Die Hipster sind tot, es leben die Hipster

Hipster sind leben Hipster
Hipster sind leben Hipster(c) EPA (Kirsty Wigglesworth)
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Die Subkultur, die eigentlich gar keine ist, hat nicht einmal einen ideellen Unterbau. So schnell werden die Menschen, die anders sein wollen und alle gleich aussehen, aber nicht verschwinden.

Mögen Sie Biomärkte, Filmfestivals, Reisen, NGOs, kleine Brauereien, Individualität und guten Kaffee? Vielleicht sogar noch enge Jeans, Holzfällerhemden, Bärte und Hornbrillen? Dann sind Sie im besten Fall uncool, im schlechtesten sogar tot. Genau dieses Schicksal wird dem Hipstertum – jener Subkultur, die eigentlich gar keine ist – seit ein, zwei Jahren nachgesagt. Immerhin hat man sich an den jungen Menschen, die sich selbst zwar nie als Hipster bezeichnen würden, dennoch aber sofort als solche erkennbar sind, langsam sattgesehen.

Das klassische Hipster-Outfit ist längst schon bei den großen Textilketten erhältlich und besteht in der Regel aus hochgekrempelten oder zu kurzen Röhrenjeans, karierten Holzfällerhemden, Hornbrillen, Turnschuhen und digitalen Armbanduhren. Von der Schulter baumelt eine Stofftasche mit möglichst ausgefallenem Schriftzug. Eine Hand ist fix mit dem iPhone verbunden, die andere hat Platz für abwechselnd Matetee, Espresso oder billiges Bier – in den USA ist die Marke „Pabst Blue Ribbon“ Pflicht. Alternativ darf es auch Bier aus einer kleinen Brauerei sein. Die Mädchen tragen langes, meist glattes Haar mit Pferdeschwanz, die Burschen Voll- oder Schnurrbart und die klassische Hipster-Frisur, den Undercut: seitlich kurz, in der Mitte länger.


Ästhetische Opposition. Eine ideelle Grundhaltung zu der äußeren Pose gibt es nicht, immerhin definiert sich der Hipster – im Gegensatz zu anderen jugendrelevanten Subkulturen – nicht über eine spezielle politische Einstellung, sondern als ästhetischer Oppositioneller und als rebellischer Konsument. „Hipstern geht es um das Gegenkulturelle, aber nicht in politischer, sondern in ästhetischer Hinsicht“, sagt der Jugendforscher Philipp Ikrath, der diese Subkultur genauer unter die Lupe genommen hat – auch das ein Hinweis, dass der Hipster wohl so hip nicht mehr ist.

Dazu kommt der kleine Schönheitsfehler, dass der Handel den Hipster längst als Trendsetter erkannt hat und auf diesen Zug aufgesprungen ist. Was natürlich die Sache ein bisschen ad absurdum führt. Einen Hipster erkennt man nämlich in erster Linie (auch) daran, dass er sich selbst niemals als Hipster bezeichnen würde. „Ich bin kein Hipster, ich bin einfach ich“, lautet oft die Standardantwort. Im Gegensatz zu anderen Jugendkulturen – auch wenn die Hipster meist etwas älter sind, zwischen 20 und 30 Jahren – hat es der Hipster nicht so mit der Zugehörigkeit. Das würde auch nicht zu seinem Drang nach Individualität passen. Allerdings verfügt dieser vermeintliche Nicht-Hipster über ein hohes subkulturelles Wissen, was ihn dazu veranlasst, über „die Hipster“ zu schimpfen – am liebsten natürlich im Internet, wo sich Seiten wie „Look at this fucking hipster“ über ebendiese lustig machen.


„Ich“ statt „Wir“. Sofern ein Hipster Werte hat, steht neben der Individualität die Selbstironie ganz oben. Ein bisschen Selbstverwirklichung darf es aber auch sein. Und der Hipster lebt – so will es das Klischee – von einem Job in der Medien- oder Kreativbranche, oder gern auch von den Eltern. Leistung ist zwar okay, aber nicht so wichtig. Mit der Solidarität hat es der Hipster noch weniger, passt ja nicht zur Individualität.

In New York ist der Hipster natürlich besonders früh aufgetaucht. Genau genommen hat er in den USA sogar ein paar Vorfahren, mit denen er aber nur noch wenig gemein hat (siehe Artikel unten). Dann kam London, Berlin und schließlich Wien. Überall dort, wo es akademische, junge Milieus gibt, fühlt er sich wohl.

In New York ist das Hipster-Bashing naturgemäß schon etwas weiter. Dort haben Künstler eigene Hipsterfallen aufgestellt. Inmitten einer klassischen Bärenfalle, wie man sie aus schlechten Filmen kennt, wurden da die Hipster-Utensilien aufgebahrt: ein analoger Fotoapparat, eine Hornbrille, Matetee oder Pabst-Blue-Ribbon-Bier, Tabak und Papers oder zumindest eine Packung American Spirits – ein Hipster würde nie Mainstream-Zigaretten rauchen – und eine Fahrradkette für das Fixie-Bike, das minimalistische Rennrad ohne Gänge und Bremse.

In Berlin hat man im Vorjahr das Hipstertum mit ein bisschen mehr Selbstironie und weniger Boshaftigkeit aufs Korn genommen und zu einer eigenen Hipster-Olympiade geladen, inklusive Wettkämpfen in den Disziplinen Stofftaschen- (oder, wie es dort heißt, Jutebeutel-)Sackhüpfen, Hornbrillen-Weitwurf und Röhrenjeans-Tauziehen.

In Wien ist das Bashing derzeit noch nicht über die verbale Ebene hinaus gekommen. Vom Tod des Hipsters ist aber auch bei uns schon länger zu lesen. Stellt sich nur die Frage, was als Nächstes kommt.


Turnsackerl statt Stofftasche.
So wurde auf dem Blog „Flavorwire“ diese Frage an acht Experten aus den Bereichen Kultur, Medien, Soziologie oder Marketing gestellt. Dabei stellt sich heraus: So wirklich tot ist der Hipster dann doch nicht. Wie auch, er war ja auch nie etwas Greifbares. Er ist Teil einer Subkultur, die keine ist. Er ist immer „die anderen“ oder immer nur er selbst. Derzeit sieht es eher danach aus, als würde sich der Hipster einfach neue Symbole suchen, die der Mainstream (noch) nicht entdeckt hat. Im Hinblick auf die ästhetische Opposition bedeutet das dann eben Einkaufsnetz oder Turnsackerl statt Stofftasche.

Subkulturen

Hipster 1950er
Bereits Mitte des letzten Jahrhunderts tauchten in den USA Hipster auf. Damit wurde eine weiße, avantgardistische Jugendszene bezeichnet, die sich mit der Verwendung der Codes der schwarzen Jazzszene vom weißen Mainstream abzuheben versuchte. Die Hipster der 1950er-Jahre zeichneten sich durch Zugehörigkeitsgefühl und musikalisches Insiderwissen aus.

Hipster 2000er
1999 tauchten in New York und Berlin erneut Hipster auf, die sich durch Symbole, die der weißen Unterschicht entlehnt wurden – Holzfällerhemd, Truckerkappe – vom äußerlichen Mainstream abheben möchten. Den neuen Hipstern ist Individualität und Selbstironie wichtig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.01.2013)

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