David Garrett: "Es ist schön, Reizfigur zu sein"

David Garrett
David Garrett (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Erst war er Wunderkind, dann erfand er sich als Rockstar der Klassik neu. Jetzt hat Garrett als "Teufelsgeiger" sein Schauspieldebüt gegeben. Ein Interview über herablassende Kritiken und die rechte Dosis an Show.

Sie sehen besser aus als Paganini. War das Kalkül, nicht mehr Maske zu verwenden?

David Garrett: Ich weiß nicht, ob es Kalkül war. Es gibt keine Fotos von ihm. Wir haben versucht, anhand der Kostüme so nah wie möglich an diese Geschichte heranzukommen. Ich glaube, in erster Linie hat man sich für mich entschieden, weil ich die Möglichkeit habe, seine Stücke auch live zu spielen.

Wie war die Schauspielpremiere?

Das müssen andere entscheiden. Für mich war es ein ganz anderes Projekt als das, was ich gewohnt bin. Auf der anderen Seite glaube ich, man sollte Möglichkeiten, die gut vorbereitet sind, nutzen. Die Vorbereitung ist immer sehr wichtig.

Sie haben mit Method Acting gearbeitet.

Ja, mit einem sehr, sehr guten Schauspielcoach in New York. Das war für mich noch einmal eine Bestätigung, dass diese Figur auch zu mir passt. Das man sich da wohlfühlt in den Worten.

Was heißt das, Sie haben sich wohlgefühlt als Paganini? Gibt es Parallelen?

Es gibt sicher viele Parallelen, aber die gibt es zwischen allen Menschen, die früh mit Musik anfangen. Darüber hinaus: die Leidenschaft, die Disziplin und auch der Spaß an der Inszenierung.

Musik ist bei Ihnen ja immer auch Show ...

Show ist nicht verwerflich, solange die Qualität der Musik nicht darunter leidet. Diese Geschichte, die Wagner ins Leben gerufen hat, wo er das Script schreibt, wo er ein Opernhaus baut, um die perfekte Inszenierung zu haben: Das ist alles sicherlich etwas, das auch in meinen Produktionen mit einfließt. Man will das Publikum aus dem Alltag in eine andere Welt hineinbekommen. Das geht sicher über die Musik, das geht aber auch über andere Faktoren.

Die Idee zum Film hatten Sie selbst?

Richtig, vor drei Jahren – sie entstand aus einem etwas längeren Abendessen.

Paganini war kein einfacher Mensch, krank, spielsüchtig, mit vielen Frauengeschichten. Wie wichtig ist für einen Musiker die weibliche Bewunderung?

Ich glaube, darum geht es nicht. Ich glaube, in erster Linie geht es um die Disziplin und den Verzicht, den man über Jahre hat, um den Selbstzweifel, der indoktriniert wird, von vielen anderen um einen herum. Wenn du mit vier, fünf, sechs, sieben Jahren arbeitest, geht das nur über einen gewissen Druck, einen gewissen Drill. Der manifestiert sich jedoch in deiner Seele. Und dann suchst du immer nach Bestätigung. Ob das jetzt auf der Bühne ist, durch das Publikum, oder ob das hinter der Bühne ist, mit Menschen, die du beeindrucken möchtest.

Einer der Schlüsselsätze im Film lautet: The hardest thing is to get the name out there. Sie haben das zweimal schon geschafft.

Es geht aber nicht darum. Berühmtheit, was ist das? Das ist eine Floskel, hat überhaupt keine Bedeutung. Das, was wirklich im Leben Bedeutung hat, ist, selber in der Spiegel zu gucken und mit dem, was man täglich macht, zufrieden zu sein. Und sich selber jeden Tag aufs Neue zu beweisen, dass man eine Wertigkeit hat. Ob Erfolg eintritt, ist total sekundär.

Woher kommt dieser eigene Druck?

Davon, dass du weißt, dass du die Möglichkeit hast, gut zu sein, aber selber anzweifelst, wie gut du bist.

Das will man dann jeden Tag neu wissen?

Das ist leider Gottes so, ja. Ein Usain Bolt muss ja auch bei jedem Wettbewerb unter zehn Sekunden laufen.

Wir sprechen von Musik wie von Sport.

Mir ging es nur darum, aufzuzeigen, dass sich in der Musik Arbeit und Leistung auszahlen, wie im Sport. Dass auch Talent und eine emotionale Bandbreite da sein müssen, das geht natürlich darüber hinaus. Usain Bolt muss nicht unbedingt schön die hundert Meter laufen. Bei einem Beethoven-Violinkonzert wär es toll, wenn man es auch schön spielt, mit Tiefgang.

Kränkt es Sie, wenn Klassik-Kritiker Sie herablassend beurteilen?

Ich war jetzt wieder auf Tournee mit dem Brahms-Violinkonzert und habe in zehn Städten gespielt. Sieben Kritiken waren so wunderschön, ekstatisch, toll. Dann gab's drei Menschen, die das überhaupt nicht so gesehen haben. Der Widerspruch ist manchmal faszinierend. Auf der anderen Seite sage ich immer: Wenn du nichts Negatives hast, bist du uninteressant. Es ist schön, ein Stück weit eine Reizfigur zu sein.

Steckbrief

1980 wurde David Garrett als Sohn eines deutschen Geigenauktionators und einer US-Ballerina in Aachen geboren. Mit fünf gewann er den ersten Preis, mit 13 hatte er einen Vertrag bei der Deutschen Grammophon.

Mit 19 zog er nach New York, um zu studieren. 2006 gelang ihm mit Crossover in Deutschland erneut der Durchbruch.

Am 31. Oktober startet „Der Teufelsgeiger“. Garrett schrieb und arrangierte dafür auch die Musik.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2013)

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