Sebastian Koch: "Von den Griechen können wir viel lernen"

Sebastian Koch
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Am Freitag lief in Österreich Götz Spielmanns Film "Oktober November" an. Sebastian Koch spielt darin einen Arzt. In dem Film geht es um Themen, die Ruhe verlangen, sagt der deutsche Schauspieler.

Herr Koch, Sie haben in den vergangenen zwei Jahren fünf Filme gedreht, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Eine amerikanische Megaproduktion wie „Stirb langsam 5“ mit Bruce Willis und gleich darauf einen völlig konträren, sehr stillen Film „Oktober November“ unter der Regie von Götz Spielmann. Was ist für Sie maßgeblich, wenn Sie sich für ein Projekt entscheiden?

Sebastian Koch: An „Oktober November“ hat mir von Anfang an gefallen, dass Spielmann den Mut hat, so einen ganz anderen Film zu drehen. Er ist alles andere als konventionell und trägt eine ganz eigene Handschrift, was mir sehr gefällt. Aber so ein Projekt kann natürlich auch ordentlich schiefgehen.

Wieso?

Es geht ums Sterben, ums Verabschieden und um das Sich-Wiederfinden. Ein ruhiger Film, der nicht mit Schuss – Gegenschuss, sondern von der Choreografie her wie ein Tanz aufgenommen ist. Die Kamera dreht sich um die Schauspieler. Die Szenen sind nahezu alle ungeschnitten. Das passt zu diesen Themen. Es wird Zeit zugelassen. Das ist das Wunderbare. Darin besteht aber auch das Risiko. Spielmann war bereit, es einzugehen. Ich bin ganz ähnlich. Als ich den Seewolf angeboten bekommen habe, hab ich sofort Ja gesagt!

Und danach sind Sie über Ihre eigene Courage erschrocken?

Wenn ein relativ schmächtiger Mensch (zeigt auf sich) so einen Koloss spielen soll, der muskelbepackt und so stark ist, dass er mit einer Hand einen Menschen erwürgen kann, dann ist das schon mutig, gleich zuzusagen. Dieser romantische, wahnsinnige Mann, der wie ein Tier ist und gleichzeitig so eine Philosophie in sich trägt! Ihn zu spielen war für mich ein großer Reiz und großes Risiko.

Ist das nicht jede Rolle, jeder Film?

Nein! Kucken Sie sich doch um. Das Filmleben ist voll von risikofreien Aktionen. Und das Ergebnis sind die großen Kassenschlager.

Die kann man so genau planen?

Ja, absolut. Ich habe gerade mit den Amis gedreht, da funktioniert alles so, da ist alles konstruiert, da geht nichts schief. „Die Hard“ oder „Mission: Impossible“, das sind ja die einzigen Produktionen, die noch so richtig krachen – finanziell meine ich.

Und weshalb haben Sie, vom Geld einmal abgesehen, bei „Stirb langsam“ mitgemacht?

Weil es sehr aufregend ist. Es ist eine beeindruckende Erfahrung zu sehen, wie so ein riesiger Apparat funktioniert. Was für ein gigantomanischer Aufwand dabei betrieben wird. Da stehen an die 250 Leute am Set. So eine Big Studio Production toppt alles. Ich sage aber nicht, dass das so notwendig ist. Denn wenn die Kamera läuft, ist es doch nur ein Film. Dennoch, es ist gut, das mal erlebt zu haben.

Sie haben auch mit dem griechischen Regisseur Yannis Smaragdis den Film „God Loves Caviar“ auf dem Peloponnes gedreht. Sie spielen den griechischen Nationalhelden Ioannis Varvakis. Wie kommt ausgerechnet ein Deutscher zu dieser Rolle?

Ja, das ist interessant, denn die Griechen lieben ja gerade die Deutschen momentan nicht so sehr. Aber ich war die Wunschbesetzung des Regisseurs.

Ist man Ihnen bei den Dreharbeiten vorurteilsfrei begegnet?

(Zögerlich) Ja ... Als sie gesehen haben, wie groß mein Einsatz ist und wie ernst ich diese Rolle nehme. Die Schwierigkeiten, die anfangs da waren, haben sich nach den ersten Wochen aufgelöst. Für mich war ja die Arbeitsweise auch ungewohnt, weil die oft gar nicht vorbereitet waren oder im letzten Moment alles umgedreht haben. Manchmal war das an der Grenze des Machbaren, aber es ging dann doch immer irgendwie.

Haben Sie nie daran gedacht, alles stehen und liegen zu lassen?

Nein, das tue ich nicht, wenn ich mich einmal verpflichtet habe. Habe ich noch nie getan. Und letztlich hat sich ja zu den Leuten und dem Land eine große Liebe entwickelt, eine innige Sache. Wir können viel von den Griechen lernen und vice versa.

Was haben Sie von ihnen gelernt?

Für die Griechen ist diese Zeit hochdramatisch und wird es auch noch einige Jahre bleiben. Aber sie jammern nicht, sie nehmen die Situation an und gehen damit um. Am Abend gehen sie trotzdem weg und trinken einfach zwei Bier weniger. Ich hatte einen Fahrer, der war Arzt. Aber ich habe ihn nie klagen gehört. Es gibt einfach keine Jobs und auch kein Geld. Ich habe meines übrigens auch noch nicht vollständig erhalten.

Lassen Sie sich bei jeder Arbeit so auf die Menschen ein, die Ihnen begegnen?

Ich kann gar nicht anders.

