Helen Hunt: "Wir zeigen, wie Sex wirklich ist"

Helent Hunt zeigen wirklich
Helent Hunt zeigen wirklich(c) REUTERS (MARIO ANZUONI)
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Schauspielerin und Regisseurin Helen Hunt spricht im Interview mit der "Presse" über ihren neuen Streifen "Sessions. Wenn Worte berühren" und die Überinszenierung von Sex in Filmen.

Der schwer kranke Schriftsteller Mark O'Brien (John Hawkes), der vom Hals abwärts gelähmt ist, will um jeden Preis seine Jungfräulichkeit verlieren und engagiert die Sextherapeutin Cheryl Cohen-Greene (Helen Hunt). Dass der Film „Sessions. Wenn Worte berühren“ (seit 3.Jänner im Kino), der auf einer wahren Begebenheit beruht, trotz seines Themas so bezaubert, liegt vor allem an der Darstellung von Oscar-Preisträgerin Helen Hunt als Sextherapeutin. Die 49-Jährige im Interview:

„Sessions“ ist kein Film, den man halbherzig machen kann. Gerade Ihnen wurde viel abverlangt. Was ging in Ihnen vor, als Sie das Drehbuch gelesen haben?

Helent Hunt: Ich fand die Geschichte einfach schön. Und das gibt es so gut wie nie. (lacht) Gute Skripts sind schwer zu schreiben. Daher sagte ich zu, bevor ich überhaupt anfing, mir den Kopf zu zerbrechen, ob mir die Rolle schwerfallen könnte. Ich wusste, dass John Hawkes dabei ist, und man hoffte, William Macy ins Boot zu holen. Ich konnte also sicher sein, dass ich mit Weltklasseleuten arbeiten würde.

Ihre Figur hat keine Probleme mit Nacktheit und Sex. Wie sieht das bei Ihnen aus?

Ich bin nicht ganz so frei im Umgang damit. Aber als ich mit der Frau darüber sprach, die die Vorlage zu meiner Figur ist, sagte sie mir, dass sie sich auch nicht immer so wohl in ihrem Körper fühlte. Wie so viele Frauen fand sie sich zu dick oder nicht wohl proportioniert. Aber sie hat diese Zweifel überwunden. Also dachte ich mir, wenn ich mich dabei etwas unwohl fühle, mich auszuziehen, muss ich das nicht verstecken. Denn diese Frau muss ja auch schauspielern und etwas überspielen, um ihrem Patienten das Gefühl zu geben, dass alles bestens ist und er sich entspannen kann.

Was ist der Unterschied zwischen einer Prostituierten und einer Sextherapeutin? Sogenannte Sexersatzpartner („sex surrogates“) arbeiten in den USA tatsächlich als Therapeutinnen.

Im Film erkläre ich es sehr elegant, mal sehen, ob ich es jetzt hier auf den Punkt bringen kann: Eine Prostituierte hofft, dass sie Profit aus dem Geschäft schlägt, eine Sexersatzpartnerin hofft, ihren Kunden auf einen Weg zu führen, auf dem er ein erfülltes Sexualleben haben kann.

Haben Sie vor dem Dreh die echte Cheryl Cohen-Green gesprochen, die den Schriftsteller Mark O'Brien zu seiner Erzählung „Wie ich eine Sexersatzpartnerin traf“ inspiriert hat?

Ja, Cheryl habe ich lange vor Drehbeginn getroffen. Sie kommt auch etwas lauter daher, als man vielleicht angenommen hätte, das mochte ich. Als wir uns trafen, dachte ich, was kommt da wohl gleich für eine Person durch die Tür? Irgendwie erwartet man automatisch eine Nutte. Dass dann so eine lebhafte, laute, offene Frau auf einen zukommt und dir beibringt, was du nackt tun sollst, kommt etwas unerwartet. Aber es war gut. Denn auch der Patient sollte mit jemandem konfrontiert werden, der keine einfache Begleiterin auf dieser persönlichen Reise ist.

Waren Sie von ihr beeindruckt?

