Ferdi Besim: „Der Teppich spricht zu mir“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Der Teppichhändler Ferdi Besim übergibt sein Geschäft am Wiener Graben an seinen Sohn Omar. Und kommt von den Teppichen doch nicht los.

Offenbar sind 58 Jahre genug. 1955, erzählt Ferdi Besim, hat er, mit damals 14 Jahren, im Teppichgeschäft seines Vaters zu arbeiten begonnen. Und bis heute ist er dem Geschäft treu geblieben, ist zu einem „der“ Teppichhändler der Wiener City geworden. „Teppiche gehören zu den ältesten Kunstgegenständen der Welt, seit mehr als 8000 Jahren. Nichts hat sich entwickelt wie der Teppich, und Teppiche wird es immer geben“, so erklärt er seine Faszination.

„Es sind unwiederbringliche Kulturgüter, wie dieser“, sagt er, und zeigt einen Teppich, wie er seit 1921 nicht mehr hergestellt wird. „Oder hier, ein Ikat-Muster, den Mustern der Samtstoffe der Turkmenen nachempfunden, die werden ein Hit“, sagt der lebhafte 72-Jährige und legt Teppich um Teppich auf. Oder, in der Ecke mit den antiken Stücken, einer, geknüpft 1897, frisch restauriert, aus dem Nachlass eines Malers. „Der Teppich spricht zu mir“, sagt er. Er brauche nur ein kleines Eck zu sehen, um Alter und Region anhand der Knoten, Farbe oder Muster zu bestimmen. „Der große Schrei, das sind derzeit turkmenische Teppiche, vermutlich, weil dort der Ursprung aller Teppichkunst liegt“, sagt er und führt durch die Geschichte der Perser, der Turkvölker, deren Wanderungen und vor allem der Teppiche.

Dabei sind Besims Wurzeln nicht so orientalisch, wie Name und Geschäft das vermuten ließen. Persische Wurzeln? „Null!“, sagt er, lacht und erzählt die Familiengeschichte, die klingt wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Sein Vater, Adolf Böhm, ist 1923 als junger Ingenieur ausgewandert, ließ sich in der Türkei nieder und heiratete eine Armenierin. Und aus Adolf Böhm wurde Adil Besim, wie sich der Wiener in Istanbul nannte. Der Name blieb, als er zurückkam und mit 150 Orientteppichen 1946 in der Naglergasse das Teppichgeschäft startete. Drei Jahre später wurde das Stammhaus am Graben eröffnet. Jenes Haus, in dem Ferdi Besim heute 5000 Teppiche lagert. Derzeit aber wird abverkauft, Ende März schließt Besim. Dann wird umgebaut und Ende April neu eröffnet – inklusive neuem Chef: Sohn Omar Besim, heute 45, arbeitet schon seit 23 Jahren im Familienbetrieb, übernimmt.

Und damit, so Besim, wird auch das Sortiment ein anderes. Moderner, jünger, hochwertiger. Designerteppiche, nach individuellen Vorlagen gestaltet. Stücke aus der Kollektion Cassida, zum Beispiel, deren Preise „schon dem Niveau eines Mercedes bis Porsche entsprechen“, sagt Besim.

Aber in Wien gebe es genug Menschen, die bereit seien, das zu zahlen. Bei Massenware könne er ohnehin nicht mit der Maschinenware der Möbelhäuser mithalten. Und schließlich sind seine Leidenschaft ohnehin die hochwertigen Teppiche aus handversponnener Wolle, gefärbt mit Naturfarben. Handgeknüpft, versteht sich.


Diesen Teppichen will er sich auch weiter widmen. Vorträge halten, als Gutachter arbeiten, ausgedehnte Einkaufsreisen unternehmen, „am besten“, sagt er, „fühle ich mich nämlich im Orient. In der Türkei, Persien, Afghanistan, Pakistan. Von der dortigen Kultur der Höflichkeit könnten wir viel lernen.“ Und so, sagt er, tue der Abschied nach so vielen Jahren auch nicht weh. „Die Beschäftigung mit den Teppichen hört ja nicht auf.“ Vielleicht sind 58 Jahre in diesem Fall doch nicht genug.

Auf einen Blick

Omar Besim, der Sohn des Teppichhändlers Ferdi Besim, übernimmt in wenigen Wochen den Familienbetrieb. Der 45-Jährige arbeitet schon seit 23 Jahren im Betrieb, er will das Haus am Graben umgestalten lassen, ebenso die Kollektion: Jünger, moderner, hochwertiger sollen die Teppiche werden. [Besim]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.