Jeremy Irons: "Ich brauchte das Geld"

Jeremy Irons brauchte Geld
Jeremy Irons brauchte Geld(c) EPA (SVEN HOPPE)
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Oscar-Preisträger Jeremy Irons ist derzeit in der Bestsellerverfilmung »Nachtzug nach Lissabon« zu sehen. Im Interview erklärt er, warum er sechs Jahre fast nicht gespielt hat, warum er es doch wieder tut – und wie er beim Drehen die Stadt erkundet.

Er ist der Bilderbuch-Gentleman unter den Schauspielern. Oscar-Gewinner Jeremy Irons (65) führt jetzt als Hauptdarsteller in der Bestsellerverfilmung „Nachtzug nach Lissabon“ gleich eine ganze Riege internationaler Schauspielstars an. Er spielt einen Schweizer Professor, der intuitiv einer Spur nach Portugal folgt und sich dabei mehr und mehr aus seinem Leben entfernt.

Ein Mann ändert von einem Moment zum anderen sein Leben komplett, als er in einen Zug nach Lissabon steigt. Ist so ein radikaler Ausstieg für Sie ein Faszinosum oder eher Alltag eines Schauspielers?

Jeremy Irons: Es stimmt, diese Parallele gibt es zwischen mir und der Hauptfigur: Ich besteige auch sehr oft Züge, die mich in ein neues Dasein führen. Aber trotz dieser Wechsel überprüfe ich mich regelmäßig, ob ich mit der Situation, in der ich mich gerade befinde, zufrieden bin. Ich habe in den letzten zwei Jahren fast durchgehend gearbeitet und Spiel- sowie Dokumentarfilme gedreht. Jetzt lege ich eine Pause von drei Monaten ein. Für mich ist das wichtig, um aufzutanken und meinen kreativen Appetit neu zu entfachen.

Haben Sie weitere Ähnlichkeiten mit Ihrer Roman- und Filmfigur?

Eigentlich bin ich das genaue Gegenteil von Raymond. Als ich jung war, hat mir die Vorstellung eines gängigen Berufslebens Angst gemacht. Das Konzept „Lehre, Beruf, Pensionierung“ konnte ich mir für mich nicht vorstellen! Dem wollte ich entgehen. Raymonds steriles, völlig lineares Dasein ist das, was meinem Leben völlig fehlt.

Sie haben bei „Margin Call“ erzählt, dass Sie überlegten, Ihren Beruf an den Nagel zu hängen. Sie haben sich damals eine lange Auszeit genommen...

Das stimmt. Ich habe in der Zeit ein Schloss renoviert. Ich hatte einen Film nach dem anderen gedreht und langweilte mich langsam. Daher wollte ich etwas völlig anderes machen. Ich habe eine zweijährige Pause eingelegt und über weitere vier Jahre nur ganz wenige Filme gedreht. Die Renovierung hat insgesamt sechs Jahre gedauert.

Haben Sie die Schauspielerei vermisst?

Nein! Ich war viel zu beschäftigt mit der Renovierung.

Warum haben Sie dann wieder angefangen?

Ich brauchte das Geld. (lacht) Die Renovierung hat viel Geld verschlungen. Nach meiner Rückkehr ist auch wieder die Lust an der Schauspielerei in mir erwacht. Mir macht der größte Teil dieses Jobs ja auch viel Spaß. Was mir nicht so liegt, ist das Herumreisen und das andauernde Warten. Dieser Dreh war allerdings das reinste Vergnügen, weil wir in Lissabon drehten und ich jeden Tag im Einsatz war. Wenn ich mal ein, zwei Tage Pause hatte, konnte ich die Sehenswürdigkeiten erkunden.

Wie erkunden Sie eine Stadt?

Ich gehe spazieren. Man muss sich eine Stadt zu Fuß erlaufen. Für die Umgebung nehme ich das Motorrad. Es macht Spaß, ein Gefühl für Land und Leute zu bekommen. Es braucht natürlich seine Zeit, um dann auch die Sachen kennenzulernen, die von den Einheimischen bevorzugt werden. Nur so wird ein fremder Ort kurzzeitig zu einem neuen Zuhause.

Kennen Sie diese Einsamkeit, die auch Ihren Raymond am Anfang des Films umgibt?

Das Gefühl kenne ich sehr gut. Ich genieße meine eigene Gesellschaft allerdings auch in etwa so wie er.

Dabei haben Sie aber Familie...

Die sind ja oft nicht da. Meine Frau ist gerade in Dublin, mein Sohn Samuel in Brügge, der andere, Max, ist in London. Wir treffen uns regelmäßig, sind aber viel separat auf Achse.

Ihr Sohn Max ist auch Schauspieler geworden. Was macht Samuel?

Er ist Fotograf. Als er noch klein war, haben wir ein paar Mal zusammen gespielt, mit zwölf drehten wir „Danny, Champion of the World“. Er hat mir gesagt, dass dieser Film ihn davon überzeugt hat, die Schauspielerei nicht zum Beruf zu machen. Es gefällt ihm auch nicht, erkannt zu werden.

Welche Art von Komplimenten erfreuen Sie heute noch?

(überlegt lang) Wenn mir Zuschauer signalisieren, dass ich sie mit meinem Spiel berührt habe. Darum geht es beim Geschichtenerzählen: den Kontakt zum Zuschauer aufzubauen, ihn mit auf die Reise zu nehmen. Wenn ich das schaffe, ist das für mich das Größte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2013)

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