Für Fundis und Verlierer: Reiseführer durch Wien

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Die Satiregruppe Hydra hat einen Reiseführer für Wien geschrieben und liefert einen humorig-bösen, aber auch erfrischenden Blick auf die Stadt.

"Die Wiener Tierliebe ist sagenumwoben. Bettler, Punks, Ausländer darf man beflegeln, wer hingegen einem Hund gegenüber die Etikette vermissen lässt, wird am nächsten Laternenpfahl aufgeknüpft.“ Oder: „Der eigentliche Staatsfeiertag ist der 1. November. Gemäß dem Motto, dass früher immer alles besser war, sind auch die Toten stets die besten Österreicher gewesen.“

So beginnt der Reiseführer der Wiener Satiregruppe Hydra, hier lässt sich erahnen, was einen auf 128 Seiten erwartet. Humorvolle, bissige, auch schonungslose Texte, die das Lebensgefühl der Stadt oft auch sehr gut treffen. Da werden Touren für Fundis vorgeschlagen (vorbei an der Abtreibungsambulanz hin zur Olympia-Bude), für Geeks, für Betroffene (Donauinsel, Wiener Tierschutzhaus), aber ebenso auch für Verlierer (Heeresgeschichtliches Museum, Ernst-Happel-Stadion, Wiener ÖVP).

Hinter Hydra steht eine Gruppe rund um Gründer Curt Cuisine und dem später hinzugekommenen Max Zirkowitsch, die in ihren Hauptberufen eigentlich sehr wenig mit Satire zu tun haben. Beide sind in (verschiedenen) NGOs tätig. Der eine, Cuisine, in der PR-Abteilung, der andere, Zirkowitsch, als Sozialarbeiter. „Ich muss dann auch gleich weg und mit einer Klientin um Asyl ansuchen“, sagt Zirkowitsch und meint das völlig ernst.

Davor hat er noch über das Lichtschaltermagazin „On Off“ erzählt, das leider nie zustande gekommen ist. „Hydra ist sicher auch ein Ventil. Weil wir im Alltag viel mit Betroffenheit zu tun haben“, sagt Cuisine. Wenn die zwei von sich erzählen, ist sowieso jeder zweite Satz ein Scherz.

Begonnen hat alles vor sechs Jahren, als Cuisine, der wegen der Arbeit in der NGO nur unter seinem Künstlernamen auftritt, das Satiremagazin „Hydra“ – damals noch mit den Kabarettisten Gebrüder Moped – gegründet hat. „Wir dachten, das wird ein Erfolgshit. Von den Zeitungen wird Satire ja eher weniger abgedeckt“, sagt Cuisine und fügt hinzu: „Man kann also sagen, am Anfang von Hydra stand eine eklatante Fehleinschätzung.“ Das Magazin fand nämlich weitaus weniger Anhänger als gedacht. Als schließlich das von der Konkurrenz gegründete (und mit mehr Geld ausgestattete) Satiremagazin „Rappelkopf“ eingestellt wurde, war das für Cuisine ein Weckruf. „Auch mit Geld schaffst du's nicht.“

Seither macht die Gruppe nur das, worauf sie Lust hat. Einmal „sorgte“ man sich um die Teilnehmerinnen zur Miss-Vienna-Wahl und hielt eine Ausspeisung für Models in einem Hotel ab, ein anderes Mal marschierte man im Oktober auf den Heldenplatz und forderte das Bundesheer zum Leistungskampf auf. „Den haben wir knapp verloren“, sagt Zirkowitsch amüsiert. Abgesehen von humorvollen Protestaktionen und Performances gibt es auch zahlreiche Publikationen. Etwa die „Spatzipost“, eine garantiert nicht jugendfreie Persiflage der „Spatzenpost“, „weil mich der Konsumwahn bei Kindermagazinen so geärgert hat“, sagt Cuisine. Weiters gibt es einen Lebensratgeber als Reklamheft („Wie werfe ich Zucker ins Weltall?“) und die Wissenschaftspersiflage „Kritik des Schimpfens“, die tatsächlich wie ein wissenschaftliches Taschenbuch des UTB-Verlags aussieht.

In der Gruppe ist es Humor

Parodiert wird alles, was Hydra gerade einfällt – wobei man in keinem Fall verletzend sein wolle. „Der Hydra-Humor ist oft böse, aber er macht nie etwas nur nieder“, sagt Cuisine. Außerdem regiere der Gleichheitsgrundsatz: Jeder bekommt gleich viel Fett weg.

Geschrieben wird viel allein, aber auch viel gemeinsam, im Kern ist die Gruppe 18 Personen stark. Sie besteht aus Studenten, Journalisten, Architekten und trifft sich regelmäßig, um neue Projekte auszuhecken. „Allein wäre ich zynisch, in der Gruppe ist es Humor“, sagt Cuisine. Die Begeisterung für Satire hätte sich bei ihm auch erst mit den Jahren (er ist über 40) entwickelt. Die politischen Zustände in dem Land hätten ihr Scherflein dazu beitragen.

Zurück zum Reiseführer: Einen anderen Blick auf Wien sollten die Leser danach haben, sagt Zirkowitsch. Denn in bekannten Reiseführern stehe sowieso immer, was sich die Touristen von der Stadt erwarten. Weswegen ihr Reiseführer auch mit „Was man in Wien keinenfalls tun darf“ endet. Etwa das Schloss Schönbrunn besuchen.

Das Buch

„Wien, wie es wirklich scheint“ heißt der Reiseführer der Satiregruppe Hydra, der herkömmliche Reiseführer persifliert, und ähnelt optisch den bekannten Polyglott-Reiseführern. (Bei Hydra steht auf dem Cover „Prologott“ statt Polyglott). Darin enthalten sind verschiedene Touren (etwa für Betrunkene) sowie allgemeine Tipps.
Holzbaumverlag, www.hydrazine.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2013)

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