Waggerls Dichter-Tochter: Im Einsatz für die Erinnerung

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Lacerta Santorricelli dichtet, leitet die Spieltanzschule und öffnet am Sonntag das Tonbandarchiv für das umstrittene Waggerl-Erbe.

Advent, das ist die stillste Zeit im Jahr...“ Ein paar Worte mit Karl Heinrich Waggerls markanter Stimme genügen, und schon tauchen bei vielen Salzburgern Erinnerungen an die Adventtage ihrer Kindheit auf. Obwohl sich der vor vierzig Jahren verstorbene Salzburger Dichter einst intensiv für den Nationalsozialismus engagiert hat, gehört der Klang seiner Stimme für viele Menschen immer noch untrennbar zum Advent.

Seine Tochter, Lacerta Santorricelli, die über diesen Aspekt der Vergangenheit nicht gern redet, hütet den Nachlass ihres Vaters wie einen Schatz. Am dritten Adventsonntag öffnet die Salzburgerin wieder das Archiv mit alten Tonbandaufnahmen. Die Stimme ihres Vaters, der seine Weihnachtsgeschichten liest, auf Band bildet das Herzstück des Waggerl-Advents, der heuer zum achten Mal stattfindet.

„Ich wollte das Werk auch Jüngeren bekannt machen“, erklärt die Frau mit dem ungewöhnlichen Vornamen, warum sie sich entschlossen hat, den Waggerl-Advent auf die Beine zu stellen. Lacerta heißt übersetzt übrigens Eidechse, es sei das Lieblingstier Waggerls gewesen. Die Salzburgerin ist beseelt davon, dass die Stimme des Vaters auch für künftige Generationen mit der Vorfreude auf das große Fest verbunden bleibt. Geschichten wie „Worüber das Christkind lächeln musste“ oder „Die stillste Zeit im Jahr“ hätten den Menschen auch heute viel zu sagen.

„Bei uns gibt es kein Brauchtum“

Der Waggerl-Advent ist ein Unterfangen, das die Frau das ganze Jahr über auf Trab hält. Dabei hätte sie auch sonst genug zu tun: Santorricelli schreibt Gedichte und leitet gemeinsam mit ihrer Mutter, Sielke Scheidt, die 1955 gegründete „Salzburger Spieltanzschule“.

Kaum ist die Aufführung vorbei, beginnt die Salzburgerin schon mit den Vorbereitungen für das nächste Jahr. Heuer will sie auch Zeichnungen ihres Vaters auf der Bühne zeigen. Mitglieder der Spieltanzschule illustrieren die Geschichten Waggerls mit szenischen Bildern. Dazu gibt es klassische Musik und Tanz. „Es gibt bei uns keine Trachten, keinen Volkstanz und kein Brauchtum“, stellt Santorricelli klar. Sie sieht sich nicht in Konkurrenz zu den traditionellen Advent- und Brauchtumsveranstaltungen, die in Salzburg in der Vorweihnachtszeit um das Publikum buhlen. „Es gilt, ein Stück Kultur zu retten“, so Santorricelli über ihre Mission.

Den Waggerl-Advent finanziert sie aus eigener Tasche. Als sie vor acht Jahren mit der Veranstaltung im Salzburger Landestheater startete, blieben noch viele Sitzplätze leer. Sechs Jahre später war das Theater ausverkauft – und der Entschluss gefasst, in den Festspielbezirk ins „Haus für Mozart“ zu wechseln. Damit ihr Konzept aufgeht, läuft sie ab September mit Prospekten von Geschäft zu Geschäft, klebt Plakate und rührt die Werbetrommel für ihre Veranstaltung. Dazwischen wird geprobt und geübt.

Die Salzburgerin ist mit Musik, Tanz und Dichtung aufgewachsen. Die Spieltanzschule ist in Salzburg eine Institution in der tänzerischen Erziehung von Kindern. In dem kleinen Ballettsaal im ersten Stock in der Judengasse mit Blick auf die Salzach scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Viele haben hier schon gelernt: Die Sängerin Angelika Kirchschlager übte dort als Mädchen ebenso wie Isabel von Karajan. Einen Wunsch hat Santorricelli für die Zukunft: Irgendwann soll der Waggerl-Advent auf so festen Beinen stehen, dass er auch ohne sie weiterbestehen kann. Denn: „Ich will, dass das Werk meines Vaters nicht in Vergessenheit gerät.“

LEXIKON

Karl Heinrich Waggerl, 1897 in Bad Gastein geboren, zählt zu den meistgelesenen deutschsprachigen Autoren des 20. Jahrhunderts. Seine idealisierte Darstellung des bäuerlichen Lebens kam der Ideologie des Dritten Reichs entgegen. Waggerl war Mitglied der NSDAP und Landesobmann für Schriftsteller im Gau Salzburg. Ab den Fünfzigerjahren war er vor allem auf Lesetouren und trat beim Salzburger Adventsingen auf. Karl-Heinrich-Waggerl-Advent:
15. Dezember, elf Uhr, Haus für Mozart, Salzburg. www.waggerladvent.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2013)

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