Springer auf zwei Rädern

Symbolbild
SymbolbildREUTERS
  • Drucken

Dominik Raab zählt zu den weltbesten Trialbikern. Auf seinem Fahrrad verwandelt er die Stadt zu seinem ganz persönlichen Hindernisparcours.

A uf seinem Fahrrad kennt er so gut wie kein unbezwingbares Hindernis. Er überwindet meterhohe Wände, landet mit dem Hinterrad auf dünnen Eisenstangen. Hopst auf ein zentimeterbreites Brückengeländer und überquert den Bach in abgefahrener Manier. Dominik Raab ist Trialbiker.

Besonders sprungfreudig präsentiert sich Raab auf der Internetplattform YouTube im fünfminütigen Video „Autumn Edit 2010“ – einer Demonstration in satter Musikvideo-Optik. Dem Profi-Radfahrer, der für das internationale Team United Merida Freeriders im Einsatz ist, gelang mit diesem Online-Clip der endgültige Durchbruch in der Trial-Szene. „Das Besondere an dem Video ist, dass wir alles in Linz gefilmt haben – und das über einen Zeitraum von drei Monaten“, erzählt Raab. Normalerweise geht er für derartige Filmaufnahmen „irgendwohin, in eine unbekannte Stadt“, wo ihm nur knapp zwei Wochen zur Verfügung stehen. In Linz aber kennt der Leondinger jede Ecke. Also konnte er sich für „Autumn Edit 2010“ nach Belieben austoben. „Da haben wir uns richtig reingehängt.“ Mit „wir“ meint der 27-Jährige auch seinen Freund Tobias, einen BMX-Fahrer, der in seiner Freizeit zum Kameramann avanciert. Für den Dreh des spektakulären Videos befand sich Tobias nach einem Unterarmbruch im Krankenstand und hatte „jede Menge Zeit“.


Security und Polizei. Genehmigungen für seine Tricks auf öffentlichen Plätzen holt er in der Regel nicht ein. Hüpft Raab auf einem Hausdach hin und her, reichen oft mündliche Vereinbarungen mit den Gebäudeverantwortlichen. Passanten seien – zumindest in Österreich – größtenteils sehr tolerant. „Als Radfahrer hat man Vorteile. Ich mache keinen Lärm und auch nichts kaputt.“ Auf kulturgeschützte Denkmäler würde er ohnehin nicht springen. In Los Angeles, erzählt Raab, war es bei Videoaufnahmen dagegen „ziemlich stressig“. An vielen städtischen Hindernissen musste er seine Tricks spätestens beim zweiten Versuch perfekt hinbekommen – andernfalls „rücken sehr schnell Securities oder Polizei an“.

USA, China, Großbritannien – mit seinem Trialbike, einem Fahrrad mit niedriger Rahmenhöhe, kleiner Übersetzung und geringem Gewicht, tourt Dominik Raab um den Globus. Bei Shows, Video- und Fotoshootings ist er ein weltweit gebuchter Mann. „Es gibt nicht viele, die vom Trialbiken leben können. Aber ich kann es.“


Studium auf Eis. Erste Live-Auftritte zeigte Raab bereits in der Schulzeit, dann als Zivildiener. „Da hab ich oft nicht gewusst, ob ich zur nächsten Show Zeit hab.“ Das Jusstudium legte Raab auf Eis, die Auftragslage ist zu erfreulichen Dimensionen angewachsen. „Für mich passt es gut zurzeit. Aber natürlich hab ich noch nicht ausgesorgt.“ Zur Karriere danach: „Das Gute ist, dass ich durch Events viele Leute kennenlerne. Da werde ich schon irgendwo unterkommen.“

Als Entertainer auf zwei Rädern tourt er von einer Veranstaltung zur nächsten. „Ich baue meinen Parcours auf, mache meine 20-Minuten-Show, baue wieder ab und fahre zum nächsten Event.“ Um eingefahrene und -gesprungene Routinen zu vermeiden, „verändere ich meinen Parcours regelmäßig“. Denn Raab möchte erfahrenen Bikern wie auch dem Laienpublikum eine gute Show bieten, und keinen Zirkusclown mimen, der seine Standardschmähs abspult.

Für Firmen kann es für Raab im Sinne einer effektiven Produktpräsentation schon einmal heißen, auf einem Gabelstapler oder auf Baumstämmen hin- und herzuhopsen. Für näher gelegene Eventschauplätze koppelt Raab einen Kastenanhänger an seinen VW-Bus, lädt Metallboxen, -stangen und anderes Hindernisequipment ein und düst los. Auf der Showbühne dient dann auch der zwei Meter hohe Anhänger als Requisit. Außerdem werden bei Raabs Performances gelegentlich Freiwillige aus dem Publikum zu menschlichen Barrieren, die es zu überspringen gilt.


Wenn etwas schiefgeht. Trotz gefährlich aussehender Sprungmanöver und artistischer Balanceakte in gewagten Höhen: Raab ist bisher von langwierigen Verletzungen verschont geblieben. Knochen hat er sich beim Biken noch keinen gebrochen, ein- und angerissene Bänder im Sprunggelenk und in der Schulter waren „meine schwersten Verletzungen“ – die meist aus Leichtfertigkeit resultieren: „Wenn etwas schiefgeht, dann meist bei einfachen Übungen. Wenn man nicht voll konzentriert ist.“ Seine Darbietungen erfordern höchstmögliche Präzision und Technik, trotzdem sieht sich Raab im Vorteil gegenüber anderen Bikesportlern: „Wir sind ja eher langsam unterwegs. Bei Unfällen im Motocross oder im Mountainbike-Downhill, wo mehr Geschwindigkeit dahintersteckt, kann schon Schlimmeres passieren.“

Ob mit oder ohne Crash – ohne Internet würde es nicht funktionieren. Der britische Trialbiker Danny MacAskill setzte auf YouTube überhaupt neue Maßstäbe. Sein Clip „Inspired Bicycles“ wurde von Usern bereits innerhalb der ersten beiden Tage 350.000 Mal aufgerufen, heute weist der Kurzfilm über 30 Millionen Klicks auf. Auch Raab glaubt, dass ohne YouTube sein Bekanntheitsgrad und folglich die Kundennachfrage deutlich geringer wären. „Man baut durch viel geklickte Videos auch ein Image auf.“ Und das Image stimmt. Aus vielen Blickwinkeln.

Der Springer

Dominik Raab (27), aus Leonding bei Linz, holte 2003 den Staatsmeistertitel im Wettkampf-Trial. Heute zählt der Oberösterreicher zu den besten und gefragtesten Trialbikern der Welt. Durch seinen spektakulären Fahrstil in der Freestyle-Disziplin Street Trial und seine Internetvideos hat er den Sprung auf die Profibühne geschafft. 2007 wurde Raab Mitglied des internationalen Radteams Merida UMF und reist seither mit seinem Bike für Shows, Foto- und Videoshootings um den Globus. Andrew Tonkery

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.