank der Arbeitsflut, das Ganze ad acta gelegt. Ich glaube, wir sind so winzig in diesem Universum, dass wir solche Dinge gar nicht begreifen können.

Steckbrief

1946
wurde Thomas Schäfer-Elmayer in Zell am See geboren und wuchs großteils in Vorarlberg auf. Er studierte Welthandel in Wien und St. Gallen und arbeitete danach in der Chemiebranche für Ciba-Geigy als Manager in Basel und Südafrika. Danach wechselte er in die Metallbranche und zog ins Rheinland.

1987
übernahm er von seinem Vater die Wiener Tanzschule Elmayer. Sein Großvater, der Offizier Willy Elmayer-Vestenbrugg, hatte sie 1919 gegründet. Da er kinderlos geblieben war, adoptierte er Diether Schäfer-Elmayer, der sie weiterführte.

1991
veröffentlichte Thomas Schäfer-Elmayer sein erstes Benimm-Buch. Der Vater zweier Kinder ist inzwischen geschieden. Heute lebt er seit 20 Jahren in einer neuen Partnerschaft.

Am 12.Februar2013
lädt er zu seinem 25.Elmayer-Kränzchen in die Hofburg.


1. . . wann Sie sich zuletzt daneben benommen haben?
Ich fürchte, ich benehme mich ziemlich häufig daneben, weil immer wieder Fehler passieren. Zum Beispiel stellte ich bei Le Grand Bal am Montag die Ehrengäste auf und rief dann Namen auf, die mir zwar bekannt waren – die ich aber nicht in Verbindung bringen konnte mit den Personen, die da waren. Ich kann mir Namen nicht merken. Es ist zum Verrücktwerden. 2. . . ob Sie manchmal gern jemand anders wären?
Anonym zu sein wäre manchmal ganz schön. Aber daran habe ich ja hart gearbeitet, dass das nicht der Fall ist.3... ob Sie je bewusstseinserweiternde Substanzen probiert haben?
Außer Alkohol gar nichts. Meine erste und einzige Zigarette habe ich auf einer Skihütte geraucht. Ich war 16 und dachte: „Schmeckt gut, das fang' ich mir gar nicht erst an.“ Als Kinder haben wir im Wald Lianen abgeschnitten, getrocknet und geraucht, zum Angeben. Insofern hatte ich eine Vorprägung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.01.2013)

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