Bei jeder Produktion ein neues Team, andere Kollegen, danach herumfahren, um für jeden Film zu werben und – wie jetzt – lange Interviews zu führen. Höhlt Sie das aus?

Die vergangenen zwei Jahre waren schon sehr intensiv, ich habe durchgearbeitet. Gleich nach „Oktober November“ habe ich mit dem englischen Regisseur Ridley Scott einen Film gedreht. Aber da habe ich schon bemerkt: „Jetzt brauchst du eine Pause. Du funktionierst nur mehr.“

Wieso bürden Sie sich so viel auf?

Nun gut, solche Rollen bekommt man ja auch nicht alle Tage angeboten. Ich wollte das auch alles machen. Das ist ja auch gut so. Das Problem ist nur, wenn du die Feder überspannst, brauchst du lange, um wieder runterzukommen. Länger als einem recht ist.

Und sind Sie schon wieder runtergekommen?

Ich bin dabei, es dauert noch, bis ich wieder einraste. Anders kann ich es nicht sagen. Aber ich habe mir noch einige Monat dafür Zeit genommen

Wenn Sie so über lange Zeit im Dauereinsatz sind und kaum zu Hause in Berlin, wie gelingt es Ihnen, Ihre Freundschaften zu pflegen?

Das ist nicht leicht. Freundschaft heißt, Zeit und gemeinsame Erlebnisse – gute wie schlechte – miteinander zu haben. Man merkt ja selbst, wenn man mit den Freunden nur mehr über alte Geschichten redet, ist irgendetwas zu kurz gekommen. Auch ein Grund, weshalb ich jetzt eine Pause brauche.

Machen Sie sich schon Gedanken, was danach kommt?

Nein, jetzt einmal nicht. Darum kümmere ich mich nächstes Jahr. Die Rollen sind immer auf mich zugekommen, wenn ich bereit war. Energien finden sich, wenn sie zusammengehören. Das klingt jetzt furchtbar esoterisch. Aber ich glaube fest daran. Wenn du Radio hörst und auf Mittelwelle bist, kannst du Ultrakurzwelle nicht empfangen. Vielleicht ein nicht ganz zeitgemäßer Vergleich, aber er stimmt.

Sind Sie sehr religiös erzogen worden?

Ich bin christlich erzogen worden. Ich mochte die Kirche nicht, aber immer das Phänomen des Glaubens.

Woran glauben Sie?

Ich glaube ... Dafür habe ich gar keinen Namen. Ich glaube an Intuition. Glaube kann etwas in Bewegung setzen, er ist eine starke Kraft. Das hat alles mit Vertrauen zu tun, dass etwas kommt.

Und zieht es Sie schon irgendwo hin?

Ich habe keine Ahnung. Das ist auch ein bisschen bedrohlich, weil ich nicht genau weiß, wie es weitergeht. Aber der Zustand ist wichtig und spannend.

Kennen Sie diese Phasen schon von früher?

Es ist jetzt anders als mit dem Schauspielen. Kann sein, dass ich bald zu produzieren beginne. Das hat mit dem zu tun hat, was wir schon zuvor besprochen haben. Es gibt immer weniger bedeutsame, mutige Sachen. Der Schritt zur eigenen Produktion ist naheliegend.

Sie sind 51 Jahre alt. Beschäftigt Sie auch das Sterben, Ihr Tod?

Nicht das eigene Sterben, davor habe ich keine Angst, ich bin neugierig darauf. Mich beschäftigen aber das Älterwerden, der körperliche Verfall, das Vergehen. Langsam zu verwelken und mit den Konsequenzen konfrontiert zu werden, mit dem, was man in die Welt gesetzt hat, leben zu müssen – das ist ein großes Thema für mich. Denken Sie an King Lear!

Gern. Aber weshalb?

Der kriegt den ganzen Mist, den er in seinem Leben gemacht hat, am Ende wieder zurück. Es ist also hoch spannend, wie man alt wird.

Herr Koch, darf man Sie auch fragen...


1. . . ob Sie an sich zweifeln?
Ich bin ein großer Selbstzweifler, zur Selbstüberschätzung habe ich keinen Hang. Aber das Gute an der Schauspielerei ist, dass man die Selbstzweifel dauernd überwinden muss. Spätestens dann, wenn man für eine Rolle zusagt.


2... ob Sie Angst vor dem Alleinsein haben?
Nein, habe ich nicht. Es ist umgekehrt. Ich bin sehr gern allein. Es ist eher so, dass mir die Zeit dafür sehr fehlt. Meine Zeit ist so voll, alles geht mit einem irren Tempo. Da muss man dagegenhalten, für sich sein und ausatmen. Wenn das fehlt, wird es eng.

3... welcher Film Sie in letzter Zeit beeindruckt hat?
„Gravity“, nicht wegen der Schauspieler, nicht wegen der Handlung, sondern wegen des Blickwinkels auf die Erde. Die 15 Minuten nach Ende des Films waren eindrucksvoll! Die Größendimensionen hatten sich nach den eineinhalb Stunden im All völlig verschoben und relativiert.

Steckbrief

1962
geboren in Karlsruhe. Besuchte die Otto-Falkenberg-Schule in München.

2001
gelang ihm mit der Rolle des entführten Industriellensohnes Richard Oetker sein Durchbruch. Seitdem hat er in vielen erfolgreichen Filmen mitgewirkt: „Die Manns – ein Jahrhundertroman“, „Das Leben der Anderen“, „Stauffenberg“, „Speer und er“, „Der Seewolf“, „Stirb langsam 5“ und jetzt in „Oktober November von Götz Spielmann zu sehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2013)

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