Robertos Bar am Bauernmarkt: „Kein Ort für Unzufriedene“

(c) Philip Martin Rusch
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15 Jahre lang stand Roberto Pavlovic hinter dem Tresen der Loos-Bar. Im Jänner eröffnet er nuan am Bauernmarkt seine eigene.

So ganz, scheint es, hat Roberto Pavlovic noch nicht in seine neue Rolle hineingefunden. Ob das Foto denn sein müsse, fragt er. Und man kann sich vorstellen, wie gern er hätte, dass seine neue eigene American Bar schon fertig wäre und er hinter dem Tresen stehen könnte. Doch die Bar am Bauernmarkt ist derzeit noch so sehr Baustelle, dass er darüber zwischenzeitlich sogar auf Weihnachten vergaß. Von außen sieht man, schräg gegenüber des Wrenkh, ohnehin nur die alten grünen Markisen, „und die kommen weg“.

Um zu plaudern, muss man also das Lokal wechseln. Allein auf dem kurzen Weg hinüber ins Joma am Hohen Markt grüßt alle paar Meter jemand herüber. Merke: Wer unbemerkt bleiben will, sollte nicht mit dem langjährigen Barchef der Loos-Bar durch die Stadt marschieren.

Der ist dann sichtlich froh, zumindest hinter einer Tischplatte Platz nehmen zu können, quasi als Barersatz. Er sei ja eigentlich schüchtern, stellt Roberto Pavlovic in den Raum. Und derzeit auch noch aufgekratzt. Denn nach 15 Jahren in der Loos-Bar eröffnet der 38-Jährige im Jänner mit „Robertos“ sein eigenes Lokal. Natürlich im Ersten, wo er wohnt, wo er bisher gearbeitet hat, wo er geboren ist, wo die Sache mit den Bars ihren Ausgang nahm.

Das geschah genau genommen am Passauer Platz, wo er, nachdem er nach der 7. Klasse das Gymnasium verlassen, Großhandelskaufmann gelernt und beim Springer Verlag gearbeitet hatte, landete. Im Echo, heute City-Thai, zu jener Zeit gerade der Place to be im Ersten für Theresianisten, Schotten, die Schüler aus gutem Hause.“ Ein paar Mal war er Gast, dann verhalf er dem dortigen Barchef, der gerade fertig studiert hatte, zu einem Job – und bekam im Gegenzug seinen. Er führte das Echo, wie er es heute formuliert, in kurzer Zeit „zu neuen Höhen und Tiefen“. Dann kam jemand von der Loos-Bar und warb ihn ab.

Pavlovic hatte in diesen acht Monaten sein Pensum an Sex, Drugs and Rock 'n' Roll schon konsumiert, zehn Kilo zugenommen und vom Echo-Chef ohnehin nahegelegt bekommen, „etwas kürzer zu treten“, insofern traf sich das Angebot der Loos-Bar damals gut. Zwei Jahre arbeitete er als Abwäscher, lernte mixen, wurde Barchef, die letzten drei Jahre war er auch Gesellschafter. „Dabei hatte ich nie geplant, in der Gastronomie zu bleiben“, stellt er rückblickend fest. Verwundert ist er freilich nicht. „Ich glaube, dass ich ein gewisses gastgeberisches Talent habe.“

„Ich bin kein Mixologe“

Seine Frau formuliert das etwas anders. „Sie sagt immer, ich sei ein Golden Retriever. Du legst dich auf den Bauch und willst gekrault werden . . .“ Jedenfalls, er werde „immer zuerst etwas geben“, beschreibt er seine Philosophie. „Trotz all des Negativen, das ich in der Gastronomie schon erfahren habe. Und dann werd ich manchmal eben enttäuscht – oder nicht.“

Pavlovic spricht viel über die Menschen, wenig über die Drinks. „Ich bin kein Mixologe. Ich denke nicht eine Woche lang über ein Getränk nach, von dem dann keiner sagen darf, dass es nicht schmeckt.“ An die hundert Drinks werde es bei ihm daher geben, „alle Klassiker“. Gemischt wird nach Bauchgefühl. „Ginge es nach Messbechern, wären alle Bars gut.“ Dabei gehe es vielmehr um „die Summe aller Kleinigkeiten“, sagt er und deutet auf die Kartonplättchen, auf denen im Joma sein Glas steht. „Die sind neu, die hatten sie am Anfang nicht.“ Seine „Jungs“ in der Loos-Bar – 80, 90 habe er ausgebildet –, die hätten ihn immer Gandalf genannt. „Weil ich ihnen so viele Kleinigkeiten gezeigt habe.“ Die seien das Geheimnis – „und eine gewisse Menschlichkeit“. Noch heute wundert er sich über Griesgrämigkeit hinter der Bar. „Wenn man dort sowieso acht oder zehn Stunden verbringt, dann kann man doch auch das Beste daraus machen.“ Und dafür sorgen, dass Gäste, die allein und depressiv kommen, zufriedener wieder gehen, „weil man an einem guten Ort war“.

Was nicht heißt, dass man seine schlechte Laune direkt bei ihm abladen darf. Oft, erzählt Pavlovic, lade er den mieselsüchtigen Gast erst einmal auf einen Drink ein. „Ich gebe ihm die Chance, die Kurve zu kriegen. 99 Prozent sind froh über das Angebot.“ Überhaupt: „Ich mag es, mit den Leuten gut zu sein.“ Sollte das nicht auf Gegenseitigkeit beruhen, bliebe immer noch der dezente Ortsverweis: „Such dir eine andere Bar.“

Dass der Alkohol der Harmonie nicht immer zuträglich ist, ja, sogar gelegentlich Dinge provoziert, die er als Barman lieber nicht gesehen hätte, bereitet ihm dennoch Kopfzerbrechen. „Seit 15 Jahren mache ich mir Gedanken, wie man das besser machen könnte, aber mir fällt nichts ein.“ Im guten Fall hingegen helfe der Alkohol den Leuten, aus sich herauszugehen. Mit seiner Frau nimmt er täglich vor dem Essen einen Aperitif. „Wie in der Cocktailstunde im Amerika der Fünfziger – man redet über den Tag und bekommt den Kopf frei.“

Eine Nacht drüber geschlafen

Apropos frei. Als er von dem Lokal am Bauernmarkt erfuhr, das zuvor unter dem Namen Doma eher kein Fixpunkt im Nachtleben war, „habe ich gedacht: nein“, erinnert er sich ein paar Monate zurück und bestellt noch einen kleinen Braunen, den fünften des Tages. „Ich liebe Kaffee. Und Old Fashioneds.“ Doch dann habe er darüber geschlafen, „und am nächsten Tag gedacht, genau das ist der Standort. Er hat eine gewisse Wärme. Es ist der richtige.“

Im November hat er schließlich den Mietvertrag unterschrieben, Mitte oder Ende Jänner macht er das Lokal auf. Das Konzept? „Dunkel, samtig. Ein Ort zum Wohlfühlen, so abgedroschen das klingt.“ Nur für diese seltsamen Menschen, die nie zufrieden seien – „für die ist diese Bar nicht“. Dass er die Übrigen lieber in Tranchen zum Pre-Opening laden will, scheint dennoch ein weiser Entschluss zu sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.12.2013)

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