Sehr. Sie erzählte mir von jemandem, den sie als sexpositiv bezeichnete. Mir gefiel die Vorstellung, dass es Menschen gibt, die sexpositiv sind. Darunter versteht sie eine positive Einstellung zu Sex. In Filmen wird Sex ja gern überinszeniert: Das Licht ist dämmrig, die Unterwäsche wird fallen gelassen, Hände grabschen in Ekstase – irgendwie wirkt es künstlich, als ob man etwas versteckt und sich schämt. Hier zeigen wir, wie Sex wirklich ist, jenseits all dieser gängigen Klischees.

Hat sich durch diese Rolle Ihre eigene Sicht auf Sexualität verändert?

Als ich den Film selbst sah, war ich angenehm überrascht, weil die Sexszenen nicht so seltsam wirken wie sonst. Dieser Film zeigt uns, wie es sein könnte, wenn wir all unsere Vorurteile, Ängste und Scham über Sex 90 Minuten lang vergessen würden.

Sie waren früher in der Comedyserie „Verrückt nach dir“ zu sehen. Wie kam es, dass Sie zum Drama wechselten?

Wissen Sie, Schauspieler haben eigentlich selten wirklich die Wahl. (lacht)Mir fiel das Drehbuch für „Besser geht's nicht“ in die Hände, der Regisseur war mein Lieblingsregisseur, aber er wollte mich anfangs nicht für die Rolle. Bis dahin hatte ich im Kino nur „Twister“ vorzuweisen. Letztendlich ist es aber egal, ob man für das Kino, Theater oder Fernsehen arbeitet, ob Drama oder Komödie – man will die Möglichkeit haben, Worte zu sprechen, die man liebt, und mit Schauspielern zu arbeiten, die man respektiert. Dann ist alles gut.

Sie haben sich in den letzten Jahren sehr rar gemacht. Warum?

Es ist wirklich schwer, an richtig gute Rollen heranzukommen. Für Männer übrigens genauso wie für Frauen. Ich bin auch deswegen recht wählerisch, weil ich ein Leben führe, das ich sehr genieße. Ich liebe es, bei meiner zwölfjährigen Tochter zu sein.

Sie engagieren sich auch für Umweltthemen.

Ja, für Solarenergie. Das Unternehmen, das ich unterstütze, versucht, diese Form von erneuerbarer Energie auch wirtschaftlich reizvoll zu etablieren, damit sie möglichst langlebig zum Einsatz kommt. Das ist mein kleiner, aber sehr ernst gemeinter Beitrag zu dem Thema. Ich bin der Überzeugung, dass auch die kleinste Initiative zum Wandel beitragen kann.

Sie haben 2007 selbst Regie geführt, in „Then She Found Me“. Wie steht es mit einer zweiten Regiearbeit?

Hätten Sie zufälligerweise etwas Geld dabei, das Sie mir dafür geben könnten? (lacht) Ja, mein zweiter Film wird hoffentlich bald gedreht. Jeder weiß, wie schwer es ist, selbst einen kleinen Streifen finanziert zu bekommen. Aber die Chancen dafür stehen gut.

Die Nominierungen für die diesjährigen Oscars stehen kurz bevor – am 10.Jänner ist es so weit. Ihr Name wird dieser Tage heiß gehandelt. Beschäftigt Sie das?

Nein. Ich selbst habe ja keinen Einfluss darauf. Aber „Sessions“ ist ein Film, bei dem ich stärker denn je hoffe, dass er von vielen gesehen wird. Man wird sich stellenweise vor Lachen kaum halten können – was an Mark O'Briens gnadenlosem Humor liegt.

„Besser geht's nicht“ hat Ihnen 1998 einen Oscar als beste Hauptdarstellerin eingebracht. Würden Sie dieses Kunststück gern wiederholen wollen?

Aber klar. (lacht) Haben Sie vielleicht einen Oscar dabei?

1963
wurde Helen Hunt in Los Angeles geboren. Ihr Vater ist der Regisseur Gordon Hunt. Der Durchbruch als Schauspielerin gelang ihr 1992 mit der TV-Serie „Verrückt nach dir“, in der sie bis 1999 spielte.

1997
gewann sie für ihre Rolle der alleinerziehenden Kellnerin Carol in „Besser geht's nicht“ den Oscar als beste Hauptdarstellerin. Von 1999 bis 2000 war Hunt mit dem Schauspieler Hank Azaria verheiratet. Seit 2000 ist sie mit dem Produzenten Matthew Carnahan liiert. Sie haben eine gemeinsame Tochter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.01.2013)

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