Irgendwo in Afrika: Caroline Links fabelhaftes Kino

Irgendwo in Afrika: Caroline Links fabelhaftes Kino
Irgendwo in Afrika: Caroline Links fabelhaftes Kino(c) Studiocanal Filmverleih
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Mit Marokko verbindet Caroline Link intensive Erinnerungen. Für ihren neuen Film „Exit Marrakech“ kehrt die Regisseurin an ihre Lieblingsorte zurück.

Fünf Jahre sind seit ihrem letzten Film vergangen. Zuvor, nach ihrer mit dem Oscar ausgezeichneten Romanverfilmung „Nirgendwo in Afrika“ (2001) dauerte es sogar sieben Jahre, bis Caroline Link „Im Winter ein Jahr“ (2008) drehte. „Ich weiß gar nicht, wie das meine Kollegen mit einem höheren Output machen“, sagt die Regisseurin bei ihrem Wien-Besuch anlässlich der Premiere ihres neuen Streifens „Exit Marrakech“ (ab Freitag im Kino). „Ich muss die Welt, über die ich einen Film drehen will, genau recherchieren.“ Und das brauche seine Zeit.
„Rund ein Jahr benötige ich für das Schreiben des Drehbuchs, ein weiteres für die Finanzierung und das dritte für die Dreharbeiten bzw. den Schnitt. Mit drei Jahren muss ich also mindestens rechnen“, so Link. „Was ich nicht kann, ist, an mehreren Projekten parallel zu arbeiten. Ich will schließlich auch leben, reisen, mich um meine elfjährige Tochter kümmern.“ Ihretwegen – sie wurde krank und entging knapp dem Tod – verpasste sie die Oscar-Verleihung 2003, auf der sie prämiert wurde.

Geboren wurde die Filmemacherin 1964 in Bad Nauheim in Hessen. Nach dem Abitur und einem einjährigen USA-Aufenthalt studierte sie an der Hochschule für Fernsehen und Film in München (Abteilung Dokumentarfilm) und arbeitete danach als Regieassistentin und Drehbuchautorin, ehe sie 1996 mit „Jenseits der Stille“ ihren Durchbruch feierte. Link ist Kuratoriumsmitglied des Vereins „Children for a better world“, das Kinderhilfsprojekte auf der ganzen Welt fördert.

Ihr neuer Film führte sie wieder einmal nach Afrika. Vor der einzigartigen Kulisse Marokkos hat sie eine faszinierende Vater-Sohn-Geschichte angesiedelt. Nach und nach entwickelt sich das Roadmovie zu einem subtilen, vielschichtigen Drama der großen Gefühle, hervorragend gespielt von Ulrich Tukur als Vater Heinrich und Samuel Schneider als 17-jährigem Sohn Ben.

„Noch bevor ich wusste, wie meine Geschichte genau verlaufen würde, wusste ich, dass sie in Marokko spielen sollte“, erzählt Link. „Vor 22 Jahren war ich mit meinem Mann dort, während des zweiten Golfkriegs.“ Damals empfahl die Regierung ausländischen Touristen, das Land zu verlassen. „Aber wir sind geblieben und haben uns auf spannende neue Bekanntschaften eingelassen. Marokko, die arabische, fremde Kultur, bringt ein Gefühl von Gefahr und Sinnlichkeit in diesen Vater-Sohn-Konflikt.“ Link erzählt die Geschichte sehr sparsam. Emotionen treten nur subtil zutage. Doch gerade darum geht es: Alle sind sehr beherrscht. Da bleibt wenig Raum für Herzlichkeiten, aber umso mehr für Enttäuschungen.

Die wunderschön gefilmten Bilder von Kamerafrau Bella Halben lassen einen tief eintauchen in die Geräusche, Farben und Gerüche des Landes. Ein eklatanter Gegensatz zur Kälte und Gefühlsarmut, die zwischen Ben und Heinrich herrscht. Die Regisseurin legt zudem Wert darauf, Marokko jenseits üblicher Touristenpfade mit schwankenden Kamelen und pittoresken Altstadtgassen zu zeigen. Immer wieder gibt es auch überraschende Ansichten, etwa ein Hotel mitten in der Wüste, in dem Heinrich und Ben für eine Nacht absteigen.

„Das Marokko, das ich vor 22 Jahren erlebt hatte, habe ich bei meiner Recherchereise nicht mehr gefunden“, meint Link. „Das Land ist bis in den letzten Winkel touristisch erschlossen. Ich fand die Idee interessant, mit diesem Tourismus und im Gegensatz dazu mit unserem klischeehaften Marokko-Bild zu spielen. Ich kann nicht sagen, dass ich es bedaure, dass Marokko viel an Charme verloren hat.“ Denn für die Menschen habe diese Entwicklung einen gewissen Wohlstand gebracht. Auch diese Aspekte sind in „Exit Marrakech“ geschickt verwoben. Am Ende werden Vater und Sohn in der unwirklichen Landschaft Marokkos auf sich selbst zurückgeworfen. In den Weiten der Wüste finden sie endlich den Raum, sich mit ihren aufgestauten Gefühlen auseinanderzusetzen. Ein notwendiger, aber auch schmerzhafter Prozess mit ungewissem Ende beginnt.

Zur Person

Steile Karriere. Caroline Link wurde 1964 in Bad Nauheim (Hessen) geboren. Nach dem Abitur und einem einjährigen Aufenthalt in den USA studierte sie an der Hochschule für Fernsehen und Film in München (Abteilung Dokumentarfilm) und arbeitete danach als Regieassistentin und Drehbuchautorin. Der Durchbruch gelang ihr 1996 mit „Jenseits der Stille“. 2001 folgte „Nirgendwo in Afrika“. Die Romanverfilmung wurde mit dem Oscar als bester fremdsprachiger Film ausgezeichnet. Link ist mit dem Film- und Fernsehregisseur Dominik Graf verheiratet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2013)

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