Louis Sayn-Wittgenstein-Sayn: Plädoyer für Wild am Teller

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Louis Sayn-Wittgenstein-Sayn über Wildfleisch, die Jagd, seine Vergangenheit als Banker – und was der späte Schnee für die Tiere im Wald bedeutet.

Für manche schon vor der Osternachtsfeier, für manche erst danach, für die meisten aber heute: Es gibt eine Osterjause, es gibt wieder Fleisch für jene, die in der Fastenzeit in irgendeiner Form darauf verzichtet haben, vielleicht erleichtert durch den jüngsten Fleischskandal. Fleisch ist Thema – auch für Louis Sayn-Wittgenstein-Sayn. Er lebt davon.

Und das ganz unmittelbar. „Wir leben in einem Revier, in dem ich jage“, sagt der Enkel der legendären Salzburger-Festspiele-Gastgeberin Manni Sayn-Wittgenstein-Sayn. „Da haben wir praktisch immer frisches Wild zur Hand.“ Der 30-Jährige, der mit seiner Familie im Mühlviertel lebt, ist der Erste in einer ganzen Reihe teils prominenter Jäger, die in einem vor einigen Monaten erschienenen Band Wildrezepte teilen – und gleichzeitig eine Art Plädoyer für den Verzehr von Wild halten. Offenbar mit Erfolg – inzwischen ist bereits ein zweiter Band von „Jäger kochen Wild“ im Entstehen, er soll noch im Sommer erscheinen und auch Tipps zu ungewöhnlicherem Fleisch, wie etwa dem Auerhahn, enthalten.

Ausgerechnet jetzt über Wild zu reden, hält Sayn-Wittgenstein-Sayn dabei für richtig: Es sei „leider ein großer Fehler“, dass Nichtjäger Wild nur mit Herbst assoziieren. Von Ende Jänner bis Mai dauere die Paarungs-, Brut- und Aufzuchtszeit: „Am 1. Mai geht die Saison wieder los.“ Wild sei das „natürlichste und gesündeste Fleisch, der Bestand an Rehwild wächst, während die Lebensräume immer weniger werden“, und das Fleisch komme, no na, nicht aus Massentierhaltung. Ein Argument, das offenbar auch bei Skeptikern zieht: Letzten Herbst, erzählt er, als Greenpeace eine Kampagne pro Wildkonsum gestartet habe, sei das Interesse merklich gestiegen. „Und auch die Anzahl der Jäger, gerade aus Großstädten, steigt.“


Er selbst ist, wenig überraschend familienbedingt, bei der Jagd dabei, „seit ich denken kann“. Von seinen sechs Geschwistern haben vier den Jagdschein. Schon als Kleinstkind, erzählt er von seiner Kindheit im rheinischen Sayn, habe ihn sein Vater mit auf den Hochstand genommen. Und schon in der Schule wurde er als „Mörder“ beschimpft. Er habe, erzählt er, die anderen Kinder einfach mit in den Wald genommen, „und sie haben gemerkt, dass es nicht ums reine Töten geht“. Heute gehe er gern zu den Ständen der kritischen Vereine. „Man kann gut mit ihnen reden.“ Ihre Argumente sind oft nicht sehr fundiert – und so könne man sie immer wieder auch vom eigenen Standpunkt überzeugen.

Dass ausgerechnet auch Alfons Mensdorff-Pouilly im selben Buch ein Rezept beigesteuert hat („Saftige Stücke vom Wildschwein mit Pilzsauce, Bandnudeln und Brokkoli“), weckt freilich auch Assoziationen zur Jagd als Networking-Gelegenheit. Sayn-Wittgenstein-Sayn sieht das gelassen. „Es ist natürlich so, dass Jäger oft in einflussreichen Positionen sitzen. Aber man trifft sich auch, um sich auszutauschen – und eine Stammtischrunde netzwerkt genauso wie Jäger auf der Jagd.“

Sayn-Wittgenstein-Sayn hat die Jagd inzwischen auch zum Beruf gemacht, seit Jänner arbeitet er in Österreich als Vertreter des Waffenherstellers Beretta. Eigentlich ist er Bankkaufmann, hat für die Deutsche Bank in Frankfurt gearbeitet. „Ein einfaches, stupides Leben im Anzug“, das er nicht vermisst: Vor gut fünf Jahren hat ihn die Liebe zur damaligen Freundin nach Wien verschlagen. Nach einer Station beim Trachtenhersteller Gössl in der Stadt seiner Großmutter, die er in Festspielzeiten „wie wir alle“ unterstützt, lebt er nun mit Frau und einem vier Monate alten Sohn im Mühlviertel.

Hier feiert er Ostern („Ich weiß noch nicht, was es gibt, aber sicher auch Wild“) und verbringt „jede freie Minute“ im Wald, hegt, pflegt „und erntet nach getaner Arbeit“ seine Tiere. Wobei, derzeit ist das Hegen Thema. „Erst gestern Abend hat mir jemand von einem ganz kleinen Junghasen erzählt. Hoffentlich schneit es nicht noch einmal. Ein später Winter ist für die Natur sehr schlecht. Da gilt es zu schauen, wo man helfen kann.“

Auf einen Blick

Louis Sayn-Wittgenstein-Sayn (30) wuchs im deutschen Sayn auf und arbeitete für die Deutsche Bank, ehe er nach Österreich zog – Teile seiner Verwandtschaft leben in Salzburg. Für das Rezept- und Anekdotenbuch „Jäger kochen Wild“ (Lisa Lensing et. al., Stocker Verlag) hat er „Hirschfleischknödel mit Speckkrustl-Sauerkraut“ beigesteuert. Das Buch will altgediente, leicht zu kochende Familienrezepte zugänglich machen. Im Sommer erscheint ein zweiter Band mit teils deutschen Beiträgen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2013)

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