Österreich gegen Deutschland: Ein Preis für faire Watschen

(c) Derek Henthorn
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Wahl-Frankfurter Severin Groebner erhielt den Österreichischen Kabarettpreis 2013. Einer war davon besonders überrascht: er selbst.

Sei lästig!“ hat er jeden Schultag auf der Wand neben dem Döblinger Eissalon gelesen. Das Unbequeme hat sich der heute 44-jährige Exilwiener später zum Beruf gemacht. Auf der Bühne ist Severin Groebner als Kabarettist erfolgreich. Rücksichtslos und selbstironisch bohrt er in genügsamen Seelen und fordert zum Denken auf. Groebner ist der Österreichische Kabarettist des Jahres.

Die Presse: In „Servus Piefke!“ besprechen Sie die innere Unruhe der Deutschen, ist das ansteckend?

Severin Groebner: Für einen Wiener bin ich schon eher ungemütlich, vom Grundcharakter hektisch. Ich laufe viel herum, rede schnell und bin laut. Zu Hause kann ich aber auch sehr gut nichts tun. Dann konzentriere ich mich aufs Schauen.

Wie nehmen Sie als selbstironischer Mensch den Österreichischen Kabarettpreis auf?

Sehr erfreut, sehr überrascht. Immerhin bin ich zehn Jahre aus Österreich weg. Ich habe nicht mehr damit gerechnet, dass ich von meiner geliebten Heimat irgendetwas bekomme. Außer vielleicht den Goldenen Rathausmann kurz bevor ich in die Kiste steige.

Und können Sie es nachvollziehen?

Ich glaube wirklich, dass das Programm lustig geworden ist und dass die Watschen in beide Richtungen fair verteilt sind. Da geht kein Deutscher aus dem Theater und freut sich „Mia san so super“ und auch kein Wiener. Aber der Wiener glaubt von sich per se nicht, dass er super ist.

Wie denkt der Wiener denn?

Der Wiener ist interessant, er weiß, dass hier alles „gschissn“ ist, aber außerhalb von Wien ist es eben noch viel „gschissener“. Die Möglichkeit, woanders hinzugehen, besteht also nicht. Das ist ein Paradoxon.

Sie sind nach Deutschland gezogen, warum Frankfurt?

In Wien sind die Übergänge zwischen den Schichten fließender. In Frankfurt gibt es zum Beispiel das Bankenviertel, das in der Nacht tot ist, und eine Straße weiter stehst du mitten im Rotlichtviertel. Das hat eine Unromantik und Klarheit, die ich sehr schätze. Ich finde es schön, die beiden Enden der Gesellschaft als Nachbarn zu wissen.

Gibt es Anknüpfungspunkte?

Ja, der Handkäs mit Musik ist nichts anderes als ein Quargel in Essig und Öl. Und 30 Kilometer ums Eck wächst ein Riesling im Rheingau, der lässt einen fast den Veltliner vergessen, fast.

Dabei kann man doch schon alles überall kaufen, auch den Grünen Veltliner. Welcher Ausschnitt dieser globalisierten Welt widerstrebt Ihnen eigentlich am meisten?

Die größte Heuchelei ist, dass wir die Eurokrisenländer „retten“. Das ist falsch. Unsere Banken haben diesen Ländern so viel Geld in den Rachen geschoben, dass sie es nicht mehr zurückzahlen können. Die Bevölkerung muss dafür darben. Diesen Menschen wird das Gemeinwesen unter den Füßen weggespart. Wir retten nicht sie, wir retten jene Banken, die wir vor fünf Jahren schon einmal gerettet haben.

Lösungsvorschläge?

Die Habsburger haben sich von den Fuggern Geld für die Königswahlen geliehen. Am Ende waren die Habsburger am Thron und die Fugger pleite. Man kann Banken auch eingehen lassen. „Too big to fail“? Systemrelevant? Dafür hätte ich gern einmal den Gegenbeweis, oder besser: einen Beweis.

Ist Ihnen der Mensch von seinem Spektrum her zu klein?

Man sollte nicht zu viel erwarten, dann wird man nicht so schnell enttäuscht.

Sind Sie oft zornig?

Ich glaube nicht an den heiligen Zorn. Wer schreit, hat unrecht und ist ein Kasperl.

Was finden Sie an sich selbst lustig?

Wenn ich die Dinge zu tragisch nehme.

ZUR PERSON



Nächster Termin: 22.12. im Theater Akzent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2013)

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